In Duisburg hat man vom Komponisten Hauke Berheide im April 2015 zuletzt seinen „Kleinen Häwelmann“ gehört, nun meldet sich der Neudorfer gleich auf dem ganz großen Parkett mit einer Oper zurück: Für die Opernfestspiele der Bayerischen Staatsoper hat Berheide die Oper „Mauerschau“ komponiert. Im Zentrum des Stückes, das auf Heinrich von Kleists „Penthesilea“ beruht, steht die mediale Vermittlung von Krieg und die Frage nach der Wahrheit in der Kriegsberichterstattung.

Aufführungsort dieser Produktion, die am 29. Juni uraufgeführt wurde und danach dreimal gezeigt wurde, ist die Reithalle in der Münchener Maxvorstadt. Gut 400 Zuschauer haben in dem Saal, der an die Meidericher Gebläsehalle erinnert, Platz gefunden. Während der Münchener Opernfestspiele findet hier auch die experimentelle Festspiel-Werkstatt statt. „Die Arbeitsbedingen an der Bayerischen Staatsoper waren einfach ideal. Es war toll, welche persönliche Unterstützung ich von allen Seiten des Hauses erfahren habe, das reichte vom Orchestermusiker bis zum Techniker“, bilanzierte Berheide.

Textfassung von Amy Stebbins

Die Textfassung der „Mauerschau“ stammt von Amy Stebbins, die auch die Regie übernommen hat. Natürlich wird die blutige Liebesgeschichte zwischen Achill und Penthesilea gezeigt, aber gleichzeitig wird die Handlung mehrfach gebrochen: So werden den beiden Protagonisten noch zwei singende Schatten an die Seite gestellt, was große Ensembleszenen ermöglicht.

Zudem gibt es eine Botin, die von der Schauspielerin Hildegard Schmahl verkörpert wird, die immer wieder von der technischen Entwicklung der Nachrichtenmedien berichtet.

Berheide und Stebbins gelingt fast das Musterbeispiel einer zeitgenössischen Oper: Hinter dem ganzen Projekt steht ein intellektuelles Konzept, das dann aber in der Aufführung und der Komposition so umgesetzt wird, dass es auch emotional berührt. Durch die Wechsel zwischen Liebesduetten, Kriegsszenen, Chören und Reflexionen ist die Oper dramaturgisch so gestaltet, dass keine Langeweile aufkommt, und die Zuschauer dem Stück über die 85 Minuten der Aufführung neugierig folgen.

Hauke Berheides Musik ist abwechslungsreich und treibt das Geschehen stark voran: In den Duetten kochen fast romantische Schwelgereien hoch, in den Kriegsszenen gibt es brutale Ausbrüche und satirische Märsche.

Einige Chorszenen klingen wie eine Mischung aus Carl Orff und Helmuth Lachenmann. Überhaupt ist das differenziert und sehr fantasievoll eingesetzte Schlagwerk stark gefordert, denn viele Szenen sind rhythmisch unterfüttert. Trotz der großen Bandbreite des musikalischen Ausdrucks wirkt die Musik stilistisch in sich geschlossen.

Die Inszenierung von Amy Stebbins ist ebenso spannend wie sehenswert: In historisierenden Kostümen wirken die Figuren wie einem Antik-Museum entsprungen. Das amerikanisch-deutsche Team „Luftwerk“ erschafft durch Projektionen Räume, in denen die antiken Figuren wie in Bilderrahmen ausgestellt werden. Als kleine Reminiszenz an Wilhelm Lehmbruck beginnt die Oper auch mit einer Penthesilea in der Pose der Skulptur „Der Gestürzte“.

Viel Lob auch von der Presse

Nach der Aufführung gibt es viel Beifall für die Mezzosopranistin Adriana Bastidas-Gamboa als Penthesilea, Dirigentin Oksana Lyniv und Komponist Hauke Berheide. Noch im Foyer sprechen Zuschauer Berheide an, bedanken sich bei ihm für das Stück oder fotografieren sich mit ihm. „Einige der Orchestermusiker haben mich sogar angesprochen und nach kammermusikalischen Werken gefragt, weil ihnen die Oper so gefallen hat, dass sie gerne noch mehr von meiner Musik spielen möchten“, so Berheide.

Auch die überregionale Presse spart in ihren Kritken nicht mit Lob: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nennt das Werk eine „Zierde für die Opernfestspiele“, während die „Süddeutsche Zeitung“ Berheides Oper als „umwerfend, extrem“ sowie als „krasses Erlebnis“ beschreibt.