Innenstadt. . Die Artgenossen und die Szene schauen sich die Skulpturen an – und sind erschrocken, wie viele Bäume demnächst gefällt werden sollen.
Die Bucheckern knirschen unter den Schuhen der „Artgenossen“. Die Ehrenamtlichen, die regelmäßig die „Szene“ durch das Lehmbruck-Museum führen, machen diesmal einen Rundgang durch den Kant-Park. Bei diesem Treffen sind weniger Vertreter der Szene dabei. „Das schwankt immer“, weiß Organisatorin Friederike Winkler. Kontaktleute wie etwa Marko Stegmann und die Bezirksbeamten machen die Termine rechtzeitig bekannt.
Im Mittelpunkt stehen die Kunstwerke im öffentlichen Raum. Seit 1990 wird die Grünfläche vom Museum als Skulpturenpark genutzt. Doch beim Gang durch die Grünanlage fallen den Kunstinteressierten auch die markierten Bäume auf, die bei der Umgestaltung des Parks in nächster Zeit gefällt werden sollen. 117 sind es. Die große Zahl erschreckt sie – und wird seit einigen Tagen heftig debattiert. „In die Diskussion sollten wir uns auch einschalten und deutlich machen, dass wir damit nicht einverstanden sind“, schlägt Friederike Winkler vor.
„Als Kind haben wir hier immer Fußball gespielt. Dann wurden die Bäume gepflanzt, damit das nicht mehr so einfach war“, erinnert sich ein regelmäßiger Teilnehmer der Rundgänge. Nadine Bolten von der Aidshilfe, die die Arbeit mit der Szene ebenfalls unterstützt, kann ebenfalls nur mit dem Kopf schütteln. „Es wird ja immer argumentiert, dass der Baumbestand weg soll, damit die Personen sich nicht mehr in die Büsche schlagen. Aber da sind ja gar keine Büsche.“ Marko Stegmann vom Verband „Junkies, Ehemalige und Substituierte“ war auch bei den Vorgesprächen zur Umgestaltung des Kant-Parks beteiligt. „Das einzige, was helfen würde, wären öffentliche Toiletten.“ Ob die allerdings installiert werden, ist noch ungewiss.
Aber eigentlich geht es ja um die Kunst. Als erstes stoppt die Gruppe vor dem Maulbeerbaum. Die Arbeit von Klaus Simon „Skulptur für einen Baum“ wurde extra für diesen Standort angefertigt. Die Bronze-Plastik korrespondiert mit dem knorrigen, gebogenen Baum. „Guckt mal, die hat ja jemand gesäubert“, freut sich Friederike Winkler. Das Material glänzt wieder. „Artgenossin“ Doris Spahn erzählt den Zuhörern etwas über den Maulbeerbaum, der schon in der griechischen Mythologie eine Rolle gespielt hat. Der Sage nach haben sich Pyramus und Thisbe stets an einem Maulbeerbaum verabredet, damit sie nicht entdeckt wurden. Als Thisbe wartet, taucht ein Löwe auf. Sie flieht. Pyramus findet etwas später ihren Schal, denkt, sie sei tot und bringt sich um. Daraufhin will auch Thisbe sterben. „So eine traurige Geschichte am Montagmorgen“, sagt ein Teilnehmer und lacht verschmitzt. Immerhin – der Maulbeerbaum ist nicht markiert und wird wohl stehen bleiben.
Ein Schattendasein führt die Skulptur von Eduardo Paolozzi mit dem Namen „Egypt“. Sie befindet sich unter Bäumen auf dem Spielplatz für Kleinkinder. Der Künstler hat ausdrücklich erlaubt, dass die Kleinen darauf spielen dürfen. Momentan sammelt sich aber nur Laub auf der ausgestreckten linken Hand, die mit einer Art Murmel spielt. „Bisher gibt es keine Pläne, dass andere Orte für die Kunst gesucht werden“, erklärt Claudia Thümler vom Lehmbruck-Museum. Die Umgestaltung sei nicht so gravierend – und die Kunst gehöre eben in den Park.