Duisburg. Mit dem Stück „Bartleby“ wurde der Jugendclub 2.0 am Komma-Theater zu drei bedeutenden Theaterfestivals in Berlin, Bremen und Belgien eingeladen.
Mit einer Bühnenproduktion gleich dreimal das Gütesiegel „bemerkenswert“ einzuheimsen und deshalb zu wichtigen Theaterfestivals eingeladen zu werden, das muss man erstmal erreichen. Der Jugendclub 2.0 des Komma-Theaters in Rheinhausen hat diesen dreifachen Ritterschlag erhalten.
„Eindringliche und kluge Inszenierung“
Unter 114 Bewerbern gehörte er mit seiner Produktion „Bartleby – Zur Vermessung des Widerstandes“ zu den acht besten, die zum Theatertreffen der Jugend in Berlin eingeladen wurden. Die Aufführung der Duisburger, die das Festival im Berliner Festspielhaus am 10. Juni mit großem Applaus beendete, lobte Jury-Mitglied Rieke Oberländer als „eine eindringliche und kluge Inszenierung über die Kehrseite der Selbstoptimierung“.
So ähnlich sehen das wohl auch die Verantwortlichen des „Bundestreffen Jugendclubs an Theatern“, die das Stück im Oktober in Bremen sehen wollen, als eines von sechs unter 90 Bewerbungen. Und auch das renommierte Agora-Theater in Belgien hat die Erfolgsproduktion des Duisburger Komma-Theaters „Bartleby“ als „beispielhafte“ Inszenierung zu seinen Theatertagen eingeladen, die ebenfalls im Oktober dieses Jahres stattfinden.
Erfahrener Leiter
Das verdankt der Jugendclub 2.0 der Spielfreude seiner Schauspieler und nicht zuletzt seinem neuen Leiter Renè Linke. Der Dozent für Literatur, Autor, Theaterpädagoge und Regisseur, der sich seit 2016 an der Schwarzenberger Straße 147 um den darstellerischen Nachwuchs kümmert, bringt aus dem Krefelder Kinder- und Jugendtheaterzentrum Kresch eine zehnjährige Erfahrungen mit. Sieben Jahre davon hat er mit dem dortigen Jugendclub gearbeitet. Das ist auch die Basis des aktuellen Erfolges.
Sieben junge Frauen und Männer, 20 bis 24 Jahre alt, die schon als Kinder im Kresch auf der Bühne standen und inzwischen ihr Studium begonnen haben, wollten die bedeutenden Bretter noch einmal unter den Füßen spüren. „Das Theater hat sie geprägt und nie losgelassen“, nennt Linke den Grund, warum Laura Brinkmann, Esther Butt, Leon Frisch, Marcel und Moritz Rüge, Luisa Schwab und Annika Schmidt im Frühjahr 2016 im Komma-Theater als Jugendclub 2.0 zusammengekommen sind.
Sieben theaterverrückte Freunde
In Angriff genommen für ihren Auftritt haben die sieben theaterverrückten Freunde die Erzählung „Bartleby“ von „Moby Dick“-Autor Herman Melville. Die Geschichte eines traurigen Schreibangestellten, dessen Lebenseinstellung „Ich möchte lieber nicht“ in der Totalverweigerung bis zur Selbstaufgabe mündet, haben der Regisseur und die Akteure mit der modernen Welt konfrontiert.
„Bartleby ist für uns die Figur der Zeit: für die Einen ein Widerständler, für die Anderen ein ohnmächtiger Aussteiger“, begründet Linke, warum die Wahl für sein Stück auf Melvilles-Novelle fiel. „Dabei ging uns es vor allem um die alte Arbeits- und unsere moderne Hipster-Welt und die Frage, wie sich ein Mensch wie Bartleby zwischen Selbstoptimierung und Selbstaufgabe verhalten würde, in einer Arbeitswelt, die eigentlich keine Chefs mehr braucht, weil es flache Hierarchien gibt, und die Menschen sich schon selbst genug unter Druck setzen“, schildert Linke den Entstehungsprozess der Inszenierung.
Denn sie wissen, was sie tun
Bei dem hatten seine Darsteller ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. „Die sechs Schauspieler haben unheimlich viel diskutiert“, erzählt Linke und fährt schmunzelnd fort: „Ich hab’ den Verdacht, das war ein wenig der Probenfaulheit geschuldet.“ Die Debattierlust hat die Darsteller aber nicht nur gut auf ihre Rollen vorbereitet, sondern auch auf die Gespräche mit der Jury. „Die Juroren, die sich die Bewerber für die Festivals ansehen, sprechen nach der Aufführung allein mit den Jugendlichen. Sie wollen sehen, ob die Darsteller wirklich wissen, was sie tun, oder ob sie fremdbestimmt werden“, erklärt Linke das Procedere.
Diese Prüfung haben die Mitglieder des Jugendclubs 2.0 offensichtlich mit Bravour überstanden, denn sie wissen, was sie tun. Und sie tun es gut. Der dreifache Ritterschlag ist der beste Beweis dafür.
Kontinuierliche Nachwuchsarbeit seit 2009
Der Jugendclub am Komma-Theater existiert seit 2009. René Linke, der inzwischen fünfte Leiter, hat seine Arbeit 2016 begonnen. Finanziert wird sie allein vom Komma-Theater. „Bartleby“ ist die achte Produktion des Jugendclubs. Im Komma ist das Erfolgsstück noch mal am 14. Oktober um 20 Uhr zu sehen.
Die nächste Produktion ist auch bereits in Arbeit. Derzeit studieren 14 junge Darsteller des Jugendclubs am Komma-Theater das Stück „Das Tierreich“ ein. Dabei geht es um die Lust und die Last des Erwachsenwerdens. Premiere ist am 7. Juli um 19 Uhr, eine weitere Aufführung steht am 8. Juli, ebenfalls um 19 Uhr auf dem Programm des Komma-Theaters, Schwarzenberger Straße 147.