DUISBURG. . „Wie sicher fühlen Sie sich in Duisburg?“ Dies und noch vieles mehr fragten Leser die Parteivertreter im NRZ/WAZ-Wahltalk.

„Mehr Präsenz der Polizei“ und in Sachen „Stahlstandort Duisburg“ passt kein Blatt zwischen allen Parteien und den Duisburger Stahlbetrieben: Zumindest in diesen beiden Themen sind sich die Landtagswahl-Kandidaten von SPD, CDU, Linken, Grünen, FDP und AfD einig, die sich Mittwochabend den Fragen von Lesern stellten.

Konzentriert hörten sich die Leser und Leserinnen die Antworten der Politiker auf ihre Fragen an. Foto: Stephan Eickershoff
Konzentriert hörten sich die Leser und Leserinnen die Antworten der Politiker auf ihre Fragen an. Foto: Stephan Eickershoff

Bildung, Zuwanderung, der Öffentliche Nahverkehr und Sicherheit waren Themen des Aufeinandertreffens von Lesern und damit Wählern und den sechs Direkt-Kandidaten gut zwei Wochen vor der Landtagswahl am 14. Mai. „Fühlen Sie sich in ihrer Heimatstadt Duisburg noch sicher?“, lautete bei der Podiumsdiskussion im Sparkassen-Kuhlenwall-Karree zum Beispiel die Frage von WAZ-Leser Manfred Neumann. Ohne öffentliche Bühne blieb die Wahlkampf-Runde bemerkenswert sachlich, mitunter vermissten die Leser sogar klare Gegensätze der Parteien – bei einminütiger Antwortzeit blieb auch wenig Raum für Polemik.Grünen-Kandidatin Birgit Beisheim und FDP-Mann Dirk Schlenke lieferten sich zwischenzeitlich Wortgefechte um den Klimaschutz: „Der belastet die Wirtschaft“, meinte der Liberale, die Grüne geißelte das „FDP-Märchen vom Klimaschutz“. Bemerkenswert: Alle ärgern sich über Tarifwirrwarr im öffentlichen Nahverkehr – nur Lösungen hat die Landespolitik dazu auch noch nicht zustande gebracht.

7,8, 30 oder 40 Prozent plus x?

Höchst unterschiedlich sind die Erwartungen der Polit-Kontrahenten zum Ausgang der Wahl am 14. Mai. Rot-Grün ist sich ungeachtet jüngster Kopf-an-Kopf-Umfragetrends sicher: Kraft bleibt Ministerpräsidentin. „40 Prozent“, das ist das Wahlziel von SPD-Kandidat Börner, Beisheim hofft auf „acht bis neun Prozent“, die die Grünen zur Mehrheit in Düsseldorf beisteuern. CDU-Kandidat Nikolaus Back sieht die Union bei „30 Prozent plus X“ und Arnim Laschet als neuen Ministerpräsidenten. Die FDP sieht sich bei zehn Prozent, ihr Kandidat Schlenke will „Schwarz-Gelb“, schließt eine sozialliberale Konstellation aber nicht aus. Linken-Kandidatin Martina Ammann-Hilberath ist sich sicher, dass ihre Partei wieder in den Landtag einzieht – als sozialer Wächter gegen Armut und soziale Ungerechtigkeit, vielleicht mit Rot-Rot-Grün? „Wir werden nicht Wahlsieger, aber Gewinner“, glaubt AfD-Vertreter Rainer Holfeld an „sieben Prozent plus X“.

Fühlen Sie sich sicher in Ihrer Heimatstadt?

Recht einmütig äußerten sich die Kandidaten zum Thema Sicherheit. Sie selbst gaben fast unisono an, sich persönlich in Duisburg sicher zu fühlen. Allein AfD-Kandidat Rainer Holfed gestand „eine gewisses unsicheres Gefühl“ zu haben, nach mehreren Einbrüchen, die er in seiner Praxis im Norden der Stadt und zu Hause habe erleben müssen.

Es durfte auch mal gelacht werden beim Politiker-Leser-Treff. Foto: Stephan Eickershoff
Es durfte auch mal gelacht werden beim Politiker-Leser-Treff. Foto: Stephan Eickershoff

Einig waren sich die Politiker, dass mehr Polizisten auf den Straßen präsent sein müssten, um dem zumeist subjektiv geprägten Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung entgegenzuwirken. Frank Börner und Birgit Beisheim, beide Mitglieder des Landtages, nutzten hier die Gelegenheit, auf die Erfolge der bisherigen Landesregierung hinzuweisen. „Eine zusätzliche Einsatzhundertschaft in Marxloh plus Videoüberwachung, das hat die Stadt sicherer gemacht“, führte Beisheim an und erklärte, dass ihre Partei die Ausbildungsplätze für Polizisten bis an die Kapazitätsgrenze von 2500 pro Jahr ausweiten wolle.

„Gegen Facebook kommt man schlecht an.“

Börner verwies indes darauf, dass man das vor einigen Jahren existierende Problem der Klaukids bereits durch mehr Beamte „in den Griff bekommen habe“ und schon im kommenden Jahr die Ausbildungskapazität von 2000 auf 2300 Stellen für Polizisten erhöhen werde. Allerdings gab der Sozialdemokrat auch zu, dass es schwierig sei, damit gegen die von einigen sozialen Medien befeuerte Unsicherheit in der Bevölkerung abzubauen: „Gegen Facebook kommt man schlecht an.“

Dirk Schlenke, FDP, Frank Börner, SPD und Birgit Beisheim, Bündnisgrüne, stellten sich den Leserfragen.
Dirk Schlenke, FDP, Frank Börner, SPD und Birgit Beisheim, Bündnisgrüne, stellten sich den Leserfragen. © Stephan Eickershoff

Dirk Schlenke gehen diese Pläne nicht weit genug: „Selbst 2500 neue Polizisten reichen nicht aus, um die in Pension gehenden Kräfte zu ersetzen. Wir wollen 4000 neue Polizisten. Zudem muss die Polizei besser ausgestattet werden.“ Leserin Christiane Horstkamp warf ein, dass es „den guten Bezirksbeamten“ gar nicht mehr gebe, da die Polizisten überhaupt keine Zeit mehr für den Kontakt auf der Straße hätten, weil sie ständig andere Aufgaben übernehmen müssten. „Mehr Stellen nutzen wenig, wenn die Leute nicht da eingesetzt werden, wo wir sie brauchen“, kritisierte sie. „Die wachsende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft, etwa bei Fußballspielen, bindet unglaublich viele Kräfte“, gab Birgit Beisheim zu. Um dagegen anzugehen, plädierte Nicolas Back dafür, nicht nur mit Vereinen präventiv zu arbeiten, sondern bereits in den Schulen anzusetzen. „Man muss aber auch klare Grenzen setzen“, forderte Back. „Bei Wiederholungstätern muss das geltende Recht knallhart angewandt werden. Zum Beispiel müsse die Möglichkeit von Schnellverfahren öfter genutzt werden.“

„Die größte Sicherheit bringt die soziale Sicherheit“

Auch über die Notwendigkeit präventiver Arbeit zur Vermeidung von Kriminalität und Gewalttaten herrschte bei allen Kandidaten Konsens. „Die größte Sicherheit bringt immer die soziale Sicherheit“, betont Martina Ammann-Hilberath und verwies auf bereits laufenden Projekte wie etwa „Kurve kriegen“ für jugendliche Intensivtäter. Zudem forderte sie Streitschlichter für alle Schulen.

Wollen in den Landtag einziehen: Nikolaus Back, CDU, und
Wollen in den Landtag einziehen: Nikolaus Back, CDU, und © Stephan Eickershoff

Selbst Rainer Holfeld äußerte sich zu diesem Thema unerwartet moderat. „Der Anstieg der Kriminalität durch die Zuwanderung beruht auf nachvollziehbaren Gründen“, sagte er. Die Flüchtlinge seien auf engstem Raum untergebracht, das schüre Unzufriedenheit und Aggressivität.

Die Lösung des Problems sieht Holfeld in der Unterbringung der Flüchtlinge in normale Wohnungen.

Wie soll der Lehrermangel beseitigt werden?

Das wollten die Leser wissen. Die FDP plädierte in der Debatte für ein Schulfreiheitsgesetz. Ähnlich wie an den Unis sollten die Bildungseinrichtungen Geld bekommen und selbst entscheiden, was davon in die pädagogische Arbeit und das Personal investiert werden soll. Das Problem aktuell ist allerdings, dass der Markt leer gefegt sei und sich die jungen Lehrer die Stellen und die Stadt aussuchen können.

Mehr Sozialarbeiter an die Schulen

Oft stelle sich allerdings das Problem dar, dass sich die Referendare gar nicht nach Duisburg an eine Schule bewerben. „Wir sollten den Beruf für Quereinsteiger attraktiver machen und auch über eine bessere Besoldung nachdenken“, sagt Frank Börner. Birgit Beisheim argumentierte, dass die rot-grüne Landesregierung die Zahl der Lehrer nicht reduziert hat, trotz zunächst sinkender Schülerzahlen. Erst der starke Zuzug von Zuwanderern und Flüchtlingen haben neue Klassen notwendig gemacht. Martina Ammann-Hilberath will hingegen, dass die Schulen nicht nur mit genug Lehrern, sondern auch mit Sozialarbeitern ausgestattet werden.

Landtagskandidat Nicolas Back will sein Augenmerk auf den Unterrichtsausfall in den Schulen lenken. Der müsse drastisch reduziert werden.

Damit mehr junge Lehrer Interesse entwickeln, nach Duisburg zu ziehen, könnte die Stadt, zusätzliche Anreize bieten. Auch in die maroden Gebäude müsste dringend investiert werden.“

Der ÖPNV muss leistungsfähiger werden

„Was werden Sie tun, damit ich künftig mein Auto stehen lassen kann?“, fragte Leserin Caterina Feiler die sechs Landtagskandidaten. Nahezu einmütiger Tenor: Der öffentliche Personennahverkehr muss leistungsfähiger werden. Und das Tarifwirrwarr ärgert alle.

„Da muss richtig viel passieren“, fordert Frank Börner. Sauberer und schneller müssten die Busse und Bahnen der Zukunft sein. Auch seien „kombinierte Systeme“ erforderlich, etwa mit Car-Sharing. „Der ÖPNV darf nicht der verlängerte Arm der Sozilhilfe sein“, will der SPD-Mann Bus und Bahn ein Positiv-Image geben. Ein Zwei-Euro-Ticket für ganz NRW ist laut Birgit Beisheim eine Forderung der Bündnisgrünen, aber Busse und Bahnen müssten vor allem schnell und bequem sein. Ein Azubi-Ticket ähnlich dem Semester-Ticket für Stundenten sei erforderlich, denn Mobilität sei nach wie vor auch eine Geldfrage.

Firmentickets auch für kleinere Unternehmen

„Der ÖPNV muss flott gemacht werden“, ist Nicolas Back überzeugt. Umsteigen und Baustellen machten das Fahren mit Bus und Bahn unattraktiv. Busse und Bahnen dürften nicht wesentlich langsamer sein als das Auto. Auch der junge Christdemokrat spricht sich für ein Azubi-Ticket aus.

Rainer Holfeld kandidiert für die AfD.
Rainer Holfeld kandidiert für die AfD. © Stephan Eickershoff

Firmentickets auch für kleine Unternehmen hält Martina Ammann-Hilberath für erforderlich und vielleicht auch für die Mieter großer Wohnungsgesellschaften. Jedenfalls müsse der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und attraktiver werden.

„Das Umsteigen auf den Nahverkehr funktioniert nicht“, meint Rainer Holfeld (AfD), solange die Bahnen der DVG in erheblichem Umfang marode sind. Investitionen seien nötig und ein Einheitstarif statt unterschiedlicher Tarife in verschiedenen Verbundgebieten.

Einzelne Linie könnten privatisiert werden

Eine Tarifvereinfachung wünscht sich auch Dirk Schlenke: „Es kann nicht sein, dass ich meine Kinder fragen muss“, meint der Liberale Und er regt an, angesichts des seit Jahrzehnten defizitären öffentlichen Nahverkehrs über die Privatisierung einzelner Linien nachzudenken. Die Belastung der Straßen durch immer mehr Lastwagen kann man nach Schlenkes Einschätzung durch eine Verlagerung auf Schiene und Wasserstraße vermindern.

Ärger über das Tarif-Wirrwarr

Gerade die Binnenschifffahrt habe noch Kapazitäten, und den kombinierten Verkehr mit Lkw, Zug und Schiff müsse man ausbauen, sagt Börner, der aus beruflicher Erfahrung prognostiziert: „Bei der arbeitsteiligen Welt wird es noch lange bleiben.“ Eine „CO2-Komponente“ bei den Transport-Kosten befürwortete Beisheim, die den Verzicht auf den Lkw wirtschaftlicher machen würde. Zudem könne man durch moderne Technik die hohe Zahl von Retouren reduzieren, die einen erheblichen Logistik-Aufwand erfordern.

Auch Back fordert Verbesserungen in der Logistik, etwa bei Verpackungen, da noch zu viel Luft transportiert werde. Und er spricht sich aus für Gigaliner, also noch größere Lkw, die die Linken-Kandidatin ablehnt, weil sie die Stadtstraßen noch mehr belasteten. Dass insgesamt mehr Güterverkehr auf die Schiene gehört, fordern alle Kandidaten.

Es berichteten: Fabienne Piepiora, Ulla Saal und Willi Mohrs.