Duisburg. . Aus einer Sektlaune heraus eröffnete Silke Heimsoth vor 13 Jahren das Fachgeschäft „Pussy Pleasure“. Nun werden ihr intime Details anvertraut.

Eigentlich ist ihr alter Chef schuld, dass sich Silke Heimsoth vor 13 Jahren mit einem Erotik-Fachgeschäft für Frauen selbstständig gemacht hat. „Der war so, dass ich keinen Chef mehr haben wollte“, erinnert sich die gelernte Schneiderin und Bibliothekarin. 2004 gehörten Sex-Shops noch in die Schmuddelecke, man musste durch einen schwarzen Vorhang hindurch und sah von außen nicht, was einen erwartet.

m gut beraten zu können, stellt Silke Heimsoth viele Fragen: „Ich muss ja wissen, ob es schon eine große Spielzeugkiste gibt oder was gewünscht wird.“
m gut beraten zu können, stellt Silke Heimsoth viele Fragen: „Ich muss ja wissen, ob es schon eine große Spielzeugkiste gibt oder was gewünscht wird.“ © Ute Gabriel

Oft genug wurden eher Männer als Frauen angesprochen. Das wollte Silke Heimsoth, die den Plan mit einer Freundin bei einem Sekt zu Silvester beschloss, ändern. Die Duisburgerin fand durch Zufall das Ladenlokal an der Schmalen Gasse. Mitten in der Innenstadt und doch diskret mit Hintereingang. Sie rief den Vermieter an, der sagte ihr zu – und hakte dann doch noch einmal nach, mit welchem Konzept sie sich selbstständig machen wolle. „Es stellte sich heraus, dass er früher mit Beate Uhse im R 4 durch Düsseldorf gefahren ist, um ihr die Ladenlokale zu zeigen.“ Er war begeistert. Seitdem ist Silke Heimsoth die Frau, die Frauen glücklich macht. Und oft genug auch die Männer.

Sex war nie ein Tabuthema

Drei Stufen führen in das Fachgeschäft „Pussy Pleasure“ hinauf. Die Hemmschwelle ist bei Erstbesucherinnen oft höher. Der Name „Erotikshop für Frauen“ täuscht übrigens. Es trauen sich auch Männer in das Fachgeschäft, die ihrer Frau etwas Gutes tun wollen. „Mein Männerbild hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt.“

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Einige Kunden reisen aus anderen Städten an, um nicht gesehen zu werden. Andere erledigen ihren Einkauf in der Mittagspause. Für Silke Heimsoth war Sex noch nie ein Tabuthema. „Das ist hier für mich wie Schuhe oder Schokolade verkaufen.“ Ein Geschäft zu führen mit Buchhaltung und allem, was dazu gehört, musste sie selbst erst lernen.

Im Schaufenster steht eine Schaufenster-Puppe, deren Körper nur mit einer riesigen roten Schleife bekleidet ist. Klassischer Geburtstagsartikel. Der Laden ist in rosa gehalten und offen. Dildos und Vibratoren sind in Regalen drapiert, es gibt erotische Literatur sowie Dessous. Die Nachfrage ist groß. Dabei nimmt sich Silke Heimsoth Zeit für die Beratung und sagt ehrlich ihre Meinung. „Es muss einen Wow-Effekt geben. Es bringt nichts, wenn sich die Frau unwohl fühlt und immer herumzuppelt.“ Die Duft-Penisse fürs Auto oder die rosa Hausschuhe mit Brüsten sind eher für die Abteilung Schrottwichteln und Junggesellenabschiede gedacht.

Fernsehwerbung zieht Frauen ins Geschäft

Der Erfolg von „50 Shades of Grey“ hat dazu geführt, dass sich mehr Frauen mit ihrem Sexleben beschäftigen.
Der Erfolg von „50 Shades of Grey“ hat dazu geführt, dass sich mehr Frauen mit ihrem Sexleben beschäftigen. © Ute Gabriel

Auch wenn es um andere Produkte geht, stellt die 52-Jährige manche intime Frage. „Ich muss ja wissen, ob es schon eine große Spielzeugkiste gibt oder was gewünscht wird. Manche erzählen aber auch von selbst.“ Seitdem Online-Anbieter wie Amorelie und Eis.de auch im Fernsehen werben, kommen die Kundinnen auch zu ihr in den Laden, um genau diese Produkte zu kaufen, „die für Schmetterlinge“ sorgen sollen. „Erst wusste ich gar nicht, was gemeint war, bis ich den Spot gesehen habe.“ Nach dem Erfolg von „50 Shades of Grey“ waren auf einmal Liebeskugeln gefragt. Silke Heimsoth hat nur eineinhalb Bände der Trilogie gelesen. „Gut finde ich, dass sich die Frauen danach mehr mit ihrem Sexleben beschäftigt haben.“ Sie leiste Basisarbeit, klärt auf. „Wer in Deutschland in einen Sexshop geht, gerät oft noch in den Verdacht, dass es zu Hause nicht mehr läuft.“ Das Gegenteil sei der Fall. „Ins Restaurant geht man ja auch nicht, weil man nicht kochen kann, sondern weil man sich mal etwas gönnen möchte.“

Das Wundergerät der Stunde

Der „Womanizer 40 pro“ ist übrigens das Wundergerät der Stunde. Er sieht aus wie ein Fieberthermometer fürs Ohr und wird bei Frauen auf die Klitoris gelegt. Der Hersteller gibt eine Orgasmus-Garantie in zwei Minuten. Silke Heimsoth war zunächst skeptisch. „Aber es stimmt wirklich.“ Das Teil saugt sich an, der Bereich wird gut durchblutet. Egal, wie der Tag war, frau bekommt auf jeden Fall einen Orgasmus. „Danach haben mich Frauen angerufen, und sich bei mir bedankt.“

Sex sells

Beate Uhse gründete 1951 ein Versandhaus für Erotikprodukte.

Bereits 1946 startete sie eine erste Aufklärungskampagne in Flensburg. Nach Kriegsende klärt sie Frauen über ungewollte Schwangerschaften und Verhütungsmittel auf. Sie verfasst Handzettel, auf denen sie die Berechnung der unfruchtbaren Tage erklärt wird. 1962 eröffnete sie den weltweit ersten Sexshop in Flensburg und musste sich erst einmal gegen die gesellschaftliche Vorbehalte durchsetzen. Über dem Schaufenster des Ladens ließ sie dezent den Schriftzug „Fachgeschäft für Ehehygiene“ anbringen.

33 Geschäfte gibt es derzeit noch deutschlandweit von „Beate Uhse“...

...außerdem weitere Shops in Belgien, in den Niederlanden und in Frankreich. Allerdings geht es dem Sexshop-Klassiker wirtschaftlich nicht mehr so gut wie vor Jahren – darüber kann auch der zunehmende Online-Handel nicht hinwegtäuschen. Die Videos, mit dem Männer den Sexshops noch vor zehn Jahren einen Großteil des Umsatzes bescherten, beziehen sie heute kostenlos im Netz. 2015 sank der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent auf 128 Millionen Euro, der Erotikkonzern fuhr ein Minus von 18 Millionen Euro ein. Der Katalog erschien 2016 zum letzten Mal.

Die Branche boomt – und hat sich dennoch radikal verändert.

Seitdem sich die Geschäfte nicht mehr in den Schmuddelecken in Bahnhofsnähe befinden, werden mehr weibliche Kunden angelockt. Anbieter wie Amorelie schalten Werbespots im Fernsehen, das Reden über Sexualität ist in der Gesellschaft akzeptiert. Auch Silke Heimsoth hat die Erfahrung gemacht, dass Kunden ein offen gestaltetes Ladenlokal bevorzugen. „Früher musste man hinter einen Vorhang schauen, und wusste gar nicht, was einen da erwartet.“

Die Firmen haben auf die Trends reagiert.

Beate Uhse gestaltete im Zuge der Neustrukturierung sein Firmenlogo um und gab ihm eine verspieltere, weiblichere Note. Mittlerweile zählen Frauen bei allen Anbietern erotischer Produkte zur Kernzielgruppe. Die 2006 in Bielefeld gegründete Firma Eis.de reklamiert für sich mit einem Sortiment von 25.000 Produkten und 6,5 Millionen Bestellungen in neun Jahren die Marktführerschaft. Auch Amorelie, gegründet als Berliner Start-Up, holt kräftig auf. Die Firmen müssen, anders als das börsennotierte Beate Uhse, allerdings keine Zahlen offen legen.

Der Onlinehandel hat es für viele Kunden zwar einfacher gemacht...

...die Artikel unerkannt zu bestellen. „Aber der Postbote ahnt trotzdem, was in den Päckchen aus Flensburg ist“, sagt Silke Heimsoth lächelnd. Sie macht sich keine Sorgen, ob des boomenden Online-Geschäfts. „Die Kundinnen, die zu mir kommen, wollen eine gute Beratung und die Dinge vorher anfassen.“ Heimsoth achtet auf Qualität, und beispielsweise darauf, dass die Produkte nicht nach Plastik stinken.

Beim beliebtesten Produkt...

...gibt es bei den Online-Anbietern und dem örtlichen Einzelhandel übrigens keinen Unterschied. Die meisten Kundinnen wollen den "Womanizer Pro".

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