In den 80er Jahren spielten die deutschen Schauspielhäuser gerne die Stücke des französischen Dramatikers Bernard-Marie Koltès, doch nach dem frühen Aids-Tod des Autors ließ das Interesse nach. Das Mülheimer Theater an der Ruhr gastierte nun mit „Rückkehr in die Wüste“ im Theater und zeigte, dass das Stück aus dem Jahr 1988 immer noch aktuell ist.

In den 80er Jahren spielten die deutschen Schauspielhäuser gerne die Stücke des französischen Dramatikers Bernard-Marie Koltès, doch nach dem frühen Aids-Tod des Autors ließ das Interesse nach. Das Mülheimer Theater an der Ruhr gastierte nun mit „Rückkehr in die Wüste“ im Theater und zeigte, dass das Stück aus dem Jahr 1988 immer noch aktuell ist.

Die Inszenierung von Roberto Ciulli hatte bei den Ruhrfestspielen im Juni 2015 ihre Premiere und wirkt auf den ersten Blick wie ein Familiendrama: Adrien hat seine Schwester Mathilde aus der heimischen Provence gemobbt und bewohnt mit seiner Familie ihr Haus, als diese aus Algerien zurückkehrt. Nach und nach wird deutlich, wie stark dieser Kampf der Geschwister von den historischen Hintergründen geprägt ist.

Das Stück spielt nämlich 1960, mitten im Krieg Frankreichs gegen Algerien. Um an das Haus zu kommen, das Mathilde gehört, ließ Adrien seine Schwester 1945 als Geliebte eines deutschen Soldaten denunzieren.Die nach Algerien vertriebene Mathilde und ihre beiden Kinder werden von Adrien nur noch als Ausländer, die seine Existenz bedrohen, gesehen.

Im Zentrum der Aufführung stehen Petra von der Beek als Mathilde und Steffen Reuber als Adrien. Sie legt die Rolle mit feiner Ironie an, während Reuber seine Figur mit einer schmierigen Arroganz ausstattet. Zwischendurch bricht in die verbalen Gefechte plötzliche kindliche Verspieltheit herein, wenn die Auseinandersetzung als Kissenschlacht weitergeführt wird.

Ein spannendes Panoptikum bieten auch die Kinder der verfeindeten Geschwister: Da ist Mathildes Tochter Fatima, von Simone Thoma gespielt als verstörte Geisterseherin. Ihren Bruder Édouard gibt Fabio Menéndez als bulligen Macho. Ein echtes Kabinettstückchen sind Albert Borks Auftritte als Adriens Sohn Mathieu, der zur Armee will, um aus der häuslichen Enge auszubrechen.

Neben den Familienangehörigen bringt Koltès aber auch Vertreter Afrikas auf die Bühne: Der Hausangestellte Aziz (Oliver El-Fayoumy) stellt fest: „Ich bin kein Araber, ich bin der Arsch in einem Haus, das mir nicht gehört!“ Besonders provokant ist Jubril Sulaimon als schwarzer Fallschirmjägers, der sich die Kolonialzeit zurückwünscht.

Ende wirkt zu unentschieden

Trotz der Dramatik dieses Familienkriegs arbeitet Ciulli den feinen Humor Koltès heraus. Im Gegensatz zum realistischen Spiel der Schauspieler mutet Gralf-Edzard Habbens Sandlandschaft mit abschließendem Mäuerchen fast surrealistisch an. Ruzdi Aliji schafft mit seiner Lichtgestaltung in den Nachtszenen magische Stimmungen.

Eine finale Zuspitzung des Streites der Geschwister vermeidet Koltès: Am Ende kehrt Mathilde wieder nach Algerien zurück. Hier wirkt das Schauspiel zu unentschieden, als wüsste der Autor nicht, in welche Katastrophe oder welches Happy End er seine Figuren stürzen lassen könnte. Freundlicher Beifall vom Duisburger Publikum für eine geschlossene Leistung des Mülheimer Ensembles.