Bei Thyssen-Krupp Steel in Duisburg entsteht für über 40 Millionen Euro ein Technikum, in dem die chemische Nutzung von Hüttengas erprobt wird.
- Thyssen-Krupp Steel will die Gewinnung chemischer Grundstoffe aus Hüttengas erproben
- Dafür wird am Rande des Werks im Duisburger Norden ein Technikum gebaut
- Unternehmen investiert dafür 33,8 Millionen, Fertigstellung ist für Anfang 2018 geplant
Rohre, ganz dicke Rohre prägen das Stadtbild im Duisburger Norden. Sie verbinden auf dem Werksgelände von Thyssen-Krupp in Hamborn gaserzeugende Anlagen wie Hochöfen und Kokerei mit Gasverbrauchern wie den Kraftwerken. Jetzt soll aus den Gasen in den Rohren mehr werden als Brennstoff, nämlich Ausgangsstoff für Dünger, Kunststoffe oder Kraftstoff. Die Verfahren dafür sollen unmittelbar im Schatten der mächtigen Gasleitung erprobt werden. 33,8 Millionen Euro investiert Thyssen-Krupp in das Technikum, weitere 10 Mio kommen vom Bundesbildungsministerium.
Als einen Schritt in die Zukunft der Stahlerzeugung pries Thyssen-Krupp-Konzernchef Dr. Heinrich Hiesinger beim ersten Spatenstich an der Alsumer Straße das Vorhaben, bei dem es auch um eine nachhaltige Senkung des CO2-Ausstoßes geht. In den Hüttengasen befänden sich „wertvolle chemische Elemente“ wie Kohlenstoff, Stickstoff oder Wasserstoff, die sich für eine Nutzung empfehlen würden. Zusätzlicher Wasserstoff soll mit erneuerbaren Energien per Elektrolyse hergestellt werden. Vorteil des Standortes am Rande des Werksgeländes ist laut Hiesinger der direkte Anschluss an die Gasleitungen des Hüttenwerkes, so dass erarbeiteten Ergebnisse im Rahmen des Projektes unter dem etwas Namen „Carbon2Chem“ direkt mit realen Hüttengasen getestet werden können.
Bis die in der Nähe des alten Matena-Tunnels entwickelten Verfahren im großtechnischen Maßstab funktionieren, gehen nach Hiesinger Einschätzung wohl noch mindestens zehn Jahre ins Land. Gleichwohl könne die Technik sich letztlich rechnen, weil sie weltweit bei rund 50 Stahlwerken anwendbar wäre, aber auch in anderen energieintensiven Branchen wie etwa der Zementindustrie.
„Wir wollen unserem Standort und der Stahlproduktion in Duisburg eine Brücke in die Zukunft bauen“, umriss Thyssen-Krupp Steel-Chef Andreas J. Goss seine Erwartungen an Carbon2Chem. Gleichwohl warnte er, dass die drohenden Mehr-Belastungen der deutschen Stahlindustrie durch die europäische Klimapolitik dieses „Zukunftsprojekt“ gefährden könnten, wenn die zusätzlichen Kosten nicht mehr zu erwirtschaften wären. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sagte der heimischen Stahlindustrie politische Unterstützung zu.
Stahlbetriebsratschef Günter Back freute sich über die Investitionsentscheidung für das Technikum und 30 neue Arbeitsplätze, verwies aber auch auf den nächsten Stahlaktionstag – diesmal in Brüssel. Busse für etliche tausend Stahl-Demonstranten seien bereits gebucht.