Duisburg. . Erstmals untersuchen Forscher der Uni Duisburg-Essen das Wahlverhalten von Migranten. Sie suchen für ihre Studie Duisburger, die mitmachen.

Um zu ergründen, wer wählen geht und wo er seine Kreuzchen macht, schauen Forscher gern auf Alter, Beruf, Einkommen und Geschlecht. Migration war bislang kein Kriterium, das eine Rolle gespielt hat. Erstmals führen Politikwissenschaftler der Unis Duisburg-Essen (UDE) und Köln nun eine Migrantenwahlstudie durch. Für Gruppengespräche im Januar und Februar werden noch wahlberechtigte Duisburger gesucht, die aus der Türkei und dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion stammen oder deren Eltern von dort zugewandert sind.

Anteil der Wähler mit Migrationsgeschichte wächst

Deutscher Pass, ausländische Wurzeln: Die Zahl dieser Bürger in Deutschland nimmt zu. Fast neun Millionen Wahlberechtigte sind entweder selbst zugewandert, oder sind Kinder von Zuwanderern. Diese Tendenz steigt und mit dem wachsenden Stimmenanteil bei Wahlen auch die Bedeutung der Migranten. „Weil bisher ihr Einfluss relativ gering war und eine repräsentative Studie zu diesem Thema viel Geld kostet“, nennt Dr. Sabrina Mayer die Gründe dafür, warum es bisher eine solche Untersuchung noch nicht gab. Die Politikwissenschaflerin ist für die Koordinierung der Migranten-Wahlstudie aus Berlin an die UDE gewechselt, verantwortlich zeichnen die Professoren Dr. Achim Goerres und Dr. Dennis C. Spiess (Köln). Die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) fördert die dreijährige Arbeit an der Studie mit 730 000 Euro.

Ticken sie anders als andere Wähler?

„Für uns Forscher sind diese Menschen interessant, weil sie politisch ganz anders sozialisiert wurden“, erklärt Achim Goerres. „Wir wollen herausfinden, ob sie ähnlich ticken, wie Wähler ohne Migrationsgeschichte oder ob ihre Herkunft beeinflusst, für wen sie ihre Stimme abgeben.“ Es gebe wohl große Unterschiede zwischen den Gruppen, ist sich Sabrina Mayer sicher. „Uns interessiert deshalb nicht nur, was sie wählen, sondern warum.“ Möglich etwa, dass Spätaussiedler eher der CDU zugetan sind, weil Anfang der 1990er Jahre Helmut Kohl Kanzler war. Wählen Deutsch-Türken eher grün, weil Cem Özdemir einer der „ihren“ ist?

Spannend sei auch der kulturelle Kontext, findet Goerres. Fühlt sich, wer in einem religiös geprägten Land aufwächst, in Deutschland eher nicht von säkularen Parteien wie SPD und FDP angezogen. Oder gerade deshalb? Wie ist das Verhältnis von Menschen, die in einer Diktatur aufwuchsen, zum pluralistischen demokratischen System?

Größte Gruppe aus Russland und der Türkei

Viele Fragen, zu denen sich 1000 Bürger in verschiedenen Städten und Gemeinden äußern sollen, damit die Studie repräsentativ ist. „Die Türkei und Russland haben wir deshalb ausgewählt, weil von dort die größten Gruppen sind“, erläutert Sabrina Mayer. Die Zahl der türkei-stämmigen Deutschen liegt bei 1,3 Millionen Menschen, die der Russland-Deutschen bei 2,4 Millionen.

Die Auswahl der Teilnehmer erfolgt nach einem „onomastischen Verfahren“. Dabei sucht ein Computerprogramm in den Einwohner-Dateien nach häufigen Namen. Bei türkischer Herkunft reichen da Nachnamen, bei russischer Herkunft müssen die deutschen Nachnamen kombiniert werden mit Vornamen, die bei Spätaussiedlern besonders gebräuchlich sind. „Alle Teilnehmer werden von Interviewern persönlich aufgesucht“, erklärt Sabrina Mayer.

Für die Bundestagswahl im nächsten Jahr können Parteien die Ergebnisse noch nicht verwerten. „Die ersten Auswertungen gibt es nicht vor Anfang 2018“, kündigt die Koordinatorin an. Ein Buch zur Studie und weitere Veröffentlichungen sind für 2019 geplant.

>>> Teilnehmer gesucht für Gruppengespräche: Kontakt per E-Mail

Für die Studie sind in Duisburg Gruppendiskussionen mit jeweils fünf bis sechs Teilnehmern geplant. Dafür suchen die Wissenschaftler noch wahlberechtigte Bürger, die entweder selbst oder deren Eltern aus dem Gebiet der einstigen Sowjetunion oder der Türkei zugewandert sind.

In einem etwa 90-minütigen Gespräch geht es um politische Themen wie das Vertrauen in das Parteien- und Rechtssystem, um politisches und soziales Engagement, um Themen, die für die Befragten wichtig sind. Der Aufwand wird mit einer finanziellen Entschädigung in Höhe von 25 Euro pro Teilnehmer belohnt, für Speisen und Getränke ist gesorgt. Wer Zeit und Lust hat, sich an der Studie zu beteiligen, kann sich bis spätestens Mitte Januar 2017 melden. Kontaktaufnahme per E-Mail an migrantenwahlstudie@uni-due.de