Duisburg. Bei möglicher Ablehnung der Loveparade-Klage fordert Bochumer Rechtswissenschaftler die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission.

Noch immer melden sich verletzte und traumatisierte Personen bei der Stiftung „Duisburg 24.7.2010“, die in den sechs Jahren nach der Loveparade-Katastrophe versucht hatten, mit ihren Problemen allein klarzukommen – und die merken, dass sie damit überfordert sind. Bei der Stiftung als Anlaufstelle finden sie Hilfe. „Wir haben eine Selbsthilfegruppe wieder ins Leben gerufen“, sagt Angelika Köhler, die als Leiterin der Kontakt- und Informationsstelle der Stiftung immer erste Ansprechpartnerin für Hilfesuchende ist. Zudem gebe es eine neue Kooperation mit einigen Psychotherapeuten.

Jürgen Widera fordert eine Aufklärung der Katastrophe.
Jürgen Widera fordert eine Aufklärung der Katastrophe. © WAZ FotoPool

Diese Vermittlung von Hilfesuchenden an die entsprechenden Experten zählt zu den Basisaufgaben der Stiftung, die vor einem Jahr gegründet wurde. „Es gibt Betroffene, die durch die Katastrophe ihren Beruf aufgeben mussten und ihren Alltag nicht mehr stemmen können. Es gibt Menschen, die gelten als austherapiert – und brauchen dennoch weiter Unterstützung. Ihnen wollen wir helfen“, erklärten Jürgen Thiesbonenkamp und Jürgen Widera vom Stiftungsvorstand.

Wer in Duisburg einen Platz bei einem Psychotherapeuten sucht, muss sich nicht selten auf Wartezeiten von sechs bis acht Monaten bis zum Therapiebeginn einstellen. Dank der neuen Kooperation konnte die Stiftung kürzlich innerhalb von nur zweieinhalb Wochen einen Therapieplatz besorgen, so Köhler.

Finanziell verfügt die Stiftung laut Widera weiter „über recht bescheidene Ressourcen“. Die Spendenakquise soll im zweiten Jahr des Stiftungsbestehens vorangetrieben werden. Widera sprach sich nochmals für eine Alternativlösung aus, sollte das OLG Düsseldorf die Entscheidung des Landgerichts Duisburg bestätigen, dass kein Hauptverfahren eröffnet wird.

Bochumer Rechtsprofessor fordert Untersuchungskommission Loveparade 

Alternative könnte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, aber auch eine unabhängige Expertenkommission sein. Darin sollen „neutrale Personen sitzen, die öffentliches Vertrauen genießen“. Eine solche Kommission hatte zuletzt in England die Hillsborough-Katastrophe von 1989 neu aufgearbeitet und die tatsächlichen Schuldigen benannt. „Diese Klärung ist Voraussetzung dafür, dass die Betroffenen jemals zur Ruhe kommen können“, sagte Widera.

Auch der Bochumer Rechtsprofessor Thomas Feltes fordert eine solche Untersuchungskommission. „Für den Fall, dass die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens erfolglos sein sollte, werden wir umgehend eine solche Kommission nach englischem Vorbild einrichten“, erklärte Feltes kurz vor dem sechsten Jahrestag des Unglücks am Sonntag.

Er vertritt den Vater einer Tochter, die damals umkam. „Wir sind es den Opfern schuldig, dass es zu einer möglichst umfassenden Aufklärung kommt. Wenn dies Gerichte nicht leisten können, muss es auf diesem Wege geschehen“, erklärte der Bochumer Professor. „Die Angehörigen wollen wissen, warum es zu diesem Unglück kommen konnte, und sie haben Anspruch darauf, dass wir diesen Anspruch ernst nehmen.“