Duisburg. . Vor zwölf Jahren ereignete sich einer der spektakulärsten Kriminalfälle in Duisburgs Historie. Sechs Menschen starben. Eine Chronik:

  • Vor zehn Jahren ereigneten sich vor dem Restaurant „Da Bruno“ die Duisburger Mafiamorde
  • Heinz Sprenger leitete damals die Mordkommission und schildert in seinem Buch auch diesen Fall
  • DNA-Analysen, Bilder aus Videokameras und das Abgleichen von Telefondaten halfen bei Täterjagd

Heute auf den Tag genau vor zwölf Jahren ereigneten sich die „Duisburger Mafiamorde“. Sechs Menschen starben im Kugelhagel vor einem Restaurant in Neudorf. Die Leitung der Mordkommission übernahm Heinz Sprenger, der in diesem Jahr im Alter von 66 Jahren überraschend verstorben ist. In seinem Buch „Der wahre Schimanski“ (Riva-Verlag) erzählt der frühere Kriminalpolizist von diesem Fall, der zu den spektakulärsten in der Geschichte dieser Stadt zählt. Eine Chronik:

Die Tatnacht: sechs Opfer sterben

Auf die Insassen dieser beiden Autos wurden die tödlichen Schüsse abgegeben: Beamte der Spurensicherung sind am Tatort im Einsatz.
Auf die Insassen dieser beiden Autos wurden die tödlichen Schüsse abgegeben: Beamte der Spurensicherung sind am Tatort im Einsatz. © Stephan Eickershoff

Die frühen Morgenstunden des 15. August 2007. Es ist 2.20 Uhr, als sechs Personen das im Erdgeschoss des Klöckner-Hauses untergebrachte Lokal „Da Bruno“ verlassen. Sie gehen zu ihren zwei Autos, die sie in einer angrenzenden Durchfahrt abgestellt haben – ein Opel-Lieferwagen und ein angemieteter VW Golf. In dem Moment, als die Motoren gestartet werden sollen, treten aus der Dunkelheit die Täter an die Fahrzeuge heran und eröffnen mit zwei italienischen Beretta-Pistolen das Feuer. Fünf Insassen sind sofort tot, der sechste wird reanimiert, verstirbt aber kurz darauf.

Die Opfer: Die Identitäten stehen schnell fest

„Die Identitäten der Getöteten konnte bald ermittelt werden“, erinnerte sich Sprenger vor zwei Jahren im Gespräch mit dieser Zeitung. Es handelt sich um den Besitzer und Wirt des „Da Bruno“, dazu um einen als Auftragsmörder bekannten Mann und um zwei Brüder, die dort beschäftigt waren, sowie um zwei Jugendliche (16 und 18). Der Jüngere war das Patenkind des „Da Bruno“-Besitzers, der Ältere war erst an diesem Abend im Rahmen eines zeremoniellen Aktes in die ‘Ndrangheta aufgenommen worden. Dieser kalabrischen Mafia-Organisation gehörten auch die übrigen Opfer an. Das wissen Kollegen Sprengers, die im Bereich der organisierten Kriminalität ermitteln.

Die Ermittler: 140 Beamte sind mit Fall beschäftigt

Pressekonferenz am 15. August 2007: Die Pressevertreter informierten (v. l.) Staatsanwalt Manfred Obretzka, der Leiter der Mordkommision Heinz Sprenger und Kriminaldirektor Ronald Bäumler.
Pressekonferenz am 15. August 2007: Die Pressevertreter informierten (v. l.) Staatsanwalt Manfred Obretzka, der Leiter der Mordkommision Heinz Sprenger und Kriminaldirektor Ronald Bäumler. © Stephan Eickershoff

„In der Spitze waren bis zu 140 Leute mit diesem Fall beschäftigt“, sagte Sprenger. Darunter auch italienische Kollegen. Auch Spezialisten des Bundeskriminalamtes machen sich auf den Weg nach Duisburg. Sie hatten über Jahre alle Informationen zur ‘Ndrangheta gesammelt. Tags darauf wird entschieden, dass die Zuständigkeit für den Fall bei der Duisburger Mordkommission bleiben und nicht zum LKA oder BKA verlagert wird. „Nicht zuletzt, weil wir eine sehr gute Aufklärungsquote bei Tötungsdelikten vorzuweisen hatten“, vermutete Sprenger damals.

Die Zeugen: Wertvolle Hinweise

Noch in der Tatnacht gibt es wertvolle Hinweise. Einer jungen Frau waren zur Tatzeit auf der anderen Seite der Mülheimer Straße zwei Gestalten entgegengekommen, die dann die Straßenseite zum Tatort wechselten. Dann hörte sie Geräusche, die für sie im ersten Moment wie Silvesterböller klangen. Als sie nachschaute, fand sie die Wagen mit den zerschossenen Seitenscheiben und den Getöteten vor. Sie alarmierte sofort die Polizei.

Schnell konnte ermittelt werden, dass eine Tätergruppe in einem Renault Clio über die Neudorfer Straße am UCI-Kino vorbei geflüchtet war. Dass es einen zweiten Fluchtwagen gab, berichtete kurz darauf ein Zeitungsbote. Dieser hatte in einer Nachbarstraße Zeitungen verteilt, als zwei Personen auf einen Wagen zueilten. Nach einem kurzen Dialog mit ihm brauste das Duo in Richtung Kreuz Kaiserberg davon. Anhand der Angaben des Boten entstanden Phantombilder.

Die Methoden: Beweise wurden nicht anerkannt

Wie sich bald herausstellen sollte, standen die Getöteten und das Lokal bereits im Fokus italienischer Ermittlungsbehörden. Diese hatten den VW Golf, mit dem die Opfer wegfahren wollten, verwanzt und mit GPS-Sender ausgestattet. Das verschwiegen die Ermittler aber gegenüber deutschen Behörden – ein Verstoß gegen geltendes Recht. Die so zusammengetragenen Fakten und Beweise wurden von der Staatsanwaltschaft daher nicht anerkannt. „Die Erkenntnisse der verdeckten Maßnahme der Italiener flossen aber zumindest in unsere weiteren Ermittlungen ein“, sagte Sprenger. So kam schnell heraus, dass fast alle Opfer aus dem Ort San Luca in Kalabrien stammten, das als Mutterhaus der ‘Ndrangheta gilt. Zum Tatzeitpunkt lebten 80 Personen aus San Luca oder dem direkten Umfeld in Duisburg. Fast alle galten als Clan-Mitglieder.

Die Duisburger Mafia-Morde

In der Nacht zum 15. August 2007 wurden an der Pizzeria Da Bruno in Duisburg-Neudorf sechs Menschen mit Kopfschüssen getötet.
In der Nacht zum 15. August 2007 wurden an der Pizzeria Da Bruno in Duisburg-Neudorf sechs Menschen mit Kopfschüssen getötet. © Stephan Eickershoff
Ein Rückblick auf die Ereignisse.
Ein Rückblick auf die Ereignisse. © Stefan Endell
Duisburg, in der Nacht zum 15. August 2007: Es ist 2.21 Uhr, als die Schüsse durch die Nacht rattern...
Duisburg, in der Nacht zum 15. August 2007: Es ist 2.21 Uhr, als die Schüsse durch die Nacht rattern... © Stefan Endell
...70 Schüsse aus Maschinenpistolen, abgefeuert auf sechs Männer, die in ihren Autos gerade den Hof neben dem Restaurant „Da Bruno” verlassen.
...70 Schüsse aus Maschinenpistolen, abgefeuert auf sechs Männer, die in ihren Autos gerade den Hof neben dem Restaurant „Da Bruno” verlassen. © Stefan Endell
Die Opfer: Sebastiano Strangio, 38, Francesco Giorgi, 16, Marco Marmo, 25, Francesco Pergola, 22, Marco Pergola, 19, und Tommaso Venturi, 18.
Die Opfer: Sebastiano Strangio, 38, Francesco Giorgi, 16, Marco Marmo, 25, Francesco Pergola, 22, Marco Pergola, 19, und Tommaso Venturi, 18. © Stefan Endell
„Wenige Minuten nach den Schüssen in Duisburg waren Schutzpolizisten am Tatort, bald darauf unsere Ermittler....
„Wenige Minuten nach den Schüssen in Duisburg waren Schutzpolizisten am Tatort, bald darauf unsere Ermittler.... © Stephan Eickershoff
... Sie haben noch versucht, das ein oder andere Opfer zu reanimieren”, erinnert sich der Duisburger Kriminaldirektor Holger Haufmann.
... Sie haben noch versucht, das ein oder andere Opfer zu reanimieren”, erinnert sich der Duisburger Kriminaldirektor Holger Haufmann. © Matthias Graben
Vergeblich, die sechs zwischen 16 und 38 Jahre alten Männer hatten keine Chance gehabt.
Vergeblich, die sechs zwischen 16 und 38 Jahre alten Männer hatten keine Chance gehabt. © Stephan Eickershoff
Heinz Sprenger (64) leitete vor zehn Jahren die Mordkommission. Sechs Tote vor einer Pizzeria,
Heinz Sprenger (64) leitete vor zehn Jahren die Mordkommission. Sechs Tote vor einer Pizzeria, "klar denkt man da sofort an die Mafia", sagt er. Trotzdem hat er in alle Richtungen ermitteln lassen. "Hätte ja auch ein Eifersuchtsdrama sein können." War es aber nicht, wie die Fahnder bald erfahren. © Lars Heidrich
Sein Kollege Haufmann:
Sein Kollege Haufmann: "Ich hatte in den letzten Jahren oft genug mit der Mafia zu tun. In Wuppertal, Mülheim und in Duisburg." © Stephan Eickershoff
Schließlich ist in Mülheim der berüchtigte Mafia-Killer Georgio Basile aufgewachsen, hatte es im Ruhrgebiet immer wieder Delikte von Angehörigen der 'Ndrangheta gegeben. „Raubüberfälle, Auto-Schiebereien”, so Haufmann. Und 80 der Italiener in Duisburg stammen aus San Luca.
Schließlich ist in Mülheim der berüchtigte Mafia-Killer Georgio Basile aufgewachsen, hatte es im Ruhrgebiet immer wieder Delikte von Angehörigen der 'Ndrangheta gegeben. „Raubüberfälle, Auto-Schiebereien”, so Haufmann. Und 80 der Italiener in Duisburg stammen aus San Luca. © Stephan Eickershoff
Das bestätigen auch italienische Kollegen, die nach der Tat nach Duisburg kamen. Sie stufen das Verbrechen als Teil einer Fehde rivalisierender Clans ein, die seit 1991 andauert und die sie die
Das bestätigen auch italienische Kollegen, die nach der Tat nach Duisburg kamen. Sie stufen das Verbrechen als Teil einer Fehde rivalisierender Clans ein, die seit 1991 andauert und die sie die "Vendetta von San Luca" nennen. Die Pelle-Romeo gegen Strangio-Nirta. Beide gehören der ‘Ndrangheta an, der kalabrischen Mafia. © Stephan Eickershoff
Der Hintergrund der Duisburger Bluttat: Weihnachten 2006 war Maria Nirta-Strangio, die Frau des Mafia-Bosses Giovanni Nirta erschossen worden. Ihm hatten die Schüsse vermutlich gegolten, sie hatte sich damals im letzten Moment schützend vor einen kleinen Jungen geworfen.
Der Hintergrund der Duisburger Bluttat: Weihnachten 2006 war Maria Nirta-Strangio, die Frau des Mafia-Bosses Giovanni Nirta erschossen worden. Ihm hatten die Schüsse vermutlich gegolten, sie hatte sich damals im letzten Moment schützend vor einen kleinen Jungen geworfen. © Federico Gambarini/dpa
Im Polizeipräsidium an der Düsseldorfer Straße gaben die Ermittler erste Details bekannt.
Im Polizeipräsidium an der Düsseldorfer Straße gaben die Ermittler erste Details bekannt. © Stephan Eickershoff
Staatsanwalt Manfred Obretzka, der Leiter der Mordkommision Heinz Sprenger und Kriminaldirektor Ronald Bäumler informierten die Medien über die Geschehnisse in der Nacht.
Staatsanwalt Manfred Obretzka, der Leiter der Mordkommision Heinz Sprenger und Kriminaldirektor Ronald Bäumler informierten die Medien über die Geschehnisse in der Nacht. © Stephan Eickershoff
Durch die Veröffentlichung des Videos einer Überwachungskamera  erhoffte sich die Polizei weitere Hinweise auf die Täter.
Durch die Veröffentlichung des Videos einer Überwachungskamera erhoffte sich die Polizei weitere Hinweise auf die Täter. © Andreas Mangen
Das Bild von der Überwachungskamera an der Klöckner-Tankstelle zeigt die beiden Mörder.
Das Bild von der Überwachungskamera an der Klöckner-Tankstelle zeigt die beiden Mörder. © Polizei
Dank des Videos fand die Polizei auch heraus, dass die Täter mit einem Renault Clio unterwegs waren. Der Wagen wurde später im belgischen Gent gefunden. Mit DNA-Spuren.
Dank des Videos fand die Polizei auch heraus, dass die Täter mit einem Renault Clio unterwegs waren. Der Wagen wurde später im belgischen Gent gefunden. Mit DNA-Spuren. © Friedhelm Geinowski
Am Tatort haben Freunde und Bekannte Blumen niedergelegt , Kerzen aufgestellt und Briefe abgelegt.
Am Tatort haben Freunde und Bekannte Blumen niedergelegt , Kerzen aufgestellt und Briefe abgelegt. © Friedhelm Geinowski
Ein grausames Verbrechen, ...
Ein grausames Verbrechen, ... © Friedhelm Geinowski
... das viele Duisburger trifft.
... das viele Duisburger trifft. © Stephan Eickershoff
Sie trauerten mit den Angehörigen der Toten.
Sie trauerten mit den Angehörigen der Toten. © Friedhelm Geinowski
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Ein Ascheherz, viele Blumen und Kerzen lagen auch noch Tage nach dem Verbrechen vor dem Restaurant
Ein Ascheherz, viele Blumen und Kerzen lagen auch noch Tage nach dem Verbrechen vor dem Restaurant "Da Bruno". © Andreas Mangen
Der 15. August, für die Duisburger Polizei ist er der Auftakt immenser Ermittlungsarbeit.
Der 15. August, für die Duisburger Polizei ist er der Auftakt immenser Ermittlungsarbeit. © Stephan Eickershoff
Anfangs rund um die Uhr, lange Wochen ohne jede Pause bemühten sich die Fahnder, den Tätern auf die Spur zu kommen.
Anfangs rund um die Uhr, lange Wochen ohne jede Pause bemühten sich die Fahnder, den Tätern auf die Spur zu kommen. © Stephan Eickershoff
Doch bei jenen, die aus San Luca stammen, stoßen sie auf beredtes Schweigen. „Sie haben in den Vernehmungen viel erzählt, aber immer nur so viel, wie wir ohnehin schon wussten”, so der Duisburger Staatsanwalt Garip Günes-Böhm (rechts), hier im Bild mit Holger Haufmann
Doch bei jenen, die aus San Luca stammen, stoßen sie auf beredtes Schweigen. „Sie haben in den Vernehmungen viel erzählt, aber immer nur so viel, wie wir ohnehin schon wussten”, so der Duisburger Staatsanwalt Garip Günes-Böhm (rechts), hier im Bild mit Holger Haufmann © Stephan Eickershoff
Die Omertà, die Schweigepflicht, gilt nicht nur im 2143 Kilometer entfernten San Luca, sie reicht bis ins Ruhrgebiet.
Die Omertà, die Schweigepflicht, gilt nicht nur im 2143 Kilometer entfernten San Luca, sie reicht bis ins Ruhrgebiet. © Stephan Eickershoff
90 Ermittler gehörten der Mordkommission „Mülheimer Straße” an, in Spitzenzeiten wurden sie durch weitere 50 Leute unterstützt. LKA und BKA schickten Experten, die ersten italienischen Fahnder steigen bereits am Abend der Tat aus dem Flugzeug.
90 Ermittler gehörten der Mordkommission „Mülheimer Straße” an, in Spitzenzeiten wurden sie durch weitere 50 Leute unterstützt. LKA und BKA schickten Experten, die ersten italienischen Fahnder steigen bereits am Abend der Tat aus dem Flugzeug. © Stephan Eickershoff
Das „Da Bruno” war ihnen, die seit zwei Jahren gezielt gegen die 'Ndrangheta vorgegangen waren, lange schon ein Begriff. Spätestens seit sich in einem der unterirdischen Bunker in San Luca eine Visitenkarte des Restaurants fand.
Das „Da Bruno” war ihnen, die seit zwei Jahren gezielt gegen die 'Ndrangheta vorgegangen waren, lange schon ein Begriff. Spätestens seit sich in einem der unterirdischen Bunker in San Luca eine Visitenkarte des Restaurants fand. © Stephan Eickershoff
Wo die Omertà zum Schweigen verpflichtet, beginnen bald Indizien, Beweise eine Geschichte zu erzählen...
Wo die Omertà zum Schweigen verpflichtet, beginnen bald Indizien, Beweise eine Geschichte zu erzählen... © Andreas Mangen
...denn was das Heiligenbild mit dem angesengten Kopf von San Michele, dem Schutzpatron der italienischen Polizei, bedeutet, das wissen die Beamten nur all zu gut. Tommaso Venturi (auf dem Papierausschnitt zu sehen), eines der Opfer aus dem „Da Bruno”, trug es bei sich. Beleg dafür, dass der Mülheimer, der seinen 18. Geburtstag feierte, in dieser Nacht auch in die Mafia aufgenommen wurde.
...denn was das Heiligenbild mit dem angesengten Kopf von San Michele, dem Schutzpatron der italienischen Polizei, bedeutet, das wissen die Beamten nur all zu gut. Tommaso Venturi (auf dem Papierausschnitt zu sehen), eines der Opfer aus dem „Da Bruno”, trug es bei sich. Beleg dafür, dass der Mülheimer, der seinen 18. Geburtstag feierte, in dieser Nacht auch in die Mafia aufgenommen wurde. © Friedhelm Zingler
Eine Woche nach der Bluttat von Duisburg wurden die ersten Opfer in Italien beerdigt.
Eine Woche nach der Bluttat von Duisburg wurden die ersten Opfer in Italien beerdigt. © Friedhelm Zingler
Das Mülheimer Mafia-Opfer Tommaso Venturi wurde auf dem Dümptener Friedhof beigesetzt.
Das Mülheimer Mafia-Opfer Tommaso Venturi wurde auf dem Dümptener Friedhof beigesetzt. © Friedhelm Zingler
150 Trauernde nahmen Abschied. Als Tommasos große Schwester ihre Mutter vom Grab wegführte, rief sie den an einem Seiteneingang stehenden Fotografen und Kameraleuten zu:
150 Trauernde nahmen Abschied. Als Tommasos große Schwester ihre Mutter vom Grab wegführte, rief sie den an einem Seiteneingang stehenden Fotografen und Kameraleuten zu: "Die Schau ist zu Ende. Ihr könnt jetzt gehen." © Friedhelm Zingler
Nach dem Begräbnis erzählt Familie Zuliani über Tommaso.
Nach dem Begräbnis erzählt Familie Zuliani über Tommaso. "Er hatte immer ein offenes Herz für andere. Hauptsache seine Familie war glücklich", sagt Sohn Andreas. Weil seine Eltern krank sind, habe er die Schule abgebrochen. An die Ausbildung in der Duisburger Pizzeria "Da Bruno" sei er durch seinen Patenonkel gekommen, den 38-jährigen Mitbesitzer, der ebenfalls ermordet wurde. "Tommaso hat diese Ausbildung als große Chance gesehen", erzählt Andreas Zuliani. "Er wollte sich selbst etwas aufbauen." © Monika Kirsch
Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung gewährten nur Trauergästen den Zugang zum Friedhof, unterstützt von etwa 20 Polizisten. Die Persönlichkeitsrechte der Familie sollten geschützt werden.
Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung gewährten nur Trauergästen den Zugang zum Friedhof, unterstützt von etwa 20 Polizisten. Die Persönlichkeitsrechte der Familie sollten geschützt werden. © Monika Kirsch
Auch noch Wochen nach dem grausamen Verbrechen lagen noch immer Blumen vor dem Restaurant
Auch noch Wochen nach dem grausamen Verbrechen lagen noch immer Blumen vor dem Restaurant "Da Bruno". © Friedhelm Geinowski
Am Tatort des Sechsfach-Mordes kamen Ende September 2007 der Bischof aus Kalabrien und der Pfarrer aus San Luca zu einem Gebet für die Opfer der Mordtat zusammen. Sie kamen mit dem Wunsch nach Duisburg, zur Gewaltlosigkeit und zum Frieden zurückzukehren.
Am Tatort des Sechsfach-Mordes kamen Ende September 2007 der Bischof aus Kalabrien und der Pfarrer aus San Luca zu einem Gebet für die Opfer der Mordtat zusammen. Sie kamen mit dem Wunsch nach Duisburg, zur Gewaltlosigkeit und zum Frieden zurückzukehren. © Stephan Eickershoff
In einer
In einer "Vigil", einer nächtlichen Gebetszeit, gedachte die italienische Gemeinde der Toten. Später sprach Carlino Nicola, Onkel des getöteten Francesco einige wenige Worte in das Mikrofon eines französischen Fernsehsenders. Auch er redete nur von "Trauer", nicht von "Rache". © Stephan Eickershoff
Das „Da Bruno“ gibt es längst nicht mehr, der bisher letzte Nachfolger hat vor wenigen Wochen dicht gemacht. Die Küche soll jedoch auch Jahre später noch so ausgesehen haben, als ob Sebastiano Strangio, der Chef aus San Luca, gleich um die Ecke käme.
Das „Da Bruno“ gibt es längst nicht mehr, der bisher letzte Nachfolger hat vor wenigen Wochen dicht gemacht. Die Küche soll jedoch auch Jahre später noch so ausgesehen haben, als ob Sebastiano Strangio, der Chef aus San Luca, gleich um die Ecke käme. © dpa
Giovanni Strangio, der Besitzer zweier Pizzastuben in Kaarst stand schon bald als Haupttäter unter Verdacht. Nach dem sechsfachen Mord floh Strangio nach Belgien und in die Niederlande. In Amsterdam schnappte die Polizei den Italiener dann im März 2009.
Giovanni Strangio, der Besitzer zweier Pizzastuben in Kaarst stand schon bald als Haupttäter unter Verdacht. Nach dem sechsfachen Mord floh Strangio nach Belgien und in die Niederlande. In Amsterdam schnappte die Polizei den Italiener dann im März 2009. © Stephan Eickershoff
Knapp vier Jahre später, im Juli 2011, fiel das Urteil gegen gegen Giovanni Strangio, als mutmaßlicher Drahtzieher der Duisburger Morde: lebenslänglich. Die ersten drei Jahre seiner Strafe musste er in Isolationshaft verbringen.
Knapp vier Jahre später, im Juli 2011, fiel das Urteil gegen gegen Giovanni Strangio, als mutmaßlicher Drahtzieher der Duisburger Morde: lebenslänglich. Die ersten drei Jahre seiner Strafe musste er in Isolationshaft verbringen. © Franco Cufari/dpa
Zwei Chefermittler der Duisburger Kripo waren auch eine Woche vor Ort in Kalabrien, als in San Luca zehn mutmaßliche Nrandgheta-Mitglieder verhaftet wurden.
Zwei Chefermittler der Duisburger Kripo waren auch eine Woche vor Ort in Kalabrien, als in San Luca zehn mutmaßliche Nrandgheta-Mitglieder verhaftet wurden. © Stephan Eickershoff
Unter ihnen zwei Frauen und der mutmaßliche zweite Todesschütze Sebastiano Nirta. Die Prozesse gegen die Killer  fanden in Italien statt. Alle sitzen heute im Gefängnis, werden dort wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens bleiben.
Unter ihnen zwei Frauen und der mutmaßliche zweite Todesschütze Sebastiano Nirta. Die Prozesse gegen die Killer fanden in Italien statt. Alle sitzen heute im Gefängnis, werden dort wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens bleiben. © Franco Cufari/dpa
Im Februar 2010, zweieinhalb Jahre nach der blutigen Tat, kann die Ermittlungsakte endlich geschlossen werden. Damit ist das Verbrechen vom 15. August 2007 aufgeklärt.
Im Februar 2010, zweieinhalb Jahre nach der blutigen Tat, kann die Ermittlungsakte endlich geschlossen werden. Damit ist das Verbrechen vom 15. August 2007 aufgeklärt. © Stephan Eickershoff
Heinz Sprenger hatte damals die Mordkommisson geleitet, heute ist er im Ruhestand. Er war zufrieden, als die Urteile verkündet wurden.
Heinz Sprenger hatte damals die Mordkommisson geleitet, heute ist er im Ruhestand. Er war zufrieden, als die Urteile verkündet wurden. "Eine Teamleistung", sagt er bis heute. Eine, die sie später gefeiert haben. Mit den Kollegen aus dem Ausland und jeder Hilfskraft. "Aber so richtig gefeiert." © Lars Heidrich
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Bei den Ermittlungen werden auch Bilder der Videokameras am Klöckner-Haus ausgewertet. Weil die Anlage aus den 70ern stammt, ist die Qualität der Bilder eher mäßig. Sie helfen bei der Rekonstruktion der Tat dennoch. So können Fahrzeuge ausgewertet werden, die in der Nacht rund um den Tatort unterwegs waren. Bei einer Analyse der Scheinwerferoptik wird der Hersteller eines Fluchtwagens bestimmt, mit Hilfe eines Fotomessverfahrens die genaue Größe der Täter ermittelt. Eine Straße im Sichtfeld einer Kamera wird mehrmals nachts gesperrt, damit die Polizei dort mögliche Szenarien nachstellen kann. Jeder Hausbewohner im Umfeld wird befragt, jede Zigarettenkippe aufgelesen und jede Handyverbindung aus den Funknetzen der Umgebung geprüft, ob in der Tatnacht Telefonate in Richtung Italien stattgefunden haben. Dies ist nur eine von 5000 Spuren, die es für das Team abzuarbeiten gilt.

Der Ärger: Kein Zugang zum Mautsystem

Dass die Täter über Autobahnen flüchten wollten, liegt schnell auf der Hand. Dennoch erhalten die Ermittler keinen Zugang zu den Daten des Mautsystems, das alle Fahrzeugbewegungen auf Autobahnen erfasst und Kennzeichen speichert. Als Grund für die Ablehnung bekommen die Ermittler stets dieselbe Antwort: Datenschutz. Ein Argument, das Sprenger vor dem Hintergrund eines Mordfalls mit sechs Toten damals nicht gelten ließ.

Die Täter: Fehde zwischen verfeindeten Clans

Schnell kommen die Ermittler Giovanni S. auf die Spur, einem Pizzeria-Inhaber aus Kaarst. Es folgen Wohnungs- und Ladendurchsuchungen. Mit Hilfe von DNA-Analysen wird klar, dass S. zum Täterkreis gehört. Der Gesuchte bleibt aber verschwunden. Das Motiv: die Fortführung einer Fehde zwischen verfeindeten Clans samt Tötung von Familienmitgliedern. Gefunden wird zwei Monate nach der Tat der Clio-Fluchtwagen: in Belgien. DNA-Analysen zeigen auch hier, dass die Ermittler richtig liegen. Es soll aber bis zum 12. März 2009 dauern, bis Giovanni S, der erste Schütze, gefasst werden kann. In Amsterdam. Der zweite Schütze, Domenico N., wird erst im Frühjahr 2010 identifiziert und in Italien festgenommen. Weil die beteiligten Behörden zum Schluss kommen, dass es das Beste sei, das Verfahren in Italien durchzuführen, wurden alle Festgenommenen ausgeliefert. Beide Schützen erhalten lebenslange Haftstrafen.

>> OHNE PAUSE ERMITTELT

- „Das war der aufwendigste Fall in meiner Dienstlaufbahn“, blickte Heinz Sprenger vor zwei Jahren auf die Mafiamorde zurück. Allein im ersten Jahr nach der Tat hätten er und sein Team quasi ohne Pause ermittelt. „Ich bin mit diesem Fall morgens aufgestanden und abends ins Bett gegangen.“

- Bis zu 140 Ermittler arbeiteten zeitgleich an dem Fall.