Wie fange ich an, fragt sich Oskar. Und beginnt von vorne, bei einer der Szenen, die jedem im Gedächtnis geblieben sind, der „Die Blechtrommel“ von Günter Grass gelesen hat: Mit der Zeugung seiner Mutter auf dem kaschubischen Kartoffelacker. Dieser braune, staubtrockene Acker bleibt das Spielfeld, das Nico Holonics für zwei Stunden und 15 Minuten allein beherrscht – als Oskar Matzerath, diesem großen Schelm, dessen geistige Entwicklung schon bei der Geburt abgeschlossen war und der mit drei Jahren und 94 Zentimetern beschließt, nicht mehr zu wachsen.
Nico Holonics ist in Oliver Reeses Inszenierung der „Blechtrommel“, die jetzt aus Frankfurt zum Akzente-Theatertreffen angereist war, dieser die große Bühne beherrschende kleine Oskar. Die Bühnenfassung dieses gewichtigen Jahrhundertromans muss sich beschränken, lässt am Ende des Kriegs Oskar wachsen, verfolgt aber sein Leben nicht weiter. Auf die Bühne kommen Schlüsselszenen. Wie der Film, so unterliegt auch das Theater anderen Gesetzen als ein Roman. Man kann darüber streiten, ob in der szenischen Umsetzung nicht zu viel verloren geht von der Breite und Tiefe von über 700 Seiten Text – unbestreitbar ist Nico Holonics aber ein fabelhafter Oskar. Er ist das trommelnde und schreiende, dickköpfige Kind und der gutmütige Matzerath, er ist der Zirkus-Gnom Bebra und die kecke Maria.
Aber er erlebt als entsetzter Oskar auch die Gräuel der „Reichskristallnacht“ und das Grauen des Krieges. Holonics, dessen Schauspielkunst nur unterstützt wird von Licht und einem Soundtrack (Parviz Mir-Ali), wird dabei auch zum Verführer des Publikums. Ein magischer Abend, unterhaltsam und beunruhigend.