Dr. Petra Bungart ist Richterin am Amtsgericht und nahezu blind. Mit Hilfe moderner Technik meistert sie ihren Arbeitsalltag in der Regel genauso schnell wie ihre Kollegen

MITMENSCHEN "Im Namen des Volkes" hat Richterin Dr. Petra Bungart in den letzten Jahren schon so manches Urteil gefällt. Sie arbeitet seit 2001 in Duisburg, zunächst zwei Jahre am Landgericht, dann wechselte sie zum Amtsgericht. Obwohl es eigentlich keine Spezialisierungen beim Gericht gibt, sind es oftmals Mietstreitigkeiten, Klagen gegen Reiseunternehmen und Auseinandersetzungen nach Verkehrsunfällen, die auf ihrem Tisch landen. Studiert hat die 38-jährige Juristin in Marburg unter erschwerten Bedingungen: Sie leidet seit ihrer Jugend unter der Augenkrankheit Retinitis Pigmentosa und ist nahezu blind. "Es hatte schon etwas von Kamikaze wie ich mein Studium absolviert habe. Eigentlich weiß ich selbst nicht, wie ich das geschafft habe."

Marburg war deshalb ein guter Standort für sie, weil dort viele Blinde studieren. So bekam sie eine Zeitverlängerung für ihre Hausarbeit und von einer Kommilitonin bereits auf Kassette gesprochenes Lernmaterial. Dankbar ist sie ihren Eltern noch heute dafür, dass sie sie auf dem damaligen Meidericher Theodor-Heuss-Gymnasium ihr Abitur machen ließen. "Auch die Lehrer und die Mitschüler halfen mir, wenn längere Texte bearbeitet werden mussten. Es war zwar keine Integrationsklasse, aber das ging trotzdem ganz gut."

Mit der weiter entwickelten Computer-Technik, entsprechender Programme und einem unglaublich feinen Gehör ist sie heute in der Lage, Akten genauso schnell zu bearbeiten wie ihre besser sehenden Kollegen. "Mir stand während des Referendariats in Hamburg immer eine Assistenzkraft zur Seite, die mir Texte vorlas." Heute arbeitet sie mit einem Scanner, einem Computer, der Geschriebenes über einen angeschlossenen Lautsprecher wiedergibt - und zwar in einer Geschwindigkeit, die an einen vorspulenden Kassetten-Rekorder erinnert - und mit Braille-Tastatur für Blindenschrift. "Es war schwer, die Blindenschrift zu erlernen. Das ist so, als müsste man völlig neu Lesen und Schreiben lernen." Heute liest sie die Blindenschrift mit den Fingern genauso schnell wie Sie gerade diesen Artikel.

"Abrechnungen bei Auseinandersetzungen um Nebenkosten lasse ich mir vorlesen, da brauche vielleicht mal mehr Zeit als andere Richter. Aber sonst bin ich mit meinen Verfahren genauso schnell."

Im Verhandlungssaal seien Zeugen manchmal verunsichert. "Wenn sie aber bemerken, dass ich ihnen viel Zeit für ihre Erklärung gebe, sind sie schnell beruhigt." Anwälte, die schon mal versuchten, sie als Richterin in der Verhandlung auszutricksen, hätten ihre resolute Reaktion sicher noch in schlechter Erinnerung.

Richterin Petra Bungart möchte Menschen mit Behinderung Mut zusprechen. "Nicht immer daran denken, was man nicht kann. Ich weiß, dass ich nicht Pilotin sein kann, aber es geht vieles, wenn man versucht, Lösungen zu finden."

Im Umgang mit anderen wünscht sie sich: "Es wäre schön, wenn andere nicht in Mitleid verharren, wenn sie einem begegnen. Die Situationen sind manchmal schwierig, aber sie sind nicht tragisch."