Duisburg. . Seit fünf Jahren kümmern sich Polizei, Jugendamt und pädagogische Fachkräfte in Duisburg intensiv um junge Mehrfachtäter. Mit Erfolg.

  • 92 Familien wurden in den vergangenen fünf Jahren in dem Projekt „Kurve kriegen“ in Duisburg betreut
  • Jetzt wurde landesweit eine erste Wirkungsbilanz gezogen, die sich auf Duisburg übertragen lässt
  • Die Straftaten der Absolventen hat sich halbiert, Körperverletzungen gingen um 75 Prozent zurück

Sie klauen die Handys ihrer Mitschüler, schlagen, beleidigen, bedrohen andere Kinder und sind trotz ihrer jungen Jahre auf dem Weg zu einer kriminellen Karriere: junge Mehrfach,- und Gewalttäter im Alter zwischen acht und 14 Jahren. Seit fünf Jahren hat die Polizei NRW sie mit dem Präventionsprojekt „Kurve kriegen“ verstärkt im Blick. In Duisburg willigten seit 2011 bis heute 92 Familien zur Teilnahme an dem Projekt ein. 15 Familien brachen ab. Aktuell werden 34 junge Mehrfachtäter von der Polizei, dem Jugendamt und pädagogischen Fachkräften von freien Trägern der Kinder- und Jugendhilfe intensiv betreut. Das Durchschnittsalter der Jugendlichen liegt bei 11,8 Jahren.

Jetzt wurde erstmals eine Wirkungsbilanz und Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt. Die Prognos AG, ein Wirtschaftsforschungsunternehmen, untersuchte landesweit eine Gruppe von 231 Kindern, die die „Kurve kriegen“ wollten. Das Ergebnis: Die Straftaten der Absolventen haben sich halbiert, Körperverletzungsdelikte gingen um 75 Prozent zurück und bei 40 Prozent der Absolventen reduzierten sich die Straftaten auf „Null“.

„Diese Zahlen sind direkt auf Duisburg zu übertragen. Wir können von einem absoluten Erfolgsmodell sprechen“, sagte jetzt Polizeipräsidentin Dr. Elke Bartels auf der BKA-Herbsttagung.

Es werden Kosten in Millionenhöhe eingespart

„Das Projekt hat eine hohe Akzeptanz. Die Kinder haben weniger Aggressionen und verhalten sich positiv im Alltag, zeigen mehr Respekt und Rücksichtnahme gegenüber den Mitmenschen“, erklärt Kriminalhauptkommissar Jörg Bialon, Projektverantwortlicher bei der Polizei Duisburg. Die meisten Jugendlichen würden keinen Kontakt mehr zu ihrer früheren kriminellen Clique haben.

Und auch unter wirtschaftlicher Sicht rechne sich das Projekt. Ein Intensivtäter koste die Gesellschaft im Schnitt bis zu seinem 25. Lebensjahr fast 1,6 Millionen Euro, jeder Teilnehmer des Projekts „Kurve kriegen“ dagegen das Land NRW durchschnittlich ca. 26 000 Euro.

„Das Projekt kann sich sehen lassen.“

Jörg Bialon rechnete im jüngsten Arbeitskreis Kriminalitätsvorbeugung im Detail vor: Ein Tag im Jugendstrafvollzug kostet rund 100 Euro pro Tag, sozialpädagogische Familienhilfen 12 500 Euro pro Jahr, eine Heimerziehung 66 000 Euro pro Jahr, eine Untersuchungshaft 47 000 Euro.

Angesichts dieser Zahlen ist die Rechnung des Projektes „Kurve Kriegen“ einfach: Wenn es gelingt, nur vier Absolventen von einer Karriere als Intensivtäter abzuhalten, haben sich die Investitionen des Landes von 5,1 Millionen Euro in den vergangenen fünf Jahren schon gelohnt. Natürlich könne man nicht wissen, ob nicht auch ohne Hilfe einige der 231 Teilnehmer, deren Werdegang analysiert wurde, die Kurve bekommen hätten, erklärt Jörg Bialon. Er ist aber überzeugt: „Das Projekt kann sich sehen lassen.“

Das Projekt:

Duisburg war eine der acht Kreispolizeibehörden, die in NRW mit dem Projekt „Kurve Kriegen“ 2011 gestartet sind. Das Projekt zielt darauf ab zu verhindern, dass gefährdete Kinder zwischen acht und 15 Jahren zu Intensivtätern werden.

Als gefährdet gelten Kinder und Jugendliche, die innerhalb eines Jahres mindestens eine rechtswidrige Gewalttat oder drei schwere Eigentumsdelikte begangen haben und deren Lebensumstände von so vielen Problemen belastet sind, dass ein dauerhaftes Abgleiten in die Kriminalität droht.

Die Teilnahme an dem Projekt ist freiwillig, die Eltern werden mit einbezogen und müssen zustimmen.