Im Landschaftspark Nord wird der Ernstfall trainiert. Spezialabteilung der Werksfeuerwehr hat ein knappes Dutzend nervenstarke Mitglieder. Nicht jeder ist für so einen Job geeignet
CITY - REPORT: DIE HÖHENRETTER VON THYSSEN-KRUPP-STEEL Wolfgang Nehk kann sich noch gut an den Einsatz erinnern: "Ein Spaziergänger hatte morgens eine Person auf dem Versorgungsring eines Kamins im Landschaftspark entdeckt. Zunächst hieß es, die Person könnte möglicherweise tot sein." Das Höhenretter-Team der Werksfeuerwehr von Thyssen-Krupp-Steel wurde verständigt. Als die Männer den Versorgungsring in 80 Meter Höhe fast erreicht haben, wird der vermeintlich Tote plötzlich wach und klettert den Männern entgegen. "Zehn Meter unterhalb des Versorgungsrings trafen die Kollegen auf ihn. Sie nahmen den Mann erstmal wieder mit nach oben, um ihn richtig zu sichern, bevor sie wieder mit ihm runtergingen."
Einsätze dieser Art haben die rund 20 Höhenretter von Thyssen-Krupp-Steel nicht häufig. Doch sie müssen auf alle Situationen vorbereitet sein. Um das zu trainieren, stellt ihnen Ausbilder Andreas Wieczorek während des Trainings immer wieder andere Aufgaben. Und die führen sie öfter wieder in den Landschaftspark, wo sie zwischen Hochofenmauern und Stahlgerüsten den Ernstfall proben.
Kein Job für schwache Nerven und nervöse Typen: Besonnenheit, Schwindelfreiheit, Kraft und Ausdauer sind Eigenschaften, die ein Höhenretter mit sich bringen muss. In 72 Arbeitsstunden absolvieren die Höhenretter zunächst eine Grundausbildung. "Jedes Jahr muss jedes Mitglied zudem 50 Stunden Fortbildung mitmachen. Das ist das Minimum." Knotentechnik, Handhabung von Abseilgeräten, der Umgang mit verschiedenen Tragen müssen Höhenretter aus dem "ff" beherrschen. Allesamt sind als Rettungssanitäter ausgebildet.
"Bevor wir uns daran machen, jemanden zu transportieren, müssen etwaige Verletzungen versorgt werden", erklärt Andreas Wieczorek während sein Team das Abseilen eines Verletzten von der Hochofenplattform aus etwa 30 Meter Höhe probt. "Der erste Retter klettert mit einem Notfallrucksack ausgerüstet zu dem Unfallopfer. Er muss zunächst checken, wie stark seine Verletzungen sind. Dann teilt er über Funk dem Einsatzleiter mit, was er benötigt, um den Verletzten zu transportieren. Entschieden wird nun auch, wie der Verletzte transportiert wird." Mit dem Material klettert der zweite Retter zum Unfallopfer. "Bei Rückenverletzungen ist der Transport über ein Seil schonender als ihn zu tragen, selbst wenn das möglich wäre."
Gerhard Sperling muss heute das Unfallopfer spielen. Hartmut Butnik und Tellmann Oliveira haben die Aufgabe, ihn auf der Trage so zu fixieren, dass er selbst bei vertikalem Transport oder einem plötzlichen Umschlagen nicht aus der Trage fallen kann. Mit Hilfe eines Flaschenzugs heben sie die Trage über das Geländer, klettern - von oben an Seilen gesichert - über die Barriere und beginnen mit dem Abseilen. "Ein Retter befindet sich immer genau über oder unter der Trage. Er hängt am gleichen Seil. So kann er die Trage von Vorsprüngen und Kanten mit den Füßen auf Distanz halten."
Immer wieder hallen die Kommandos "Stopp" und "langsam ab" zwischen den Hochofenwänden wider. Vor allem den Kopf des ,Patienten' müssen sie schützen. Andreas Wieczorek hat sich für das Training eine Stelle ausgesucht, an der die Trage noch ein wenig "um die Ecke" manövriert werden muss. Das müssen die Retter sofort erkennen und handeln, damit sie die Kontrolle über die Seilführung nicht verlieren.
Ungefähr eine halbe Stunde ist vergangen, seit die Übung begonnen hat. Jetzt haben die drei wieder sicheren Boden unter den Füßen und können ihre blauen Sicherheitshandschuhe mit Kevelaer-Fäden, die die Hände vor Schnitten schützen, abstreifen. Allen steht der Schweiß auf der Stirn. Trotzdem haben sie Sonne und höhere Temperaturen wie in dieser Woche lieber als Kälte und Regen. So wie damals beim Einsatz, als sie den Mann vom Kamin holten, der sich nach einer durchzechten Nacht einen ganz besonderen Schlafplatz auf dem Kamin im Landschaftspark ausgesucht hatte.
Was bei der Übung nicht trainiert werden kann, ist die Reaktion von Personen, die gerettet werden müssen und plötzlich in Panik geraten. Schlimmer noch, wenn es um potenzielle Selbstmörder geht. Andreas Wieczorek: "Man muss damit rechnen, dass sie Messer oder Rasierklingen bei sich haben. Damit können sie ein Seil schnell durchtrennen." Manchmal enden geplante Selbstmorde auch ganz anders. "Wir mussten vor einiger Zeit mal jemandem von einem Funkmast in der Innenstadt holen, der es sich anders überlegt hatte und auf dem Turm in Panik geraten war.""Der Transport über ein Seil ist oft schonender für das Unfallopfer"