Duisburg. . Annette Günter schließt rund 400 Ehen im Jahr – manchmal im 30-Minuten-Takt. Sie hat jung geheiratet und feiert bald ihren 30. Hochzeitstag.
An ihre Trauung kann sich Annette Günter noch gut erinnern. Sie war 18, machte gerade Abitur, ihr Freund war in der Ausbildung. „Für uns hat es sich genau richtig angefühlt, aber alle anderen meinten, wir heirateten viel zu früh.“ Geplant war eine Famillienfeier im kleinen Kreis – bei sieben Geschwistern ist klein allerdings relativ. „Der Standesbeamte war eher wie ein Notar, sehr nüchtern. Trotzdem hätte ich ihn knutschen können.“ Ausgerechnet am Tag der Hochzeit hat die 49-Jährige nämlich ihren Personalausweis vergessen. Und nach der Zeremonie regnete es in Strömen, und die Gartenparty musste nach drinnen verlegt werden. Seitdem begleitet sie ein Satz der Oma des Mannes durch ihr (Ehe-) Leben: „So viele Tropfen Regen, so viel Segen soll es geben.“
Ehe ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt
Seit 2013 arbeitet sie im Standesamt, zuvor war sie bei der Stadt für Steuern zuständig. „Der Job ist toll, man erfährt unheimlich viel von den Menschen.“ Bis zu sechs Monate vor dem eigentlichen Termin kann man eine Hochzeit anmelden. Früher wurde damit das Aufgebot bestellt. Es wurde ein Aushang gemacht und andere Personen konnten Einwände äußern, dass die Ehe nicht geschlossen werden soll. Da das aber so gut wie nie vorkam, wurde diese Regelung 2009 vom Gesetzgeber abgeschafft. Der Rest ist in Paragraf 1310 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelt. Bevor Annette Günter ins Standesamt wechselte, besuchte sie einen Grundlagenkurs und lernte dort alles über das Personenstandsgesetz, Namensgebung, aber auch über die Beurkundung von Geburten. Rund 400 Ehen schließt sie im Jahr, an manchen Tagen rücken die Paare im 30-Minuten-Takt an. „Ich habe mir vorgenommen, für jedes Paar, das zu mir kommt, ganz da zu sein. Es ist ihr Moment.“ Ganz gleich, ob zuvor ein verärgerter Bürger angerufen hat, weil er stundenlang niemanden im Amt erreicht hat. Annette Günter ist derzeit die einzige, die im Standesamt Hamborn Ehen schließt. In Rheinhausen und im Bezirk Mitte herrscht ebenfalls Personalmangel. Annette Günter atmet dann einmal tief durch und widmet sich der Liebe.
Dabei erlebt sie so manche Überraschung. Einmal kam ein Mann zum Vorgespräch, die Formalitäten waren geregelt, er wollte dennoch nochmal mit seiner Frau zum Amt kommen. Annette Günter kündigte er an, dass es mit der Hochzeit rasch gehen solle. Als die beiden dann kamen, zog er einen Ring aus der Tasche, ging vor seiner Frau auf die Knie und fragte sie, ob sie ihn sofort heiraten wolle. Die Angebetete dachte indes, sie würde mit ihm nur auf den Wochenmarkt gehen. „Ich habe den beiden dann einen Bedenkmoment gegeben, aber sie haben sofort geheiratet.“ Ein Paar, bei dem die Frau aus Scherz jedoch mal Nein sagte, schickte sie eine Runde um den Block. „Das erste Wort zählt.“ Die beiden sind dann aber samt konsternierter Hochzeitsgesellschaft wieder gekommen und haben sich doch noch getraut. Der Saal für die Feier war ja schon gebucht...
Die Ideen, was sie in der Traurede anspricht, kommen ihr dabei manchmal auch im Urlaub. Als sie im Winter ans Meer fuhr und auf blauen Himmel und Sonne hoffte, regnete es Bindfäden und der Wind peitschte von vorne. Nachts war es frostig, doch sie spazierte tagsüber trotzdem dick eingemummelt durchs Watt. Der Boden knackte unter ihren Füßen, und irgendwann riss der Himmel auf. „Da funkelte es am Strand wie tausend Diamanten und es wäre nie so schön geworden, wenn alles von Anfang an sonnig gewesen wäre.“ Mit diesem Bild schickt sie die Paare in die Ehe.
Schön und traurig zugleich
Und dann gibt es Hochzeiten, da wird der Tag, der eigentlich der Schönste sein soll, zum Traurigsten. Annette Günter führt auch Zwangsheiraten aus. „Das merke ich sofort.“ Eine Frau saß wie versteinert vor ihr, der Mann verunsichert daneben. Im Hintergrund machte der Vater Druck. „Den hätte ich am liebsten in der Luft zerrissen, aber ich frage nicht, ob sich das Paar liebt, sondern ob es heiraten will.“ Noch auf dem Standesamt fing das Paar an, bitterlich zu weinen. Und einmal kamen ihr auch fast die Tränen. Da wurde sie zu einer Not-Trauung gerufen. Die Frau war schwer erkrankt, lange im Krankenhaus, aber das Paar wollte noch unbedingt heiraten, als Zeichen der Liebe. „Da wusste ich auch nicht, was ich sagen soll. Es war eher wie ein Dialog. Das Paar war gefasst, aber im Hintergrund schluchzten die Kinder.“ Dennoch ist sie sicher, dass es für die beiden ein schöner Moment gewesen ist.
In diesem Jahr feiert Annette Günter den 30.Hochzeitstag und kann auch den Tipp ihrer Mutter nachvollziehen: „Wahre Liebe wächst mit der Zeit.“