Hänsel und Gretel ganz aktuell: Das Mitmachprojekt „Lost in the Forest“ der Jungen Oper am Rhein brachte am Freitag eine modernisierte Fassung des Märchens auf die Bühne des Stadttheaters. Während sich der Kinderchor aus Sängern der „Akademie für Chor und Musiktheater“ und dem „Kinderchor am Rhein“ zusammensetzte, nahm im Orchestergraben das U16-Orchester der Tonhalle Düsseldorf Platz. Am Pult stand Ernst von Marschall.

Anstelle der Geschichte über Kinder armer Eltern, die im Wald ausgesetzt werden, verlegte das Team der Jungen Oper die Erzählung in die Gegenwart. Hänsel und Gretel sind mit ihrer „Gang“ unterwegs und schlagen zuhause die Zeit mit Fernsehen tot, während ihre erfolgreichen Eltern arbeiten und mit ihren Kindern wenig zu tun haben wollen. Von der gestressten Mutter (Julia Langeder) aus dem Haus gescheucht, macht sich das Grüppchen im Großstadtdschungel auf den Weg und landet auf einer Baustelle. Ob die eigentümliche Frau mit ihrer Armee aus Lebkuchenmännchen tatsächlich eine Hexe (Marta Márquez) ist oder ob die Gang im Zuckerrausch und aus Langeweile eine verquere RTL-Fantasie auf die langweilige Baustelle projiziert, ist nicht klar. Ob der Kampf um ihre Freunde, die in die Fänge der Hexe geraten, real ist oder nicht – eine mitreißende Geschichte über Mut und den Wert der Freundschaft ist „Lost in the Forest“ so oder so. Sogar der lustlose Vater (Bruno Balmelli) lässt schlussendlich seine Arbeit ruhen, um nach seinen Kindern zu suchen und sorgt für ein versöhnliches Finale.

Neben der szenischen Ausarbeitung von Philipp Westerbarkei und dem hervorragenden Gesang der Solisten und des Chors lag ein besonderes Augenmerk auf dem Orchester. Natürlich waren die Unterschiede zu einem Profiorchester zu hören, doch das großartige Spiel der jungen Musiker trug die Inszenierung maßgeblich mit. Sehr präsent und doch nicht zu dominant begleitete das Orchester die Sänger und spielte, vor allem in den Solopassagen, dynamisch differenziert. Selbst bei den meisten Unison-Passagen funktionierte die umso schwierigere Intonation sehr gut, gerade die tiefen Instrumente spielten die rhythmisch anspruchsvollen, perkussiven Passagen mit sicherer Selbstverständlichkeit. Auch die Optik der Inszenierung beeindruckte, egal ob die aufwändige Baustellenkulisse oder die vielen Projektionen. Eine moderne Inszenierung, die technische Mittel nicht zu bloßer Effekthascherei einsetzt. Vor allem die überlebensgroße Projektion der fluchenden Hexe hinterließ bleibenden Eindruck.