Angelika Pieper nutzt eine Verschnaufpause, um ihre Ausgangssituation zu schildern: „Schon in der Schule war das schlimmste Fach für mich immer der Sport“, sagt die dunkelhaarige Frau mit Brille und blauer Jogginghose. Diese herzliche Abneigung zur Bewegung pflegte sie seit Teenager-Tagen bis zu ihrem 59. Geburtstag. Dann entschied sie sich mit ihrem Mann Thomas Hirsch, dass sie sich gemeinsam aufraffen. Und seitdem gehört das Duo zum Anfängerkurs einer Lauftrainingsgruppe, die sich einmal in der Woche trifft – und gemeinsam ihre Runden dreht.
Dienstagabend, kurz vor 18 Uhr. Treffpunkt ist der Parkplatz am Freibad Wolfssee in Wedau. Der heiße Tag hat seine Spuren hinterlassen: Es ist drückend und schwül. Die ersten Schweißtropfen rinnen schon beim Aussteigen aus dem Auto. Wir sind zu acht – inklusive Trainer Horst Jann. Der ist bereits von weitem durch sein leuchtend-blaues Laufshirt zu erkennen, auf dem in weißen Lettern das Wort „Trainer“ prangt. Er ist das Besondere an diesem Kurs: Alles geschieht unter seiner Anleitung und Aufsicht. Jann gibt nicht nur die Strecke und die Übungen vor, er achtet mit Argusaugen auch auf die Lauftechnik seiner Schützlinge.
Zehn Wochen dauert der Kurs
„Dieses Laufen unter Anleitung ist mir sehr wichtig. Es war einer der Gründe, hier mitzumachen“, sagt Hartmut Dühr, der in Duissern am Kaiserberg lebt und gemeinsam mit seiner Frau Martina den Anfängerkurs zum dritten Mal mitmacht. Was war seine Motivation? „Ich wollte nach rund drei Jahrzehnten Sportpause wieder anfangen, auch um was gegen das Übergewicht und den Bluthochdruck zu tun.“
Kaum hat er den Satz beendet, unterbricht er das Einlaufen und setzt den Weg per Walking-Technik fort. „Das ist genau richtig so“, erklärt Trainer Jann. „Hier soll sich keiner übernehmen. Jeder bestimmt das Tempo individuell. Wer nicht weiterjoggen kann, der geht oder walkt halt ein Stück.“ Für ihn ist es wichtig, stets alle im Blick zu behalten. Fällt einer aus der Gruppe mal einige Meter zurück, kennt der Coach in diesem herrlichen Abschnitt an der Sechs-Seen-Platte genügend Stellen für ein kleines Extra-Ründchen, damit der oder die Nachfolgende in dieser Zeit wieder im langsameren Tempo zur Gruppe aufschließen kann.
Zehn Wochen umfasst dieser Kurs. Jeder erhielt zu Beginn einen Plan, auf dem neben dem gemeinsamen Training am Dienstag zwei weitere Einheiten pro Woche angesetzt sind. Letztere müssen allein bewältigt werden – eine Herausforderung, den inneren Schweinehund zu überwinden. „Ohne Selbstdisziplin und eigenes Training wird es auf Dauer nichts“, so Trainer Jann. Denn sonst bewahrheitet sich schnell eine alte Läufer-Weisheit: „Wer seine Hausaufgaben nicht macht, der kennt die Gruppe meistens nur von hinten.“
Acht bis zwölf Teilnehmer gehören zu einer Gruppe. Die Abbrecherquote hält sich laut Jann stets in engen Grenzen – auch, weil die Kursgebühren komplett im Vorfeld entrichtet werden. „Zudem darf man den Faktor Gruppenzwang nicht unterschätzen“, sagt Teilnehmer Dühr. Kann er mal nicht zum Lauftraining kommen, meldet sich gleich das schlechte Gewissen.
Zwischendrin folgen Geschicklichkeits- und Koordinationsübungen sowie kurze Sprints und Staffelläufe. Alle sind außer Puste. Viel nerviger als die Atemnot sind aber die Attacken der Mückengeschwader auf die kurzbehosten Männer- und Frauenbeine. Der Coach hat ein Einsehen. Er gibt das Kommando zur Flucht in eine mückenfreie Zone. Kollektives Aufatmen.