Duisburg. . Die Duisburger Aids-Hilfe startet neue Kampagne. Neudiagnosen steigen leicht. Der 61-jährige Reiner M. lebt seit über 20 Jahren mit HIV-Diagnose.
In den vergangenen Jahren wurde viel über das HI-Virus und die Immunschwächekrankheit Aids berichtet. Trotz aller Aufklärung stecken sich seit einigen Jahren wieder vermehrt Menschen an – auch in Duisburg. Daher haben sich Dietmar Heyde und seine Kollegen von der Deutschen Aidshilfe ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bis 2020 soll niemand mehr an Aids erkranken. Um das zu erreichen, haben die Sozialarbeiter eine neue Kampagne ins Leben gerufen. „Kein Aids für alle“ soll verstärkt Aufklärung betreiben und die Testbereitschaft erhöhen. Denn je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser kann sie behandelt werden. Das weiß auch Reiner M., der bereits seit über 20 Jahren HIV-positiv ist.
Diagnose kam nach einer Blutspende
Schon viele Male hatte Reiner Blut gespendet. Dieser Aderlass im April 1996 aber sollte anders werden. „Vorher machten sie wie üblich einen kurzen Test“, erinnert sich der heute 61-Jährige. „Dann teilten sie mir auf ziemlich unschöne Weise mit, dass ich HIV habe.“ Damals ließ der Anfang 40-Jährige kaum eine Party aus, obwohl die Krankheit in der Homosexuellen-Szene gut bekannt war. „Trotzdem war es ein Schock, ich hatte mich ja nicht schlecht gefühlt. Damals dachte ich, das ist mein Todesurteil.“ Reiner machte sofort einen Termin beim Arzt, ließ sich durchchecken und mit Medikamenten einstellen.
Familie reagiert verständnisvoll
Nach der Diagnose stand er jedoch erst einmal alleine da. „In diesem Jahr war mein Vater gestorben und ich wollte meine Mutter und die Geschwister nicht damit belasten.“ Also versuchte er zunächst alleine damit umzugehen und kam in Kontakt mit der Aids-Hilfe Duisburg. Dort lernte er, offen mit der Krankheit umzugehen. „Als ich schließlich auch meiner Familie davon erzählte, waren sie sehr verständnisvoll.“
So reagieren jedoch nicht alle Menschen in Reiners Umfeld. Diskriminierung habe er bereits mehrfach erfahren. „Etwa in einer Vertretungspraxis eines Arztes“, erinnert sich der Frührentner. „Ich hatte gerade den Frageboden für Neu-Patienten wahrheitsgemäß ausgefüllt und der Sprechstundenhilfe überreicht – da holt sie ein Desinfektionsmittel hervor, schrubbt den ganzen Tresen damit ab und alles, was ich angefasst habe.“
Viele sind schlecht über Ansteckungswege informiert
„Viele Menschen sind eben sehr schlecht über Ansteckungswege informiert“, weiß auch Dietmar Heyde, Geschäftsführer der Aids-Hilfe Duisburg / Kreis Wesel. Mit HIV kann man mittlerweile gut leben, mit Diskriminierung nicht.“ Die Erkrankung sei eben immer noch ein Stigma. Dennoch rät Reiner allen Betroffenen: „Geht offen mit der Krankheit um. Sonst trägt man ständig ein Geheimnis mit sich herum – und das belastet.“
Drei unterschiedliche Präparate musste Reiner nach der Diagnosestellung damals täglich schlucken, um das Virus zu unterdrücken. „Heute ist es nur noch eine Tablette am Tag“, sagt er. „Meine Werte sind seit vielen Jahren stabil und unter der Nachweisgrenze.“ Beschwerden habe er kaum, alle drei Monate muss er für einen Bluttest zum Arzt und wird engmaschig untersucht.
Voraussetzung für ein so gutes Leben mit der Krankheit sei eine möglichst frühe Diagnose, weiß Dietmar Heyde. Dennoch gebe es die Gefahr der Nebenwirkungen. „Die meisten Patienten sterben an Unverträglichkeiten und nicht an Aids.“ Jedoch habe die Verträglichkeit der Medikamente im Vergleich zu früher deutlich zugenommen.
Wenn HIV zu Aids wird
Wie es ist, wenn HIV zu Aids wird, das Virus ausbricht, hat Reiner bei einem Freund gesehen, der seine Medikamente absetzte. „Ich habe noch versucht, ihm Mut zu machen, doch er hatte keinen Lebenswillen mehr.“ Der Freund nahm stark ab, bekam die typischen Flecken, bis er irgendwann nicht mehr das Bett verlassen konnte – und starb. „Das war sehr traurig.“
Die Lust am Leben lässt sich Reiner von der Erkrankung aber nicht nehmen. „Ich bin immer unterwegs, helfe im Café der Aidshilfe und habe hier viele neue Kontakte geknüpft“, erzählt er, und fügt hinzu: „Eines steht fest: wenn ich mal sterbe, dann nicht an Aids.“
Verein und Gesundheitsamt erweitern kostenlose Termine für Bluttests
„In Duisburg sind derzeit etwa 700 Menschen mit HIV infiziert“, weiß Dietmar Heyde, Geschäftsführer der Duisburger Aidshilfe. Nur wenige von ihnen erkranken am Ende an der Immunschwäche Aids. Von 2015 bis heute habe der Verein ca. 10 bis 12 Fälle im Aids-Stadium betreut.
Jedoch zeigen die aktuellen Zahlen aus 2015, „dass es bei den HIV-Neudiagnosen in Duisburg einen leichten Anstieg gibt“, sagt Heyde. Dies liege an Unwissenheit, aber auch an den Erfolgen der Medizin, „da wird das Thema auf die leichte Schulter genommen“. Ziel sei es also, das Risikobewusstsein in den Risikogruppen zu stärken. Diese seien vor allem homosexuelle Männer.
Dass Menschen diese potenziell tödliche Krankheit bekommen, ließe sich gut vermeiden. „Bei rechtzeitiger Diagnose und Behandlung kann man heute gut und lange mit HIV leben.“ Daher hat die Aidshilfe nun die kostenlosen Testtermine erweitert. „Dort bieten wir anonym Beratungen an, das Gesundheitsamt entnimmt eine Blutprobe.“ Termine: 16. August, 18. Oktober, 20. September und 15. November, jeweils 18 bis 20 Uhr an der Universitätsstraße 32. Weitere Infos: aidshilfe-duisburg-kreis-wesel.de