Duisburg. . Bei der ersten „Kneipentour“ erinnert Dagmar Dahmen an die rauen Zeiten in Ruhrort. Heute wirkt alles ganz friedfertig und aufgeräumt.
Mit über 100 Kneipen war Ruhrort einst das St. Pauli des Westens. Um die vorletzte Jahrhundertwende herum florierte nicht nur die Binnenschifffahrt, sondern mit ihr auch die Unterhaltungsszene rund um den Hafen. Für die Akzente hat Dagmar Dahmen das Kiez-Getümmel aus Archivunterlagen rekonstruiert. Bei ihrer ersten Kneipentour durch Ruhrort ließ sie die raue Szene von einst in den Köpfen der Teilnehmer wieder aufleben.
Dazu braucht es heute einige Vorstellungskraft. Selbst an einem Freitagabend wirken die ehemaligen Orte verqualmter Thekengespräche und alkoholinduzierter Prügeleien friedfertig und aufgeräumt. Bis in die 60er Jahre aber ging es hier hoch her. Nur ein Rentnerpaar kann sich an diese Zeit noch vage erinnern. Für die anderen muss Dagmar Dahmen mit alten Fotos, blumigen Worten und einem Begrüßungsschnaps für richtige Stimmung sorgen.
Hippe Limo in Schimmis alter Lieblingskneipe
Vom Treffpunkt am Neumarkt aus geht es am frühen Abend nur wenige Meter weiter in den ehemaligen „Anker“, das heutige „Café Kaldi“. Schimanskis alte Lieblingskneipe ist heute keine rauchige Spelunke mehr, sondern ein freundlicher Treffpunkt, der auch hippe Limo und Käsekuchen serviert. Die Gruppe aber genehmigt sich zur Einstimmung auf den Abend größtenteils Flaschenbiere. 20 Minuten sind in jeder Kneipe angesetzt. Stadtführer Frank Switala, der Dagmar Dahmen bei dieser Kneipentour-Premiere begleitet, hält die Hupe bereit: das Signal zum Aufbruch.
Weiter geht es zu „Tante Olga“, heute ein Wohnhaus. Berüchtigt soll das Tanzlokal mit den offenherzigen Animierdamen gewesen sein, berichtet Dagmar Dahmen. Direkt zwischen den Kirchtürmen der evangelischen und der katholischen Pfarrei gelegen, war Inhaberin Tante Olga den Geistlichen ein Dorn im Auge, die über ihr Lokal als „größten Puff der Welt“ schimpften. Der ältere Rentner in der Runde schmunzelt verschmitzt. Aber nicht doch, bei der Tante sei er als junger Mann nie gewesen, beteuert er.
Fachsimpeln über alte Zeiten
Auf dem Fußweg zur Taverne sind die Männer der Gruppe gedanklich bereits komplett in die Kiez-Zeit eingetaucht und fachsimpeln: „So’ne Kneipe musste früher richtig zugequalmt sein. Da kamste nach Hause, da wusste die Olle gleich, wo de wars!“ – „Aber dat gehörte dazu.“ – „Ja, klar, so war dat.“
Als wohl jüngste Wirtin hat Gunda Scholz vor 46 Jahren in Ruhrort begonnen. Seit 28 Jahren führt die 65-Jährige die Taverne im Deutschen Haus an der Fabrikstraße. Das Lokal hat große Teile des Mobiliars der alten „Postkutsche“ übernommen, vor allem die hohen Holzbänke verleihen einen urigen Charme. Als Speiselokal sei es auch früher schon gesitteter bei ihr zugegangen, sagt Scholz während sie zapft. „Aber die Schiffer, das waren Haudegen. Da haben wir immer gesagt: Da stehen 50 Jahre Knast an der Theke.“ Heute aber sei es ruhig geworden, lebt die Taverne vor allem von Gruppen und Vereinen. „Viele Kneipen wurden zu Garagen oder Wohnungen“, weiß Dagmar Dahmen. „Und manchmal, kann man dort im Fenster sogar noch die alten Bierkrüge stehen sehen.“ Stille Relikte einer rauen Zeit.