Duisburg. Operndirektor Stephen Harrison erläutert die Hintergründe des Mammutprojekts. Zuerst läuft der komplette Zyklus 2019 in Duisburg.

  • Richard Wagners Opern-Tetralogie ist ein Mammutprojekt für jedes Opernhaus
  • Operndirektor Stephen Harrison erläutert im Inteview das Konzept und die Entwicklung
  • Während alle vier Premiren in Düsseldorf sind, läuft der kompette Zyklus 2019 zuerst in Duisburg

Zwei Männer sind es, die bei der Planung des neuen „Ring des Nibelungen“ die Strippen ziehen: Generalintendant Christoph Meyer und Operndirektor Stephen Harrison. Wir sprachen mit Harrison über die Konzeption und Entwicklung des Projekts.

Der letzte „Ring“ wurde in Duisburg 1995 gezeigt, in Düsseldorf 2009. Wie kommt die Entscheidung zustande, einen neuen „Ring“ zu produzieren?

Stephen Harrison: In Gesprächsrunden zwischen Generalintendant Christoph Meyer, Generalmusikdirektor Axel Kober, der Dramaturgie und mir wird regelmäßig diskutiert, welche Stücke wir herausbringen. Die endgültige Entscheidung fällt dann Christoph Meyer. Beim „Ring“ war es so, dass es mit Dietrich Hilsdorf direkt nach seiner Premiere von „Ariadne auf Naxos“ im September 2014 ein Gespräch über das Projekt gab.

Warum kommt der neue „Ring“ jetzt?

Wir wollen den „Ring“ als krönenden Abschluss der ersten zehn Jahre der Intendanz von Christoph Meyer herausbringen. Deshalb werden die Zyklen im Mai und Juni 2019 gespielt. Dabei war auch wichtig, dass wir die „Siegfried“-Vorstellungen auf Christi Himmelfahrt und Fronleichnam legen, so dass jeder Zyklus in anderthalb Wochen über die Bühne geht. Die Premieren sind zwar über drei Spielzeiten verteilt, aber das liest sich länger als es in Wirklichkeit ist, da vom Beginn der Rheingold-Proben im Mai 2017 bis zu der Götterdämmerungs-Premiere im Oktober 2018 nicht einmal anderthalb Jahre vergehen.

Warum sind die Premieren alle in Düsseldorf und nicht in Duisburg?

Wir wollen den gesamten Zyklus in beiden Städten in der richtigen Reihenfolge herausbringen. Da ist es am einfachsten, wenn alle Stücke zuerst in Düsseldorf herauskommen. Beim letzten Ring-Zyklus im Jahr 89/91, der mit Köln koproduziert wurde, hatten wir sogar drei Häuser im Boot. Ein kleines Trostpflaster für Duisburg ist aber, dass wir hier 2019 den ersten Zyklus noch vor Düsseldorf spielen.

Wie sind Sie bei der Besetzung der Rollen vorgegangen?

Wir arbeiten in Duisburg und Düsseldorf mit zwei verschiedenen Besetzungen, wobei wir versucht haben, möglichst viele Partien aus dem Ensemble zu besetzen. So singt Corby Welch in Duisburg beide Siegfriede. Er hat die Rolle bereits in Genf gecovert, das heißt, dass er die dortige Inszenierung geprobt hat und als Einspringer bereit stand, während ein anderer Sänger die Vorstellung gesungen hat. Wir dachten, dass er hier unbedingt als Siegfried auftreten sollte. Die Duisburger Sieglinde wird Sarah Ferede sein, die sich hier in den letzten Jahren großartig entwickelt hat und Ausschnitte der Partie schon in unserem Loriot-Ring gesungen hat.

Bei solch einem Projekt gibt es naturgemäß auch einige Gäste. Auf wen darf sich das Duisburger Publikum da freuen?

Als Wotan haben wir für Duisburg James Rutherford eingeladen, der den Wotan bereits in Frankfurt gesungen hat. Und als Brünnhilde ist Heike Wessels vom Mannheimer Nationaltheater zu hören. Sie hat dort bereits die Sieglinde und die Brünnhilde im „Siegfried“ gesungen. Wir wussten, dass sie sich auch die anderen Brünnhilden erarbeiten wollte und da haben wir sie gefragt, ob sie das nicht bei uns machen möchte.

Sie waren ja schon an verschiedenen „Ring“-Produktionen beteiligt. Was ist das besondere an solch an einem Projekt?

Meistens ist es so, dass sich der Generalmusikdirektor einen neuen „Ring“ wünscht. Später reden Presse und Publikum dann aber nur noch über den Regisseur. So war beim letzten Rheinopern-Ring unser GMD Hans Wallat Dirigent der Premieren, aber die Produktion ist dem Publikum nicht als „Wallat-“, sondern als „Horres-Ring“ in Erinnerung geblieben. Es wäre schön, wenn die neue Inszenierung als der „Hilsdorf-Kober-Zyklus“ in die Geschichte des Hauses eingehen würde.

>> ZUR PERSON: STEPHEN HARRISON

Stephen Harrison ist seit 1988 an der Deutschen Oper am Rhein engagiert. Er begann hier als Studienleiter, wurde 1992 Chefdisponent und 1998 künstlerischer Betriebsdirektor.

Seit 2009 ist er als Operndirektor die rechte Hand von Generalintendant Christoph Meyer. Daneben tritt er aber immer noch als Pianist auf, so im Ballett oder als Liedbegleiter.

Dramaturg Loges: Rat für „Ring“-Anfänger

Nach wie vor ist der „Ring“ eine der größten Herausforderungen für ein Opernhaus – für Technik und Sänger, aber auch fürs Regieteam. An dessen Arbeit reiben sich oft Publikum und Presse. „Der Regisseur hatte vier Kisten Bücher mitgebracht, ich ein großes Billy-Regal voller Stoff“, schildert Dramaturg Bernhard F. Loges den ersten Arbeitstag der Neuinszenierung mit Dietrich W. Hilsdorf. „Schon immer“ habe ihn der „Ring“ fasziniert, als Jugendlicher und Student habe er diverse Inszenierungen gesehen. Und später betreute er als Regie-Assistent die Wiederaufnahme des Horres-Rings.

Dramaturg Bernhard F. Loges hat sich durch viel Stoff über Wagner und den „Ring“ gearbeitet.
Dramaturg Bernhard F. Loges hat sich durch viel Stoff über Wagner und den „Ring“ gearbeitet. © Stephan Eickershoff

„Viel lesen, viel vergessen“ stehe am Anfang der Arbeit, zumal der „Ring“ auch „eine Bestandsaufnahme des 19. Jahrhunderts“ sei. Aus der Sicht Richard Wagners natürlich, der 1848 mit revolutionärem Elan anfing, die „Götterdämmerung“ zu komponieren, also mit dem letzten Stück der Tetralogie anfing und sich dann zum „Rheingold“ zurück arbeitete. Dabei hatte er den Rhein bis 1860 nie gesehen und wohl eher die Elbe seiner Heimatstadt Dresden vor Augen.

„Ring“-Anfängern rät Loges, sich an Wotan zu orientieren, sein Gegenpart ist Alberich. „Wobei die Probleme schon vor ,Rheingold’ beginnen, denn Gott Wotan hat die Weltverträge auf seinem Speer eingeritzt, hält sich aber nicht daran.“ Was wiederum zum Kapitalismus passe und zu Karl Marx, dessen „Kapital“ in diesem Jahr 150 wird.

Wer sich also an Wotan orientiere und an der Familie, seinen Kindern und schließlich seinem Enkel Siegfried, könne die Geschichte ebenso nachvollziehen wie die Inszenierung. Denn die bürgerliche Familie des 19. Jahrhunderts steht im Mittelpunkt. Am Ende setzt Siegfried Wotan ab, dessen Generation abgewirtschaftet hat.

Eigentlich handele sein Gegenpart, der stets als Bösewicht geltende Alberich folgerichtig. Er folge den Prophezeiungen der Rheintöchter: Wer die Liebe verflucht, bekommt das Gold.