Duisburg. . Zum Abschluss der Serie, die geplante Wald-Rodungen in Duisburg aufzeigt, geht der Blick nach Neumühl. Über Kompensation, die nicht mehr gilt.

  • Auf der Suche nach neuen Flächen für Wohnen und Gewerbe sollen in Duisburg 170 Hektar verbraucht werden
  • Unter den zur Bebauung vorgesehen Flächen befinden sich auch 15 Hektar wertvolle Waldflächen
  • Zum Beispiel die Wäldchen am Güterbahnhof Neumühl und im Landschaftsschutzgebiet Stalbergshof

„Kahlschlag in Sicht?“, dies ist der alarmierende Titel einer Serie dieser Zeitung, mit der die Redaktion auf die warnenden Protestrufe von Umwelt- und Naturschützern, aber auch auf die deutliche wie kritische Stellungnahme des Beirates der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) zum Vorentwurf des neuen städtischen Flächennutzungsplanes eingeht.

Hintergrund: Auf der Suche nach neuen Flächen für Wohnen, Industrie und Gewerbe sollen nach dem Willen der Stadtverwaltung und der Ratsmehrheit aus SPD und CDU in den kommenden zehn Jahren bis 2027 stattliche 170 Hektar (= 1,7 Millionen Quadratmeter) an freier Landschaft in der Stadt für neue Bebauung verbraucht werden.

„Eine planerische Sünde ohnegleichen“

Unter den zur Bebauung vorgesehen Flächen befinden sich auch 15 Hektar wertvolle Waldflächen. Ist es statthaft, in einer stark verdichteten Industriestadt Wald gegen Gewerbe einzutauschen? Nach Einschätzung des Expertenbeirates der UNB wäre dies eine planerische Sünde ohnegleichen, ein „ungehemmter Flächenfraß“, der die Lebensqualität für die Menschen in der Industriestadt nur weiter absenken würde. Wird Duisburg immer grauer?

Zum Abschluss der dreiteiligen Serie, die geplante Wald-Rodungsgebiete in der Stadt aufzeigt, blicken wir heute nach Neumühl.

Johannes Meßer, Vorsitzender des Beirates der Unteren Naturschutzbehörde Duisburg, im Birkenwäldchen am alten Bahnhof Neumühl,
Johannes Meßer, Vorsitzender des Beirates der Unteren Naturschutzbehörde Duisburg, im Birkenwäldchen am alten Bahnhof Neumühl, © Michael Dahlke

Da ist das Wäldchen am ehemaligen Güterbahnhof Neumühl. Johannes Meßer, Vorsitzender des Beirates der Unteren Naturschutzbehörde Duisburg und aktiver Naturschützer im BUND, macht ein grimmiges Gesicht: „Hier würde mit dem neuen Flächennutzungsplan ein IBA-Projekt wieder abgewickelt werden.“ Vor 20 Jahren wurde mit hohem Geldaufwand der so genannte Grüne Pfad errichtet – ein etwa zehn Kilometer langer, kombinierter Rad- und Wanderweg auf der alten Trasse der Emschertalbahn der Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft zwischen Oberhausen-Sterkrade und Duisburg-Ruhrort.

„Idee des Grünen Pfades würde weiter degradiert.“

Das Gelände drumherum, in Neumühl, Nachfolgegrün auf eingestellte Nutzung am Güterbahnhof wurde mit zahllosen Birken aufgeforstet und „IBA-fein“ gemacht. Nun sollen diese fünf Hektar IBA-Wald nach dem Willen der Stadtplanung zur Vorratsfläche für das bestehende Gewerbegebiet Neumühl (Theoder-Heuss-Straße) umgewandelt werden. Der „Grüne Pfad“, mittlerweile zum Ärger der Naturschützer sogar auch schon asphaltiert, würde dann links und rechts eingepackt „in ein absurdes Kulissengrün von ein paar Metern“ (Meßer), asphaltiert durch ein betoniertes Gewerbegebiet laufen, wo das letzte Stück Wald gerodet wurde.

„Absurd! Die gute Idee des Grünen Pfades würde weiter degradiert, eine einmalige kleine Notlösung zum Prinzip erhoben werden“, klagt Meßer. Und Pflanzen und Tier (Greifvögel) würden auf dieser Insellage im grünen Birkenhain ihren Lebensraum verlieren. Die „bioklimatische Wohlfahrtswirkung“, so warnt der Umweltbericht der Stadt vor dieser Planung, würde im erweiterten Umfeld nahezu vollständig verloren gehen.

„Dann gilt nichts mehr in Duisburg“

Auch das zweite Stück Wald, so Johannes Meßer, nur ein paar Hundert Meter Luftlinie vom alten Bahnhof entfernt, 3,3 Hektar Wald am Stalbergshof und der A3, sollen dem gleichen Gewerbegebiet in Neumühl weichen. Für den Vorsitzenden des Beirates der Unteren Naturschutzbehörde Duisburg wäre dies ein krasser Fall von Missachtung der Vorschriften.

Entstanden vor 25 Jahren als Ausgleich für das Gewerbegebiet an der Stepelschen Straße, soll dieses Wäldchen also künftig auch wieder einem Gewerbegebiet weichen. Eine so genannte „Kompensationsfläche“ für Waldrodung in Beeck, die sich am Rande von Neumühl auf Ackerland in 25 Jahren kaum zum Wald entwickelt hat, soll nach dem Wunsch der Stadtplaner auch mit Gewerbe beplant werden.

Meßer: „Wald braucht Zeit. 25 Jahre sind für die Entwicklung nicht genug. Wenn man bei einer Kompensation nicht mehr sicher sein kann, dass sie solange gilt, wie ihr Anlass, dann gilt nichts mehr in Duisburg!“