Die in Ruhrort lebende Dichterin Barbara Köhler wird mit dem Peter-Huchel-Preis für deutschsprachige Lyrik ausgezeichnet. Die Jury würdigte ihren im Verlag Lilienfeld erschienenen Band „Istanbul, zusehends“ als herausragende Neuerscheinung des Jahres 2015. Der mit 10 000 Euro dotierte Preis wird am 3. April, dem Geburtstag Huchels (1903-1981), in Staufen im Breisgau verliehen.

„Mit dem doppelten Blick der Fotografin und Dichterin formuliert Barbara Köhler in ihrem Gedichtband ,Istanbul, zusehends’ eine Liebeserklärung an eine Stadt, die immer zugleich fremd und vertraut bleibt.“ Außerdem preist die Jury das Zusammenspiel von Sprache und Bild. Und weiter: „Ein raffiniertes Netz von Sprachbildern und Bildsprache knüpft einen fliegenden lyrischen Teppich, der ganz selbstverständlich im Alltag auch die Wucht des Politischen einfängt.“

Barbara Köhler folgt auf Preisträger wie Ernst Jandl, Durs Grünbein, Thomas Kling, Oskar Pastior oder Friederike Mayröcker.

„Das ist eine große Freude“, sagt die Wahl-Duisburgerin, die 1959 in Amerika/Sachsen geboren wurde. Sie hofft, dass der Preis ihrem schönen, farbigsten Buch mehr Aufmerksamkeit beschert. Dankbar ist die Dichterin der NRW-Kunststiftung, die sowohl ihren fünfwöchigen Aufenthalt im Vorfrühling 2014 in Istanbul als auch die bibliophile Gestaltung des Bands ermöglicht hat.

Für Barbara Köhlers war ihr erster Aufenthalt in der Stadt am Bosporus „überwältigend“ – so sehr, dass ihre kleine Kamera zu einem Instrument der Selbstverteidigung geworden sei, Mittel zur Bewältigung der überbordenden sinnlichen Eindrücke. Die eher beiläufig entstandenen Fotos stehen neben künstlerisch durchkomponierten Texten. Sie selbst nennt ihren Aufenthalt ein „Experiment in Fremdheit“. „Die wenigsten wissen, wie fremd man sein kann und was es bedeutet“, so Barbara Köhler. Nie sind ihre Texte für den schnellen Konsum, es sind poetisch verdichtete Gedanken, Spracherfindung und -erforschung, intellektuell und sinnlich zugleich. Als „die glänzenden Flanken langohriger Ziegen“ beschreibt sie beispielsweise byzantinische Mosaike.

In diesem Jahr ist die Dichterin an der Universität Wien gefragt, wo sie im Juni die Ernst-Jandl-Vorlesungen zur Literatur hält. „Das ist mehr Arbeit als ich dachte“, sagt sie lachend im Gespräch mit dieser Zeitung. „Und dazu kommt jetzt die Rede für den Huchel-Preis.“