Der argentinische Bandoneon-Virtuose Marcelo Nisinman soll angeblich von Großmeister Astor Piazzolla noch persönlich entdeckt worden sein. Als Dank hält der in der boomenden Tango-Szene stark gefragte Künstler in seinen Konzerten die Kompositionen des Tango-Nuevo- Schöpfers Piazzolla in Ehren. Aber mit seinem Ensemble „Tango Factory“ spielte das auf hohem Niveau agierende Quartett um den musikalischen Avantgardisten Marcelo Nisinman auch Werke anderer Komponisten und Eigenkompositionen.
Der 1970 geborene Nisinman machte sich unter anderem in der Zusammenarbeit mit Gary Burton und der WDR Bigband einen Namen. In seinem Quartett waren der Pianist und Komponist Matan Porat, der ebenfalls aus Argentinien stammt, der glänzende israelische Klarinettist Chen Halevi und der deutsche Jazz-Kontrabassist Winfried Holzenkamp als kreative Erben Piazzollas und als eingespieltes Ensemble am Marientor zu Gast.
Eröffnet wurde das Kammerkonzert mit den Werken „Hombre Tango“ von Nisinman und „Ciudad Triste“ von Osvaldo Tarantino, die mit einer spannungsreichen Mischung aus Tango und zeitgenössischer Musik bereits die Richtung dieses Abends vorgaben. Matan Porat präsentierte sich in „2665“ mit einer Hommage an den Literaten Roberto Bolano als brillanter und stilistisch eleganter Pianist zwischen Klassik und Jazz. Arrangements wie das Liebeslied „Jeanne y Paul“ von Piazzolla folgten der Komposition des Meisters, überzeugten allerdings mit raffinierten Tempowechseln und Zitaten als intellektuelle Avantgarde-Klangwerke, in denen der Violinist Piazzollas durch den Klarinettisten Chen Halevi vertreten wurde, der den lyrischen Schmelz des Originals durch jazzige Elemente ersetzte.
Auch in der zweiten Konzerthälfte begeisterte das Quartett auf hohem Niveau. Matan Porat spielte solo am Flügel den Piazzolla-Klassiker „Libertango“ und erhielt dafür spontanen Applaus. Voller Schmerz und somit unbedingt tangofähig war „Nantes“, ein Chanson, den die legendäre Sängerin Barbara einst zum Tode ihres Vaters schrieb. Mit musikalischer Kraft und viel Seele gab es mit Piazzollas „Adios Nonino“ dann noch eine großartige Zugabe. Viel Beifall, auch wenn mehr Lautstärke der Musik gut getan hätte.