Duisburg. . Aufkäufe von Facharztpraxen durch Kliniken nehmen in Duisburg zu. Für niedergelassene Ärzte, die Nachfolger suchen, ist das Modell attraktiv.
- Immer öfter kaufen auch in Duisburg Kliniken in Facharztpraxen ein und wandeln sie um in Medizinische Versorungszentren
- Sie übernehmen Ärzte und deren Personal und sichern sich so den Zugriff auf die ambulante Versorgung der Patienten
- Oft sind die Verbindungen nicht transparent: Dass ein Arzt Klinik-Angestellter ist, erfährt der Patient nicht auf den ersten Blick
Sana betreibt sie, Helios auch, die Malteser haben gleich mehrere: Auch in Duisburg kaufen Kliniken Facharztpraxen auf und wandeln sie in Medizinische Versorgungszentren (MVZ) um. Sie übernehmen die vormals selbstständigen Mediziner und deren Personal als Mitarbeiter. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KV) warnt vor Fehlentwicklungen. „Problematisch wird es, wenn Investoren via MVZ Arztsitze aufkaufen, um damit monopolartige Strukturen zu entwickeln“, sagt Dr. Carsten König, stellv. Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein.
290 MVZ allein im Bezirk Nordrhein
Ermöglicht hat der Gesetzgeber die Schaffung von MVZ 2004.Vorbild waren da auch die Polikliniken der ostdeutschen Länder. Von damals 70 ist die Zahl der MVZ mittlerweile auf bundesweit 2300 gestiegen. 290 sind es laut KV allein im Bezirk Nordrhein.
Zwei Geschäftsmodelle etablieren sich seither: Entweder bündeln niedergelassene Ärzte die Verwaltung ihrer Praxen in einem MVZ, dass sie in Eigenregie oder von Investoren bauen lassen oder sie begeben sich durch die Verkauf ihrer Praxis an einen Klinik-Betreiber in ein Angestelltenverhältnis.
Kassenärztliche Vereinigung: Vielfalt muss gewahrt bleiben
Die Krankenhäuser, die ihre Ambulanzen zuvor schließen mussten, erhalten über den Umweg MVZ erneut Zugriff auf die ambulante Versorgung. Die freien Arztwahl des Patienten bleibe gewahrt, jeder könne sich auch in einer anderen Klinik behandeln zu lassen, selbstverständlich kooperiere man auch mit anderen Krankenhäusern, betonen die Duisburger Kliniken. „Es wäre allerdings naiv, dahinter nicht auch ökonomische Motive für den Krankenhausbetrieb zu vermuten“, so KV-Vorstand König.
Er fordert die Politik auf, zumindest den Einfluss von Investoren in der ambulanten Versorgung wirksam zu begrenzen: Wir brauchen eine regional vielgestaltigen und vitale Versorgungslandschaft.“
Kliniken: Datenaustausch wird einfacher
Gleichwohl, so räumt auch er ein, sei eine Anstellung in einem MVZ eine „wichtige und sinnvolle Möglichkeit ärztlicher Berufsausübung.“ Vor allem für ältere Fachärzte in Städten mit geringem Privatpatienten-Anteil wie Duisburg, wird der Praxisverkauf zunehmend zu Alternative, wenn interessierte Nachfolger fehlen.
Durch die MVZ werde der Datenaustausch nach der stationären Behandlung beschleunigt, betonen die Kliniken. Sie erhoffen sich auch eine Verbesserung der Qualität in ambulanten Versorgung durch eine bessere Kommunikation zwischen den Medizinern. Ausbaufähig ist bei manchen MVZ auch die Kommunikation mit dem Patienten: Das sein Facharzt nicht mehr unabhängig ist, erfährt er zu oft auch nicht auf den zweiten Blick.
Praxisverkauf als Geschäftsmodell
Wenn niedergelassene Fachärzte keine Nachfolger finden, kommt das Angebot einer Klinik oft gerade recht: Auch in Duisburg wird eine wachsende Zahl von Facharzt-Praxen von Krankenhäusern übernommen und zu einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) umgewandelt. Die kassenärztliche Vereinigung befürchtet deshalb in einigen Disziplinen eine Monopolisierung der medizinischen Versorgung.
Das Verhältnis zwischen Arzt und Klinik ist oft nicht transparent
Während die Kliniken damit einen Fuß in die Tür zum ambulanten Bereich setzen, ändert sich für den Patienten wenig. Transparent ist das Vertragsverhältnis oft nicht: Dass ihn der Arzt seines Vertrauens im MVZ fortan nicht mehr unabhängig berät, sondern als Angestellter einer Klinik behandelt, ist selten auf den ersten Blick erkennbar.
„Die Praxen arbeiten alle auch mit anderen Kliniken zusammen. Wer als Patient aus einem anderen Haus kommt, hat die Freiheit, dahin zurückzukehren“, versichert Ute Kozber, Sprecherin des Sana-Klinikums. Im „Gesundheitszentrum Sittardsberg“ hat der Konzern Praxen für Onkologie, Hämatologie und Pneumologie übernommen.
Ein gutes Beispiel der Verquickung von Klinik-Betreibern, niedergelassenen Medizinern und Investoren im Gesundheitsbereich: Zu den Initiatoren des Zentrums am Bezirksamt Süd, gebaut vom Berliner Investor Rentamed, gehörte Dr. Ingulf Becker-Boost. Der Internist und Onkologe, früher für das städtische Klinikum tätig, veräußerte seine Praxis an Sana, schob zunächst noch Vertretungsschichten und führt mittlerweile ein neues Leben als Hotelier auf der Insel Sansibar im Indischen Ozean.
Das Binnenverhältnis zwischen Medizinern in Praxis und Krankenhaus muss in Absprache geregelt werden: „Die Klinikärzte sind ihren Kollegen in den Praxen gegenüber nicht weisungsbefugt, es gibt aber gemeinsame Konferenzen“, erklärt Sana-Sprecherin Ute Kozber. „Der Patient soll einen Vorteil haben.“
Ein wenig anders klingt das bei Dr. Gunnar Plehn, der unlängst als Chefarzt der Kardiologie von den Johannitern (Rheinhausen) zu den Maltesern Rhein-Ruhr (St. Anna/Huckingen; St. Johannes/Homberg und St. Josef/Uerdingen) wechselte. „Immer wieder habe ich erlebt, dass operierte Patienten nach kurzer Zeit wieder in die Klinik kommen, weil die ambulante Versorgung nicht optimal war“, berichtete Plehn bei seinem Amtsantritt in Huckingen.
Er erhoffe sich deshalb eine Verbesserung durch die künftige Kooperation mit der kardiologischen Praxis Jordan/Eberleh. Die soll nach dem Einstieg der Malteser von der Rheinklinik (Beeckerwerth) an einen noch nicht genannten Ort in der Stadtmitte umziehen. Die Malteser betreiben außerdem bereits drei weitere MVZ in Huckingen (Kieferchirurgie), Hochfeld (Strahlentherapie) und Uerdingen (Orthopädie/Unfallchirurgie) – transparent für den Patienten durch den eigenen Namen.
Evangelisches Klinikum will keine MVZ
Auch die Helios-Kliniken, die bundesweit MVZ betreiben, haben zum Jahreswechsel mit der internistischen Praxis Prof. Friedrichs & Kollegen (Hamborn) ihren ersten ambulanten Ableger in Duisburg gegründet. „Das Recht des Patienten auf freie Krankenhaus- und Arztwahl ist dadurch nicht eingeschränkt“, betont Helios-Sprecherin Kathrin Giesselmann, vielmehr erleichterten abgestimmte Konzepte den verlässlichen Austausch von Informationen nach dem stationären Aufenthalt.
Ohne ambulanten Außenposten kommt das Fahrner Krankenhaus aus. Das soll auch so bleiben, meint Geschäftsführer Otto Eggeling: „Wir verstehen und als ein Teil der der medizinischen Versorgungskette.“
„Der Verkauf an der Altersgrenze wird schwieriger“
Seit dem Jahreswechsel ist Dr. Gerd Schroers als niedergelassener Neurochirurg nicht mehr selbstständig, sondern angestellt bei den Helios Kliniken Oberhausen, wo er auch bislang schon immer montags operierte. Schroers Neudorfer Gemeinschaftspraxis, die er mit seiner Kollegin Dr. Maria Klein betreibt, ist nun ein Medizinisches Versorgungszentrum der Helios-Klinik aus der Nachbarstadt.
Dass es für Vertragsärzte zunehmend attraktiv wird, sich bei Kliniken anstellen zu lassen, habe mit sinkenden Preisen für den Praxisverkauf zu tun, meint Schroers: „Der Verkauf an der Altersgrenze wird schwieriger, weil die Tarifbedingungen sich verschlechtert haben.“ Als Neurochirurg bekomme er 19,47 Euro für die ambulante Versorgung eines Patienten für alle Leistungen pro Quartal, rechnet der 66-Jährige vor. „Da reißen die wenigen Privatpatienten in einer Stadt wie Duisburg sie nicht raus.“
Das habe zur Folge, dass junge Ärzte weder bereit noch in der Lage seien, hohe Abstandssummen für eine Praxis zu zahlen. „Das machen auch die Banken nicht mehr mit“, sagt Gerd Schroers. Seitenfüllend seien in den Ärzte-Blättern mittlerweile die Anzeigen der Kollegen, die vergeblich nach einem Nachfolger suchten. Vor allem dort, wo der Anteil der Privatpatienten, wie in Duisburg mit knapp sieben Prozent, gering ist.
Für die Kliniken, die nicht mehr wie einst eigene Ambulanzen unterhalten können, biete das MVZ den Zugang zum ambulanten Bereich. „Es funktioniert aber nur mit Fachärzten“, glaubt Schroers, „wenn Kliniken beginnen würden, auch Hausarztpraxen zu kaufen, würden sie damit die niedergelassenen Ärzte in der Nachbarschaft zu sehr verärgern.“
Kein Kleinkrieg um Abrechnungen
So gibt es ein Interesse der Kliniken auf der einen und verkaufsbereiten, niedergelassenen Fachärzten auf der anderen Seite. Sie können am Ende ihrer Karriere unternehmerische Verantwortung abgeben und müssen keinen Kleinkrieg mehr um die Abrechnung ihrer Leistungen führen. Seit dem 1. Januar, sagt Dr. Gerd Schroers, werden seine Patienten von einem glücklicheren Arzt behandelt. „Am Monatsende gebe ich eine CD bei der Klinik ab – das war’s.“
>>>KOMMENTAR von Martin Ahlers: Transparenz ist wichtig
Es liegt nahe, dass sich Kliniken durch Praxiskäufe den Zugriff auf die ambulante Facharzt-Versorgung sichern. Immer kürzer wird die Verweildauer nach stationären Eingriffen, die OP-Nachsorge gewinnt an Bedeutung. Wenn Klinik-Ärzte hier Verbesserungsbedarf in der Qualität und Kommunikation sehen, dürfen sie allerdings durchaus auch die eigene Leistung kritisch hinterfragen.
Natürlich wäre es, wie der Vorstand der Kassenärztliche Vereinigung anmerkt, naiv zu glauben, dass nicht zuerst auch knallharte wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle spielen bei der Entscheidung für einen Praxen-Erwerb. Besonders in der dichten Krankenhauslandschaft des Ruhrgebiets sichert dieser Zugriff auf den ambulanten Sektor ein Stückweit auch die Auslastung der stationären und operativen Kapazitäten.
Dabei ist es kein Charakterfehler, auf den Euro zu schauen, sondern unabdingbare Voraussetzung für wirtschaftlichen Klinikbetrieb. Größere Bedeutung gewinnt dabei die Transparenz in den Verflechtungen der Sektoren. Dass der Doc nicht unabhängig berät, sondern auf der Gehaltsliste der Klinik steht, darf der Patient nicht nur im Kleingedruckten erfahren.