Duisburg. . Ärzte und Krankenschwestern kümmern sich ehrenamtlich um die medizinische Betreuung auf der Straße. Sie sind mit dem Medizinbus unterwegs.
- Der Mobile Medizinische Dienst fährt mit seinem Bus feste Routen durch Duisburg und betreut Bedürftige
- Zu den Patienten gehören auch viele Drogenabhängige und Wohnungslose
- Ehrenamtliche Helfer machen das Angebot möglich, das sich nur über Spenden finanziert
Stephan (37) hat Rückenbeschwerden. Mal wieder. Und die Beine tun ihm heute sehr weh. Claudia Bunse kramt eine Tube mit schmerzstillender Salbe aus einem der Schubfächer des Medizinbusses hervor. „Die hilft dir bestimmt“, sagt die Krankenschwester und lächelt freundlich. Währenddessen hört Dr. Gerd Heimann ab, ob die Lunge des Patienten frei ist. „Da ist alles in Ordnung“, sagt er zu Stephan. Der Mann aus Marxloh zählt zu jenen Menschen, die das Hilfsangebot der kostenlosen medizinischen Betreuung seit Beginn vor acht Jahren regelmäßig in Anspruch genommen haben. „In dieser Zeit hat sich ein echtes Vertrauensverhältnis entwickelt“, sagt Heimann.
Montagmorgen, kurz vor zehn. Auf einem Firmengelände an der Werftstraße in Hochfeld ist der Stellplatz des umgebauten Krankenwagens. Der trägt die offizielle Bezeichnung „Mobiler Medizinischer Dienst“ und steht unter der Trägerschaft des Vereins Gemeinsam gegen Kälte Duisburg. Bei den Nutzern hat sich inzwischen aber der Name Medizinbus durchgesetzt.
Vor diesem trifft sich Dr. Gerd Heimann – einer von fünf Ärzten, die darin ehrenamtlich ihre Hilfsdienste anbieten – mit Krankenschwester Claudia Bunse und Fahrer Marcus Dehnen. Dieses Trio bildet heute das Medizinbus-Team. Um 10 Uhr geht’s los. Die Runde ist immer dieselbe. Zweimal pro Woche (montags und donnerstags) wird sie abgeklappert.
Erster Halt am Kuhlenwall-Karree
Erster Halt: der Schäferturm am Kuhlenwall-Karree. Ein Mann wartet schon, der sich an der Handverletzt hat. „Gebrochen ist da aber nichts“, stellt der Arzt nach der Untersuchung fest. Schnell ein Salbenverband drauf. Ansonsten hält sich die Nachfrage in Grenzen. „Das ist immer so: an manchen Tagen stehen sie hier bei uns Schlange, manchmal kommt keiner“, sagt Krankenschwester Claudia.
Weiter geht’s in Richtung Marxloh. Ziel: der August-Bebel-Platz. Am Straßenrand vor der Woolworth-Filiale findet der Bus ein freies (Park-)Plätzchen. Hier wartet schon Stephan. „Ich gehe lieber hierhin als zum Arzt“, sagt Stephan. Einer der Gründe liegt auf der Hand: „Wir sind hier zeitlich ganz anders getaktet als in einer normalen Praxis. Bei uns bleibt auch mal die Zeit für ein Gespräch. Und diese soziale Komponente ist für viele mindestens genauso wichtig wie ein Medikament“, erklärt Dr. Heimann.
Bis Ende 1998 hatte er eine internistische Praxis in Wanheimerort. Nun engagiert er sich seit dem Projektstart im Jahr 2008 für die Obdachlosen und die anderen Hilfesuchenden, die zum Medizinbus kommen. Und was war seine Motivation dafür? „Nur zu Hause herumzusitzen, ist langweilig. Ich wollte auch im Ruhestand etwas Sinnvolles machen.“ Und die Hilfesuchenden seien sehr dankbar. „Da kommt auch ganz viel zurück. Deshalb ist das eine wunderschöne Arbeit“, sagt Mediziner Heimann.
Viele kommen zum Spritzentausch
Weiter geht’s nach Alt-Hamborn. Im Schatten des Rathausturms hält der Krankenwagen an einem Kiosk. Ein Mann Anfang 40 tritt ein. „Das ist ein Drogenabhängiger, der gebrauchte Spritzen gegen saubere eintauschen will“, erklärt der 76-jährige Arzt. Dann bittet eine Frau um Hilfe, die unter Epilepsie leidet. „Bitte gehe zu deinem Neurologen“, sagt Heimann. Eine parallele Versorgung würde keinen Sinn ergeben. Auch EKG-, Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen sind im Bus mangels Technik nicht möglich. „Bei der Diagnostik sind uns enge Grenzen gesetzt.“
Nächste Station ist Moers. Der dortige Bahnhof ist der Treffpunkt der Drogenszene. Ein Mann aus Weißrussland, Mitte 30, tauscht Spritzen – dann klagt er auch wegen seiner Rheumaschübe. Heimann kennt ihn gut, weiß, dass der Patient derzeit in einem Zelt lebt. Deshalb drückt er ihm Schlafsack und Decke in die Hand. Als er gegangen ist, sagt der „Doc“, wie ihn hier alle nur nennen: „Er zählt zu jenen, bei denen man befürchten muss, sie eines Tages erfroren aufzufinden.“
Weiter geht’s zum Grunewald zur Duisburger Tafel. Dort werden ebenso viele Gespräche geführt und Patienten versorgt wie beim letzten Haltepunkt auf der großen Runde am Kant-Park. Um 16 Uhr erreicht der Bus dann den Ausgangspunkt in Hochfeld, insgesamt haben 25 Personen Hilfe bekommen. Geschafft! Aber nur für heute.
Der Medizinbus finanziert sich über Spenden
Der Medizinbus wird ausschließlich über Spenden finanziert. Rund 13 000 Euro sind pro Jahr nötig – die Kosten für Medikamente und die Fahrzeug-Unterhaltung sind da mit eingerechnet. Informationen für alle Spendewilligen im Netz: www.gemeinsam-gegen-kaelte-duisburg.de.
„Wir haben erst kürzlich von einigen Duisburger Zahnärzten 5000 Euro gespendet bekommen“, freute sich Dr. Heimann.
80 Prozent der Patienten sind Männer
„Wir helfen den Patienten – und manchmal auch ihren Hunden“, sagt Krankenschwester Claudia Bunse. Der Vierbeiner eines Obdachlosen habe sich erst kürzlich an einer Pfote verletzt. „Die haben wir bandagiert“, erzählt sie. Sogar einige Portionen Hundefutter hat der Medizinbus mit an Bord. „Unseren Klienten fehlt auch dafür oft das nötige Geld“, so Bunse.
Im Vorjahr hat der Medizinbus 315 Patienten behandelt. 80 Prozent davon seien Männer gewesen, nur 20 Prozent Frauen. „Die Zahl der behandelten Frauen ist zuletzt aber deutlich gestiegen“, weiß Bunse. Auch für die Patientenzahl insgesamt erwarten sie und Dr. Heimann für 2016 einen deutlichen Anstieg.
Nach der Heimkehr wird der Bus stets desinfiziert und die Fächer mit den zuvor verteilten Medikamenten wieder aufgefüllt. „Der Medizinbus muss abfahrbereit hinterlassen werden“, so Bunse.