Duisburg. . In der Buchholzer Unfallklinik ging es um das Bindegewebe, das die Körperteile zusammenhält. Die Faszien-Forschung steht noch am Anfang.

„Faszien sind die dicken weißen Fäden, die wir vom Grillfleisch abschneiden“, erklärt Dr. Ingo Geuen am Mittwoch beim WAZ-Medizinforum das Thema seines Vortrags, „und ja, wir haben sie alle“. Gemeinsam mit Physiotherapeutin Sandra Zanders entführt der Orthopäde und Unfallchirurg seine 180 Gäste in die Welt der Faszien. Ohne das lange wenig beachtete Bindegewebe „wären wir nur ein Haufen Einzelteile“, sagt Geuen.

Distorsionsmodell von Stephen Typaldos

Die Bedeutung der Bindegewebsfasern, die alle Muskeln des Körpers umgeben, war ebenso wie die Behandlung ihrer Störungen bereits im Altertum bekannt. „Den Grundstein für die Faszientherapie legte die Biochemikerin Ida Rolf 1950“, erklärt der Oberarzt, „anschließend entwickelte der amerikanische Notfallmediziner und Osteopath Stephen Typaldos 1991 das „Distorsionsmodell“. Es unterscheidet zwischen sechs Typen von Beschwerden.

Die Mehrzweckhalle der Bucholzer Unfallklinik war mit 180 Gästen fast ausverkauft.
Die Mehrzweckhalle der Bucholzer Unfallklinik war mit 180 Gästen fast ausverkauft. © Udo Milbret

Die wissenschaftliche Forschung steht aber noch am Anfang. Bekannt ist seit einer Kamerafahrt unter der Haut, dass das Netz Reize und Schmerzen ans Gehirn übermittelt. Durch Verletzungen oder Operationen können die Fasern verkleben – Störungen im Bewegungsmuster können die Folge sein. „Alter und wenig Sport“, nennt Geuen weitere Gründe: „Aber keine Sorge – das lässt sich beheben.“ Werden die durch eine Faszienstörung ausgelösten chronische Rückenschmerzen therapiert, löse das auch eine Veränderung der im Hirn gespeicherten Bewegungsmuster aus, erklärt der Arzt. „Das führt dazu, dass der Patient sich wieder besser bewegt.“

Die bisher nicht wissenschaftlich belegte Wirksamkeit der Therapie spürt der Kassenpatient im Geldbeutel: „Sie ist nicht im Leistungskatalog enthalten, nur Privatkassen übernehmen die Kosten.“ Für die 60minütige Erstbehandlung werden rund 100 Euro fällig, für Folgetermine etwa 85 Euro.

Auch Haushaltsgegenstände können helfen

Wenn Sandra Zanders in die Faszien greift, kann’s schonmal wehtun. „Das verletzte Gewebe wird neu verletzt, damit eine Wundheilung eintritt“, erklärt die Physiotherapeutin. Im Schnitt braucht es zehn bis zwölf Behandlungen bis zum erwünschten Erfolg. „Auch Eigenbehandlung ist nach Anleitung des Therapeuten möglich“, erklärt Zanders. Dazu gibt’s spezielle Faszienrollen, aber oft tut’s auch ein einfacher Haushaltsgegenstand wie die Maler-Rolle. „Eine kleine reicht schon, für größere Körperflächen nimmt man eine breitere Rolle.“ Einen Igelball empfiehlt Zanders für die Füße: „Der kann die Spannungen lösen.“

Nicht geeignet sind die harten Griffe der Faszien-Therapie bei Gerinnungsstörungen, Krampfadern, Arteriosklerose, sowie Schwangerschaft und Krebs. „Möglich ist aber ein vorbeugendes Faszientraining in Form von sanftem Yoga oder Pilates“, empfielt Dr. Geuen, „dafür gibt es verschiedene Angebote in Duisburg“.