Duisburg. . Stellvertretend für die Duisburger Narrenschar stellen wir mit Dustin und Silvia Heilmann sowie Hans Wirtz drei Gesichter des Karnevals vor.
Allein die 33 Karnevalsgesellschaften, die im Hauptausschuss Duisburger Karneval organisiert sind, zählen derzeit rund 4500 Mitglieder. Sie sorgen dafür, dass die Duisburger am Rosenmontag in der Innenstadt wieder ganz närrisch den Straßenkarneval feiern und am Zug Kamelle einsammeln können. Und das zumeist schon seit Jahren. Wir stellen mit Dustin und Silvia Heilmann sowie Hans Wirtz drei Karnevalisten stellvertretend für die riesige Narrenschar in unserer Stadt vor.
Kinderkarnevalsprinz Dustin I. Heilmann genießt sein Dasein als närrische Tollität in vollen Zügen
Er trägt einen coolen Undercut, ist Fußballspieler und grübelt das eine oder andere Mal über den Hausaufgaben. Ganz normal für einen 12-jährigen Gymnasiasten „in der Blüte seines Lebens“, wie er selbst gerne witzelt. Doch Dustin ist gerade alles andere als normal. Er ist eine närrische Tollität und hat somit jede Menge Repräsentationspflichten, Protokolle zu beachten und Termine diszipliniert einzuhalten.
Ein „Manno, ich hab jetzt keine Lust mehr“ gibt es momentan nicht. Noch bis zum 1. März ist er noch zu vielen Terminen unterwegs, in der gesamten Session - seit der Kinderprinzenkürung am 8. Januar - sind es rund 130. Eine Bürde? Iwo. Dustin hat Spaß und freut sich riesig, Karnevalsprinz der Stadt Duisburg zu sein. „Ich finde die Zeit gerade toll. Wir singen und tanzen und das macht mir super Spaß“, erzählt er. Am besten hat ihm bisher ein Auftritt in einem Altenheim gefallen. „Das war klasse.“
Die Klasse wünscht ihm Glück
Dustin ist im Karneval groß geworden. Sein Blick wandert hin zu Mutter Silvia, die Klein-Dustin schon vor Jahren als Junior-Pirat in ihre eigene Karnevalsgesellschaft integriert hat. „Durch Mama kenne und mag ich Karneval, seit ich auf der Welt bin, und kann mir nichts anderes vorstellen“, erklärt der 12-Jährige mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein.
Schon vor längerer Zeit hat er sich darum beworben, Kinderprinz der Stadt Duisburg zu werden. Karneval war schon immer, gemeinsam mit Fußball, seine liebste Freizeitbeschäftigung. Auch die Schule und die Klassenkameraden unterstützen Dustin I. nach Kräften. „Als es losging, hat die ganze Klasse eine Zeitungsanzeige geschaltet und ihm viel Glück gewünscht“, erzählt Mama Silvia stolz.
Doch manchmal ist das Leben im Ornat (also dem Kostüm mit Umhang, dem Wams mit den geschlitzten Ärmeln und natürlich der Pumphose) doch etwas schwieriger als in Jeans. „Neulich waren wir bei McDonalds und da haben einige Kinder ganz schön komisch geguckt. Aber ich habe ihnen dann erklärt, warum ich so aussehe und dann fanden sie es toll“, erklärt der Prinz beredt.
Zurück zu den Piraten
Auch auf die Frage, was er denn macht, wenn die Session vorbei ist, hat der schlagfertige angehende Teenager eine einfache Antwort parat: „Erst heulen, dann zurück zu den Piraten!“ Und für die hat er schon große Pläne. Als Ex-Kinderprinz strebt Dustin I. den Posten des Vizepräsidenten in spe bei der KG Piraten des Südens an. Denn dann schafft er für die Tanzauftritte endlich vernünftige Schwerter an. Die sind momentan wohl noch Mangelware.
„Ein Leben ohne Karneval? Kann ich mir nicht vorstellen“, ist sich Dustin aber ganz sicher. Und das wird sicher nicht nur die Mama freuen, sondern macht allen Karnevalisten in Duisburg Mut.
Silvia Heilmann ist nicht nur die Präsidentin der KG Piraten des Südens, sondern auch Mutter von Kinderprinz Dustin I.
Was muss man als Elternteil tun, damit die Tochter Spaß am Karneval hat? Ganz einfach: Es ihr konsequent verbieten. Das hat zumindest bei Silvia Heilmann wunderbar funktioniert. „Mein Vater ist Polizist und hat dadurch nur die negativen Seiten des Straßenkarnevals mitbekommen“, erzählt sie.
Deswegen durfte die Tochter in Mülheim weder zur Tanzgarde, noch zu irgendeinem Umzug. „Das fand ich total doof, denn Karneval hat mich schon als kleines Mädchen fasziniert“, sagt die heute 38-Jährige.
„Es ging sogar so weit, dass ich mich kurz nach meiner Blinddarmoperation aus dem Krankenhaus herausgeschlichen habe, weil der Zug an der Pforte vorbei kam und ich den unbedingt sehen wollte.“ Gegen so viel Liebe und Hingabe war auch der Vater machtlos. „Als ich 18 war, bin ich sofort einer Gesellschaft beigetreten.“
Die Mutter dreier Kinder kann sich ein Leben ohne die jecke Jahreszeit und das bunte Drumherum gar nicht mehr vorstellen. „Meine Kinder sind mein Leben und Karneval kommt kurz danach“, erzählt die begeisterte Gardetänzerin.
„Mama hat sogar in der Schwangerschaft Spagat gemacht, verrät Sohn Dustin stolz. Der dreijährige Leonardo zählt derweil an seinen Fingerchen ab, wie lange es noch dauert, bis er Kinderprinz werden kann. In ihrer Familie scheint die Präsidentin der Piraten des Südens das Gen weitergegeben zu haben.
Eigene KG mit zunächst acht Mitgliedern gegründet
Denn Mitglied sein ist ja schön und gut, aber das reichte Silvia Heilmann nicht. 2012 hat sie ihre eigene KG gegründet. Angefangen mit acht Mitgliedern. Heute sind es 88. Respekt, wenn man bedenkt, dass Vereinsmüdigkeit und Nachwuchsprobleme sich durch viele traditionelle Vereine ziehen. Nicht nur beim Karneval.
„Ich wollte von Anfang an, dass wir ein Verein für die Familie sind. Unsere Kinder sind die ganze Zeit dabei, wenn wir proben oder trainieren. Wir sind wie eine große Familie.“ Wenn Dustins Mutter über ihr viertes Baby, also den Verein spricht, leuchten die Augen und sie ist stolz darauf, viele liebe Menschen zusammenführen zu können, die gemeinsam mit großen oder kleineren Kindern Spaß haben wollen. „Wir machen ganz viel mit den Nordlichtern zusammen, der Karnevalsgesellschaft der Menschen mit Behinderung. Das ist toll, denn auch bei uns wird niemand ausgegrenzt.“ Integration und Zusammenhalt sind der Piratenkönigin sehr wichtig, da wird die quirlige Frohnatur ganz ernst.
Immer etwas zu tun
Wie viel Zeit sie investiere? Da kann die Duisburgerin nun schon wieder lachen: „Das kann ich gar nicht zählen, aber es macht mir unheimlich Spaß und gehört einfach zu mir.“ Und zu tun gibt es ja immer etwas: Die Piraten haben jüngst einen eigenen Wagen aus Holz angeschafft, mit dem sie den Umzug entern wollen, Kinderkarneval ist für die kommende Session in Planung.
Es gibt eben immer etwas zu tun. Und momentan ist sie ja auch noch für den Kinderprinzen verantwortlich. Ohne ganz viel Liebe und Hingabe an die fünfte Jahreszeit geht das nicht. Karneval lebt also auch in der mittleren Generation genau so fröhlich und enthusiastisch weiter.
Mit ihrem Vater versteht sie sich übrigens prima.
Auch nach über 40 Jahren kann Hans Wirtz (79) von Karneval nicht genug bekommen
Schon beim ersten flüchtigen Blick in die Wohnung von Hans Wirtz wird klar, dass Karneval und heimisches Privatleben hier eine untrennbare Einheit bilden. Auf dem Weg ins Wohnzimmer begegnet man vielen Orden und Auszeichnungen. Eine davon vom ehemaligen Bundespräsidenten Herzog verliehen. Hans Wirtz ohne Karneval ist undenkbar, und Karneval in Großenbaum ohne Hans Wirtz ist ein ähnliches Ding der Unmöglichkeit.
Denn nach wie vor mischt der 79-Jährige kräftig bei der KG Op de Hippe Höh mit. Nicht mehr so aktiv wie früher, aber als graue Eminenz dezent im Hintergrund. Wenige haben so viel für das jecke Vereinsleben im Quartier getan. „Ich kann gar nicht sagen, wie viel Zeit in der Woche früher dem Karneval gehört hat“, erklärt er bescheiden. „Auf jeden Fall viel.“ Und dann fängt er an zu erzählen.
Von damals, als der Verein noch regelmäßig große Säle füllte und viele Entertainer aus Köln oder Düsseldorf zum Auftritt kamen. „Wir haben schon gut ein Jahr im Voraus angefangen, bei den Agenturen nach passenden Künstlern zu suchen.“ War das erledigt, musste der Wagen gebaut werden. Damals noch in einer Werkshalle der DVG, für die Wirtz gearbeitet hat. „Es war bitterkalt. Manchmal mussten wir die Farben mit Propangas anwärmen, damit sie flüssig wurden“, erzählt er.
Der Karnevalist schwärmt vom einstigen Gemeinschaftsgefühl
Geklappt hat es immer. Auch mit einem anfangs etwas schmaleren Budget. „Wir hatten immer Mitglieder, die mit angepackt haben oder wussten, wo wir Unterstützung bekamen. Jeder kannte jeden und half jedem“, schwärmt der Großenbaumer von dem großen Gemeinschaftsgefühl von einst. „Karneval hängt für mich ganz eng mit Personen zusammen. Wenn engagierte Personen zusammen kommen, kann man viel erreichen.“
Das hofft der Karnevalist auch weiterhin fest für seine Hippen. Denn nach der Loveparade wurden die Auflagen für Veranstaltungsorte verändert. Das bedeutete konkret, dass sie statt 400 nur noch 190 Gäste in ihren Saal einladen konnten. „Das hat uns damals schwer getroffen. Nach und nach sind unsere Tanzgarden abgewandert, weil sie woanders bessere und größere Möglichkeiten hatten“, erzählt er wehmütig.
Karneval und der Mensch Wirtz sind eins und deshalb hat ihm diese Situation schwer zugesetzt. Doch ein ehemaliger Schützenkönig, Karnevalspräsident und Gewerkschafter gibt nicht so leicht auf. Deshalb arbeitet er mit den verbliebenen Mitgliedern an einem Revival und glaubt fest an eine neue, prunkvolle Zukunft der Hippen Höh. Und wenn einer es schaffen kann, dann Hans Wirtz. Schließlich ist ein Leben ohne Karneval möglich, aber sinnlos.