Für ein friedvolles Jahr 5776 tauchten sie bereits zuvor Äpfel in Honig – das hat Tradition. Am Montagabend dann feierten die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Duisburg, Mülheim, Oberhausen mit zahlreichen Gästen das Neujahrsfest „Rosch ha-Schana“. Als Gastredner beschäftigten sich NRW-Ministerpräsident a.D. Jürgen Rüttgers und Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, mit der aktuellen Flüchtlingskrise.
Gäste aus Vereinen, Verbänden und Kirchengemeinden sind gekommen, um in der Synagoge zu feiern. „Die Diskussion über Flüchtlinge lässt auch uns nicht kalt“, sagt Dmitrij Yegudin, Vorsitzender der rund 2500 Mitglieder zählenden jüdischen Gemeinde. Gerade vor dem Hintergrund, dass ein großer Teil der Mitglieder selbst aus Osteuropa stamme, appelliert Yegudin: „Wir müssen würdige Zustände für diese entwurzelten Menschen errichten.“
Die Zuwanderung sorge aber auch für Verunsicherung, weiß Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden. „Welches Verhältnis haben diese Menschen zu Israel? Nutzt der IS die Situation, um Terroristen einzuschleusen?“ All diese Fragen seien in den Gemeinden zu hören. „Doch unser Anliegen ist es nicht, dass Deutschland seine Grenzen schließt“, stellt Lehrer klar. Vielmehr gehe es darum, die „Zugewanderten in unsere Wertegemeinschaft zu integrieren“. Das sei die eigentliche Aufgabe, die es in Zukunft zu bewältigen gebe. Auch vor dem Hintergrund, dass die jüdischen Gemeinden zu 90 % aus Einwanderern bestehen, sollten Islamophobie und Fremdenhass keine Chance haben.
Diesen Tenor traf auch Jürgen Rüttgers, von 2005 bis 2010 CDU-Ministerpräsident in NRW. Die Flüchtlingsströme beobachte er mit zwiespältigen Gefühlen. Einerseits sei die Hilfsbereitsschaft groß, andererseits spüre er, dass „sich vieles ändern wird“. Von einer „Entgrenzung der Welt“ spricht Rüttgers, einer „handygesteuerten Völkerwanderung“. Unsere Aufgabe sei es, Integrationsarbeit zu leisten, den Menschen beim Einfinden in ihre neue Umwelt zu helfen.
Eine Bereicherung wäre es, wenn die drei abrahamitischen Religionen dabei zusammenarbeiten. „Dann kann die Hilfe über den Tag hinaus wirken.“