Duisburg. Andrea Bestgen-Schneebeck vom Duisburger Amt für Soziales und Wohnen plädiert dafür, auch in künftigen Vorzeige-Wohnlagen Sozialwohnungen zu bauen.

Der Wohnbericht 2015 zeigt ein differenziertes Bild zur Wohnungslage in Duisburg. Der Leerstand ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Was leer steht, ist allerdings nicht unbedingt für den Markt geeignet. Im Gespräch mit Fabienne Piepiora schätzen Andrea Bestgen-Schneebeck, Leiterin des Amtes für Soziales und Wohnen, und Thomas Schürkes von der Stabsstelle für Wohnungsfragen die Zahlen ein.

In Duisburg wohnen viele Menschen, die Transferleistungen beziehen. Gleichzeitig sinkt der Bestand an Sozialwohnungen kontinuierlich. Bereitet Ihnen die Entwicklung Sorge?

Andrea Bestgen-Schneebeck: Für einige Objekte ist die Bindung in den vergangenen Jahren weggefallen. Gleichzeitig scheuten sich Investoren davor, neue Sozialwohnungen zu bauen, weil sie fürchteten, dass die Stadt ihnen Mieter zuweist. Dabei ist die Sorge unbegründet. Wir belegen die Wohnungen immer in Absprache mit dem Vermieter. Da in Duisburg die Mieten relativ niedrig sind, konnten viele Menschen aber auch eine Wohnung auf dem freien Markt finden.

Thomas Schürkes: Das ist auch einer der Gründe, warum die Zahl der Bezieher von Wohnberechtigungsscheinen zurückgeht.

Sozialwohnungen Duisburg.jpg

Kein Konkurrenzkampf um günstigen Wohnraum

Gibt es denn einen Konkurrenzkampf zwischen Sozialhilfeempfängern, Studenten und beispielsweise Flüchtlingen um günstigen Wohnraum?

Bestgen-Schneebeck: Das können wir zum Glück nicht feststellen. Nur wer sehr kleinräumig sucht, weil er in einen bestimmten Stadtteil will, könnte Probleme bekommen. Neudorf, Duissern und die Innenstadtbezirke sind traditionell beliebt. Gerade was die Unterbringung von Flüchtlingen angeht, arbeiten wir hervorragend mit den Duisburger Wohnungsunternehmen zusammen. Ihnen gilt mein ausdrücklicher Dank.

Schürkes: Wir haben kürzlich eine Informationsveranstaltung für Eigentümer und Vermieter durchgeführt, in der wir erklärt haben, was jeder einzelne Aufenthaltstatus bedeutet und welche Übergangsbescheinigungen es gibt.

Der Duisburger Wohnungsmarkt in Zahlen

256.118 Wohnungen

...stehen dem Duisburger Wohnungsmarkt in rund 80 000 Gebäuden zur Verfügung. Der Wohnungsbestand hat sich durch die relativ geringe Neubautätigkeit in den vergangenen Jahren nur geringfügig erhöht.

248.078 Privathaushalte

...gab es Ende 2014 in Duisburg. Während die Zahl der Mehr-Personen-Haushalte kontinuierlich sinkt, steigt die Zahl der Single-Haushalte (112.646).

Duisburg wächst

Die Zahl der Einwohner (494.445, Ende 2015) steigt zwar, allerdings gibt es noch immer mehr Sterbefälle als Geburten. Der Bevölkerungszuwachs ist auf die Zuwanderung zurück zu führen. Auch die Zahl der Haushalte (248.078), vor allem die mit einer Person, wächst. Der Wohnungsbestand ist ebenfalls gestiegen (256.118)

17,3 Prozent

...beträgt der prognostizierte Bevölkerungsrückgang im Stadtteil Baerl in den nächsten Jahren. In Kaßlerfeld, errechneten die Experten, könnten künftig 3,8 Prozent mehr Personen wohnen. Von 46 Ortsteilen werden aber nur sieben einen Bevölkerungszuwachs haben, schätzen die Autoren des Wohnberichts. Dieser konzentriert sich auf Fahrn, Obermarxloh, Bruckhausen, Laar, Kaßlerfeld, Dellviertel und Hochfeld. Die Spanne liegt dabei zwischen 0,9 Prozent und 3,8 Prozent. Im Westen und Süden wird kein Wachstum erwartet. Die Zahlen sind wichtig, um beispielsweise neue Wohnbauflächen auszuweisen.

5,30 Euro pro Quadratmeter

...muss man durchschnittlich in Duisburg bezahlen. Das ist im Vergleich zu anderen Groß- und Universitätsstädten sehr niedrig. Der Landesdurchschnitt in NRW liegt bei 6,14 Euro pro Quadratmeter. Die höchsten Durchschnittspreise mit 6 Euro pro Quadratmeter wurden in der Altstadt, im Dellviertel, Neudorf, Duissern, Großenbaum, Rahm, Wedau und Bissingheim festgestellt.

309.866 Euro

...betrug der stadtweite Durchschnittspreis für ein neues Ein- oder Zweifamilienhaus im vergangenen Jahr. 363 044 Euro sind es im Duisburger Süden. Das ist deutlich teurer als im Norden (273 567 Euro) und im Westen (275 746 Euro). Der Preis ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. 2009 lag er noch bei 242 861 Euro. Die Grundstücke sind im Süden mit durchschnittlich 319 m² größer als im Norden (283 m²) und im Westen (316 m²). Die Wohnfläche beträgt im Süden im Schnitt 138 m², im Norden 132 m² und im Westen 130 m².

40.000 Umzüge (gerundet)

...fanden 2015 in Duisburg statt. Erstmals gab’s deutlich mehr Zuzüge als Wegzüge. „Die hohe Anzahl der Binnenumzüge belegt einen funktionierenden, dynamischen Wohnungsmarkt“, heißt es im Wohnbericht.

Zwei Drittel des Wohnungsbestandes

...befinden sich in privater Hand. Vor allem Mehrfamilienhäuser aus der Bauzeit vor 1919 befinden sich überproportional häufig in Privatbesitz. Unterstellt man einen Sanierungsstand entsprechend des Baualters, wird deutlich, dass erhebliche Kosten für Modernisierung- und Instandhaltungsmaßnahmen auf die Eigentümer zukommen.

Der Eigentümermarkt

...hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Das Land hat seine Wohnungen etwa an die LEG verkauft. In Duisburg besitzt Immeo die meisten Wohnungen, nämlich 17.000. Mit 14.000 Wohneinheiten sind die acht Duisburger Genossenschaften ein noch größerer Anbieter als die Gebag, die rund 12.000 Wohnungen besitzt. Es folgen Vivawest (10.500 Wohnungen), Vonovia (6600 Wohnungen und LEG (5700 Wohnungen).

80 Prozent der Gebäude

...sind Mehrfamilienhäuser.

9,4 Prozent

...betrug die Quote der neuen Baugenehmigungen in Duisburg im vergangenen Jahr. Die Landesstatistiker haben hingegen für 2015 einen deutlichen Anstieg der Baugenehmigungen zum Vorjahr in NRW festgestellt. Auf der Basis der genehmigten Wohnungen je 1000 Einwohner wurde eine Quote von 31,6 Prozent errechnet. Duisburg liegt im Landesvergleich der kreisfreien Städte und Kreise indes mit der Quote von 9,4 Prozent auf dem drittletzten Platz, nach Herne (6,4 Prozent) und Hagen (8,8 Prozent.

78,1 Prozent der Immobilien

...wurden vor 1979 erbaut. Mit dem hohen Alter geht ein hoher baulicher und energetischer Sanierungsbedarf einher.

471 Häuser und Wohnungen

...wurden im vergangenen Jahr laut Amtsgericht Duisburg zwangsversteigert. Insgesamt wurden 599 Versteigerungen angemeldet, 128 allerdings wieder vorzeitig aufgehoben. Laut Schätzungen handelt es sich in 75 Prozent der Fälle um Wohnimmobilien.

4,5 Prozent der Wohnungen

... stehen leer. Die aktuellsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2014. Das sind 11629 Wohnungen. 10650 sind länger als sechs Monate nicht bewohnt. Ermittelt wird die Zahl aufgrund von abgemeldeten Wasser- und Stromzählern. Die Fachleute gehen davon aus, dass sie aufgrund ihres Zustandes nicht mehr so einfach vermietbar sind.

2,3 Millionen Euro

...beträgt das Förderkontingent der Stadt für Investitionen in den Bestand. Gefördert wird beispielsweise die engergetische Sanierung, etwa der Einbau von neuen Fenstern oder eine verbesserte Wärmedämmung. Das Kontingent wurde in den vergangenen Jahren immer ausgeschöpft, und die Stadt konnte weitere Fördermittel beim Land beantragen und weitergeben. Eine besonders große Maßnahme, die mit rund 9,6 Millionen Euro vom Land gefördert wurde, war der Umbau des so genannten Wabenquartiers der Wohnungsgenossenschaft Mitte. Insgesamt 170 Wohnungen wurden auf den neuesten Stand gebracht und erneut als Sozialwohnungen ausgewiesen.

188 Fälle schwerwiegender Wohnungsmängel

...wurden der Wohnaufsicht im Jahr 2015 gemeldet. Schwerwiegende Mängel sind etwa undichte Dächer, Decken, Fenster, nicht funktionierende Heizungen sowie Wasseranschlüsse oder Toiletten. Die Zahlen steigen. 2014 wurden 130 Fälle aufgegriffen. Neuanträge kommen aus den Bereichen Hochfeld und Marxloh.

10 Häuser und vier Wohnungen

...wurden von der Taskforce der Stadt bisher für unbewohnbar erklärt. Anfang 2015 zählte die Stadt 60 Problemimmobilien, mittlerweile sind es 85. Die Gründe sind meist ähnlich, jedoch kristallisieren sich die Themen Brandschutz und Elektrik heraus, die die meisten Probleme bereiten. In einem Fall in Marxloh standen für jeden gemeldeten Bewohner gerade einmal gut 5 m² zur Verfügung. Eine Stadtsprecherin sagt dazu: „Das klingt schon eher nach Matratzenlager als nach adäquatem Wohnen, und liegt deutlich unter der Vorgabe des Wohnungsaufsichtsgesetzes von 9 m² für jeden Erwachsenen als Minimum.“

2834 so genannte Wohnungsnotfälle

...gab es 2015. Darunter versteht man Personen, die beispielsweise aufgrund von Räumungsklagen oder akuten Notlagen wie Wohnungsbränden eine sofortige Unterstützung benötigen, damit sie nicht obdachlos werden. Die meisten Notfälle konzentrieren sich auf die Bezirke Mitte, Hamborn und Meiderich/Beeck.

954 Wohnungen

...werden derzeit von Flüchtlingsfamilien bewohnt. Von 6700 Flüchtlingen sind insgesamt 3 850 Personen in Wohnungen untergebracht. Die anderen leben derzeit in Übergangswohnheimen. Wegen der sinkenden Zahlen sind vor einigen Wochen bereits einige Notunterkünfte, nämlich die in Turnhallen, geschlossen worden.

5,6 Millionen Euro Wohngeld

...hat die Stadt 2015 an insgesamt 3700 Haushalte gezahlt. Damit geht die Zahl zurück. 2014 waren es noch 6,7 Millionen Euro, mit denen 5500 Haushalte unterstützt wurden. Die Zahl der SGB II-Empfänger (Grundsicherung und Hartz IV) ist hingegen gestiegen. 72 183 Personen bekamen Leistungen nach SGB II. Im Jahr 2014 waren dies noch 68 587 Personen.

21.762 Sozialwohnungen

gibt es aktuell in Duisburg, die meisten davon in den Nord-Bezirken. Die Zahl der Sozialwohnungen geht kontinuierlich zurück. Zum einen läuft bei einigen Gebäuden die Sozial-Bindung ab. Auf der anderen Seite gibt es wenige Investoren, die Sozialwohnungen bauen. Die meisten haben Angst, dass die Stadt ihnen Mieter zuweist.

Weniger Wohnberechtigungsscheine

Da viele Duisburger, die nicht viel Geld für die Miete ausgeben können, auch auf dem freien Wohnungsmarkt fündig werden, nimmt die Zahl der Wohnberechtigungsscheine ab. Sie sank von 2114 im Jahr 2013 auf 1771 im Jahr 2015. Einen großen Anteil an WBS-Antragstellern haben ältere Menschen, Schwerbehinderte und ausländische Arbeitnehmer.

1/22

Derzeit werden von der Stadt auch Flüchtlinge, die nicht in Duisburg anerkannt wurden, in andere Kommunen zurückgeschickt.

Bestgen-Schneebeck: Grundlage ist das Integrationsgesetz und hier die Wohnsitzauflage. Die Ausländerbehörde prüft insbesondere auch Härtefälle. Einige Flüchtlinge werden Duisburg verlassen müssen und in die Kommunen zurückgehen, denen sie zugewiesen wurden. Wir können noch gar nicht absehen, wie viele hier anerkannte Flüchtlinge hier bleiben wollen und welcher Wohnraumbedarf durch mögliche Familiennachzüge entsteht.

Duisburg ist der zweitgünstigste Wohnungsmarkt in NRW

Rund 11.000 Wohnungen stehen in Duisburg leer. Ist das ein Problem?

Schürkes: Wir schätzen, dass viele alte Wohnungen nicht mehr in einem vermietbaren Zustand sind oder über Grundrisse verfügen, die nicht mehr gefragt sind, weil sie zum Beispiel gefangene Räume haben. Eigentümer scheuen die Investition, weil sie Reinvestitionen über höhere Mieten kaum erzielen können. Duisburg ist der zweitgünstigste Wohnungsmarkt in NRW.

Bestgen-Schneebeck: Leerstand ist nicht grundsätzlich schlecht. Wir brauchen aber auch eine Wohnungsreserve für Personen, die umziehen wollen oder neu nach Duisburg kommen. Hochfeld ist ein typischer Stadtteil für neuankommende ausländische Mitbürger. Viele von ihnen ziehen dann aber in andere Stadtteile. Mir imponiert Hochfeld, es ist ein lebendiger Stadtteil. Aber die Probleme dürfen wir natürlich nicht verschweigen.

Haben ausländische Mitbürger eigentlich Probleme, eine Wohnung zu finden, weil dem Vermieter der Name nicht gefällt?

Schürkes: Vorurteile sind nie auszuschließen. Vor kurzem haben wir uns mit der privaten und unternehmerischen Wohnungswirtschaft zu diesem Thema ausgetauscht.

WBS.jpg

Bestgen-Schneebeck: Dafür haben wir in Duisburg auch schon zu lange Erfahrung mit dem Thema.

Die Stadt hat neue Wohnbauflächen ausgewiesen. Mit der Mercator-Quartier sollen beispielsweise neue Wohnungen und Häuser entstehen. Aber hilft das etwa für den Bereich der Sozialwohnungen?

Bestgen-Schneebeck: Es wäre schön, wenn wir auch in den neuen Quartieren einen gemischten Wohnungsbestand bekommen. Sozialwohnungen sind außerdem alle barrierefrei.

Was wird aus Ihrer Sicht auf dem Wohnungsmarkt ein Thema für die nächsten Jahre werden?

Schürkes: In absehbarer Zeit werden viele ältere Menschen ihr Haus verkaufen wollen, weil sie dort nicht mehr allein wohnen wollen oder können. Das Interesse an alternativen Wohnformen steigt. An der Reitbahn und in Friemersheim werden gerade Wohnprojekte errichtet, bei denen wir als Stadt beraten haben. Das ist spannend, hat einen hohen Beratungsbedarf, ist nicht leicht umzusetzen, wird aber zukunftsweisend sein.

Bestgen-Schneebeck: Diese Angebote werden unseren Wohnstandort attraktiver machen.

Hinweis für Mobil-Nutzer: In der Desktop-Version dieses Artikels finden Sie eine interessante Zahlensammlung zum Wohnungsbericht in Duisburg.

So viele Wohnungen stehen in den Duisburger Ortsteilen leer: