Duisburg. . Die Flugblatt-Info des Konzernvorstandes zur geplanten Stahlfusion sorgte für Empörung bei den Belegschaften von TKS. Sie kündigen Widerstand an.

  • Per Flugblatt informierte der Konzernvorstand am Mittwochmorgen die Mitarbeiter über die geplante Stahlfusion mit Tata
  • Die Belegschaften der Duisburger Standorte reagierten mit Empörung, Wut und Enttäuschung auf die Nachricht.
  • Schon in der Frühschickt kam es zu spontanen Arbeitsniederlegungen, die Betriebsräte informierten auch vor den Werkstoren

Ohne weitgehende Garantien hinsichtlich Arbeitsplätzen, Standorten und Mitbestimmungsrechten wird Thyssen-Krupp-Konzernchef Heinrich Hiesinger seinen Weg zur Fusion mit Tata ohne oder sogar gegen seine Stahlbelegschaften gehen müssen. „Wir werden uns wehren“, kündigte Werner von Häfen, Betriebsratsvorsitzender des Hüttenheimer Grobblechwerkes, an. Und IG-Metall-Chef Dieter Lieske kündigte selbstbewusst an: „Die kriegen uns nicht klein.“

Betriebsrat ist weiter gegen die Fusion

Mit Flugblättern hatte die Unternehmensführung am Morgen die Stahl-Mitarbeiter über die geplante Fusion informiert, was für zusätzliche Empörung bei den Arbeitnehmervertretern sorgte, die seit über einem Jahr Informationen über den Stand der Verhandlungen mit Tata eingefordert hatten.

Mahnwache bei ThyssenKrupp in Duisburg Bruckhausen

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    Was den Mitarbeitern am Mittwochmorgen vorgestellt wurde, sei eine „nicht nachvollziehbare Entscheidung“, erklärte Günter Back, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates von Thyssen-Krupp Steel (TKS): „Wir sind nach wie vor gegen die Fusion.“ Auch die geplante Verlagerung des Unternehmenssitzes sieht Back kritisch: „Die Musik spielt demnächst ganz woanders.“ Die Mitbestimmung werde dadurch ebenso geschwächt wie die Steuereinnahmen der öffentlichen Hand.

    Ähnlich kämpferisch äußerten sich auch die Arbeitnehmervertreter von TKS vor der Mahnwache am Tor 1 in Bruckhausen. An einzelnen Anlagen kam es am Mittwoch zu spontanen Arbeitsniederlegungen. „Es geht um den Erhalt der Arbeitsplätze für die Jugend, nicht um sozialverträglichen Abbau von Arbeitsplätzen. Deshalb darf kein Standort geschlossen werden“, sagt Markus Stockert, Betriebsrat und Mitglied der Vertrauenskörperleitung. Die Belegschaft sei bereit, den Kampf aufzunehmen. „Sonst werden sich die da oben nicht bewegen“, glaubt der Betriebsrat. „Die Kollegen haben jahrelang verzichtet und jedes Mal hieß es: Wir machen den Stahl sicher.“

    Furcht vor Jobabbau: Die Belegschaft des Grobblechstandorts Hüttenheim versammelte sich vor dem Werk.
    Furcht vor Jobabbau: Die Belegschaft des Grobblechstandorts Hüttenheim versammelte sich vor dem Werk. © Tanja Pickartz

    OB: Schlechter Stil der Konzernspitze

    „Schlechten Stil“ warf OB Sören Link der Konzernspitze vor. „Ich ärgere mich, dass ich das viel zu spät erfahren haben“, sagte Link beim Besuch der Mahnwache. Er forderte den Konzernvorstand zum „direkten Kontakt mit dem Betriebsrat“ auf. Es müsse um den Erhalt aller Arbeitsplätze in Duisburg gehen. „Eine Fusion mit Tata sehen wir sehr kritisch“, erklärten die beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Bärbel Bas und Mahmut Özdemir. Die Arbeitnehmervertreter forderten völlig zu Recht Garantien für die Beschäftigten. Beim CDU-Bundestagsabgeordneten und Duisburger Parteichef Thomas Mahlberg hat die Fusionsankündigung „gemischte Gefühle“ hervorgerufen.

    Die Eckpfeiler der Fusions-Pläne

    Arbeitsplätze

    Sowohl bei Tata als auch bei Thyssen-Krupp sollen „in den kommenden Jahren“ jeweils „bis zu 2000 Stellen“ abgebaut werden, und zwar jeweils ebenfalls zur Hälfte in der Verwaltung und in der Produktion. Bei Thyssen-Krupp würden insgesamt noch mehr Stellen abgebaut, weil noch alte Sparprogramme laufen oder angekündigt wurden. So wurde bereits der Wegfall von rund 300 Arbeitsplätzen im Grobblech-Werk im Duisburger Süden angekündigt. Hinzu kommen 400 bis 600 Verwaltungsstellen, deren Abbau im Juni verkündet wurde.

    Standorte

    Zu einzelnen Werken steht nichts im MoU, lediglich, dass „ab dem Jahr 2020 das Produktionsnetzwerk“ zwecks Optimierung überprüft werde. Heißt im Klartext, dass dann Schließungen einzelner Anlagen bis hin zu ganzen Werken auf die Tagesordnung kommen werden. Da Tata im niederländischen IJmuiden an der Nordsee das modernste Stahlwerk Europas betreibt, dürfte diese Frage vor allem zwischen britischen und deutschen Werken entschieden werden. Wobei auf der Insel der Brexit erschwerend hinzukommen könnte. Die IG Metall befürchtet, der Einfluss der britischen Regierung könne am Ende zu Lasten deutscher Standorte gehen. Auch im MoU wird der Brexit als Unsicherheitsfaktor genannt.

    Die Besitzverhältnisse

    Das Gemeinschaftsunternehmen soll zum Start mit jeweils 50 Prozent Tata und Thyssen-Krupp gehören. Die Arbeitnehmerseite fordert vom Management Zusagen, dass der Essener Dax-Konzern diesen Anteil auch langfristig hält und sich nicht schrittweise aus dem Stahl zurückzieht, etwa wenn es nicht so laufen sollte wie erhofft. Im MoU wird keine Mindesthaltedauer genannt.

    Einsparziele und Lasten

    Als jährlich zu erzielendes Einsparpotenzial nennen die potenziellen Partner für die Anfangsjahre 400 bis 600 Millionen Euro. Damit gemeint sind Kostensynergien in Verwaltung, Vertrieb, Logistik und Forschung. Langfristig will Thyssen-Krupp Tata noch mehr Geld sparen, indem ab 2020 unrentable Anlagen „überprüft“, sprich bei negativem Prüfergebnis geschlossen werden.Als Rucksack nimmt die Stahlsparte von Thyssen-Krupp ihre Pensionslasten von 3,6 Milliarden Euro mit. Tata hatte sich in Großbritannien auf die Auslagerung seiner Pensionsverpflichtungen von 17,5 Milliarden Euro in einen Fonds geeinigt. Allerdings bleibt Tata zu einem Drittel daran beteiligt, also in der Mithaftung. Die Ausgliederung wird die Konzernbilanz von Thyssen-Krupp „signifikant verbessern“, sagte Vorstandschef Hiesinger. Umgekehrt fragt sich die IG Metall, ob das neue Unternehmen mit diesen Lasten wettbewerbsfähig sein wird.

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    Die Fusion könne eine nachhaltige Perspektive schaffen. Der Abbau von zahlreichen Stellen sei aber „für die betroffenen Mitarbeiter eine Katastrophe“, so Mahlberg. Das mögliche Aus für Duisburg als Hauptsitz für Thyssen-Krupp Steel, sei „ein weiterer herber Schlag“, so CDU-Fraktionschef Enzweiler. Thyssen-Krupp habe „als Ganzes viel Verantwortung für die Zukunft dieser Stadt“, mahnte Birgit Beisheim von den Grünen. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, der am Donnerstagnachmittag zur CDU-Wahlkampfvisite in Duisburg war, erklärte, Duisburg müsse „Stahlstandort bleiben“.