Duisburg. Bei der Betriebsversammlung von Thyssen-Krupp Steel am Standort Hamborn richtete sich der Ärger des Betriebsrats gegen die teils abwesende Chefetage.
- Betriebsrat von Thyssen-Krupp Steel Europe erhebt schwere Vorwürfe gegen den Vorstand
- Wegen katastrophaler Fehler sei in 2016 ein um 100 Millionen Euro besseres Geschäftsergebnis verpasst worden
- Vorstandsvorsitzender Goss bleibt der Betriebsversammlung fern und erntet den Unmut der Belegschaft
Die Betriebsräte des Standortes Hamborn/Beeckerwerth erheben schwere Vorwürfe gegen den Vorstand von Thyssen-Krupp Steel Europe (TKSE). Aufgrund von „katastrophalen Fehlern in der Planung“, so der Betriebsrats-Vorsitzende Günter Back, sei im abgeschlossenen Geschäftsjahr ein um 100 Millionen Euro besseres Geschäftsergebnis verpasst worden.
„Wir müssten in der Lage sein, unsere Produkte in der gewünschten Menge und Qualität auszuliefern, wann immer es der Kunde will“, sagte Back nach den gestrigen Betriebsversammlungen vor addiert rund 3000 TKSE-Beschäftigten. „Das haben wir aber nicht geschafft. Gerade in diesem Punkt kann ich unserem Vorstand nur die Note fünf minus ins Zeugnis schreiben“, schimpfte Back. Die Enttäuschung war groß im Kreis der Belegschaft, als bei der morgendlichen Betriebsversammlung (die zweite fand nachmittags statt) der TKSE-Vorstand nur in Minimalbesetzung auftauchte: Außer Arbeitsdirektor Thomas Schlenz und dem designierten Technikvorstand Dr. Arnd Köfler „glänzte der Rest durch Abwesenheit“, ärgerten sich die Betriebsräte.
Mitarbeiter sind zutiefst verunsichert
Die Mitarbeiter sind zutiefst verunsichert. „Ist mein Arbeitsplatz gefährdet?“ Diese Frage wurde mir gleich von mehreren Kollegen gestellt“, erzählt Tekin Nasikkol, der stellvertretende Betriebsrat-Vorsitzende. Aber Antworten auf heikle Fragen wie diese könne nur der Vorstand geben. Vor allem der Vorstandsvorsitzende Andreas J. Goss und der Finanzvorstand Premal A. Desai wichen diesen unangenehmen Fragen der Belegschaft aber gestern einfach durch Fernbleiben aus. „Viele Kollegen haben das als Feigheit empfunden“, merkten die Betriebsräte kritisch an.
Auch die Kommunikationsstrategie von Heinrich Hiesinger, dem Vorstandsvorsitzenden der Thyssen-Krupp AG, ist aus Sicht der Betriebsräte nicht nachvollziehbar. „Die Stahlsparte wird immer wie ein Relikt aus der Vergangenheit dargestellt“, sagte Back. Hiesinger habe offensichtlich den Traum, die Thyssen-Krupp AG als reinen Technologiekonzern aufstellen zu wollen. „Und da stört ihn der Stahl. Der Stahl muss raus – egal, wie gut oder schlecht wir wirtschaftlich dastehen. Diese Botschaft aus Essen kommt zumindest so bei der Belegschaft an“, erklärte Back.
Mit Ausblick auf das Jahr 2017 befürchten die Betriebsräte vor allem die bereits seit längerem im Raume schwebenden Restrukturierungsmaßnahmen. Zu diesen könnte auch eine Fusion mit dem britischen Stahlerzeuger Tata zählen. „Diese Fusion macht aus unserer Sicht keinen Sinn. Sie bringt keine wirtschaftlichen Vorteile“, so Betriebrat Nasikkol. Tata schreibe bereits seit mehreren Jahren rote Zahlen, es bestehe zudem ein hoher Investitionsbedarf. Oder wie Back es zusammenfasst: „Tata ist aus unserer Sicht ein Sanierungsfall.“ Wenn schon eine Fusion, würde nur eine innerdeutsche Lösung mit der Salzgitter AG Sinn machen, so die Betriebsräte.
Massivster Protest angekündigt
Der Vorstand poche aber auf Spsarmaßnahmen, so Back. „Wenn alles so weiterliefe wie bisher, würde sich innerhalb von vier Jahren eine 1,6-Milliarden-Euro-Lücke bei TKSE auftun, behauptet der Vorstand“, erläutert Back. Der Betriebrat teilt diese Sicht nicht. Die Nachfrage in Europa etwa nach Flachstahl sei seit fünf Jahren steigend. „Die Erklärungen des Vorstandes stellen für uns keine ausreichende Begründung dar, dass es Restrukturierungen mit Anlagen- oder gar Standortschließungen geben muss“, so Back. Gegen solche Pläne werde sich die Belegschaft massivst aufstellen, kündigte Back an. Im kommenden Frühjahr – wohl im Mai – will der Vorstand der Thyssen-Krupp AG die Sparpläne bekannt machen.
Weiterbeschäftigung für sechs Monate gesichert
„Dass sich der Vorstand nicht den Fragen der Kollegen stellt, darf nicht sein. So nehmen viele ihre Sorgen und Ängste um den eigenen Arbeitsplatz nun mit in die Weihnachtsferien“, sagte Betriebsrat Tekin Nasikkol.
Der TKSE-Standort im Duisburger Norden zählt derzeit laut dem Betriebrats-Vorsitzenden Günter Back rund 12 800 Beschäftigte. Sie arbeiten in einem Fünf-Schicht-Betrieb. Rund 3000 von ihnen nahmen an den gestrigen Betriebsversammlungen teil.
Für den Ausbildungsjahrgang 2013 gab es gestern gute Nachrichten: Die Weiterbeschäftigung ist ab Januar 2017 zumindest für sechs Montae sichergestellt. Dieser Vertragsverlängerung stimmte der Vorstand laut Betriebsrat „diesmal ohne große Diskussionen zu“.