Die alte Landesregierung habe zu spät reagiert, beklagt die Landtagsabgeordnete Petra Voigt. Zwangsabordnungen sind für sie „das letzte Mittel“.

Als schulpolitische Sprecherin der CDU-Landtagsfraktion machte Petra Vogt noch Bildungspolitik von der Oppositionsbank. Seit der Wahl im Mai ist die Duisburgerin stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten, die nun mit der FDP regieren und gehört weiterhin dem Schulausschuss des Landtages an. Im Interview spricht sie über die Ziele der Schulpolitik und über ihre Sicht der Lage in Duisburg.

Zum Schulstart nächste Woche ist die Versorgung mit Lehrern nicht nur an Grundschulen prekär. Teilen Sie diese Einschätzung.

Petra Vogt: Ja. Ich war ja vier Wochen wieder in meiner Schule, ehe ich in den Landtag nachgerückt bin, da habe ich gesehen, wie es an einem Berufskolleg aussieht. Im Ruhrgebiet haben wir einen klaren Lehrermangel. Die Zuwanderung aus Südeuropa hat das Problem in Städten wie Duisburg verschärft, das Land hat darauf zu spät reagiert.

Durch die Änderung der Studienordnung Anfang des Jahrzehnts gibt es weniger Junglehrer. Ist das ein Teil der Erklärung?

Ja, aber dieses Delta ist ja nicht vom Himmel gefallen. Es war bekannt, das weniger Lehrer zur Verfügung stehen. Die vorherige Landesregierung hat darauf nicht rechtzeitig reagiert. Mit dem massiven Zuzug war nicht zu rechnen, doch Probleme hätte es auch bei sinkenden Schülerzahlen gegeben.

Die schulscharfen Ausschreibungen führen dazu, dass sich Lehrer gar nicht erst in Duisburg bewerben.

Das ist auch in Teilen des ländlichen Raum so, weil die Bewerber andere Orte attraktiver finden. Auch das ist nicht neu. Wir haben nun in den Koalitionsvertrag geschrieben, dass wir das mit einem Anreizsystem für Lehrer ändern wollen. Es kann nicht sein, das Schulen in Münster zu 100 Prozent versorgt sind und im Ruhrgebiet kein ordnungsgemäßer Unterricht mehr erteilt werden kann. Wir wollen auch die Schüler-Lehrer-Relation ändern, um Bewerbungen hier attraktiver zu machen.

Allein an Duisburger Grundschulen wird eine dreistellige Zahl von Lehrern fehlen. Was hilft kurzfristig?

Es muss ein Bündel von Maßnahmen sein, etwa die Reaktivierung von Pensionären, über Seiteneinsteiger. Aber auch diese Menschen muss man zunächst finden. Kurzfristig könnten auch Leute aus artverwandten Lehrberufen helfen. Mehr voll ausgebildete Lehrer bekommen wir nicht von heute auf morgen, deshalb müssen wir über Alternativen nachdenken.

Es bleibt die Möglichkeit, Lehrer abzuordnen in die Krisenregionen.

Ja, das passiert ja nun auch in Duisburg in begrenztem Rahmen. Aber das führt zu vielen Schwierigkeiten bei den Betroffenen, die in eine ganz neue Schule in einem völlig anderen Umfeld geschickt werden. Das ist deshalb meiner Ansicht nach das allerletzte Mittel.

Was hilft, um die Bewerberzahlen zu stabilisieren?

Der Lehrerberuf ist deutlich unattraktiver geworden. Das muss sich ändern, damit wir junge Menschen gewinnen können. Dinge wie Entbürokratisierung können da helfen, das ist auch schnell umzusetzen. Außerdem müssen wir über den Numerus Clausus nachdenken. Wir haben uns deshalb vorgenommen, die Kapazitäten für die Ausbildung an den Hochschulen auszubauen. Wir wollen damit auch dem eklatanten Mangel an Fachlehrern begegnen, den es in einigen Fächern gibt.

Aber wer nun das Studium beginnt, ist frühestens in fünf Jahren fertig.

Klar, aber ich verhindere vielleicht, dass sich weniger Studierende anders orientieren. Wir haben uns vorgenommen, die Lehrer zielgerichtet von den Dingen zu entlasten, die nichts mit Unterricht zu tun haben.

Wird für den Lehrerberuf zu wenig geworben?

Ja, absolut. Das Bild von der Lehrerschwemme war zu lange prägend. Man hat gedacht, für diesen Traumberuf kommen die Bewerber von ganz allein. Das Berufsbild des Lehrers ist auch zu sehr in Verruf geraten. Angesichts der Rahmenbedingungen haben viele den Eindruck, dass sie ihren eigentlichen Job nicht mehr machen können.

Ist das denn so?

Ich finde, es ist immer noch ein wunderschöner Beruf. Aber es ist in der Öffentlichkeit angekommen, dass es kein Traumjob mehr ist.

G8-Einführung und Rückabwicklung, Inklusion und Integration von Zuwanderung – sind das Dinge, die dazu beitragen?

Ganz viele Lehrer, die ich kenne, sind mit großem Idealismus im Beruf. Aber etwa bei der Inklusion hat man ihnen nicht die Mittel gegeben, um den Herausforderungen gerecht zu werden. Das ist, als wenn sie einen Orthopäden auffordern, eine Operation am offenen Herzen vorzunehmen. Das hat zu viel Frustration geführt. Mit dieser Art der Umsetzung ist großer Schaden angerichtet worden. Wir stehen als CDU zur Inklusion, aber sie muss qualitätsorientiert sein.