Duisburg. Wie Vermieter von Asyl-Wohnraum der Stadt Duisburg die Preise diktieren, die weit über den Spitzenmieten für Büros und Wohnungen in Toplagen liegen.
Bei der Unterbringung von Flüchtlingen ist der Druck inzwischen so hoch, dass die Stadt fast jeden Preis zahlen muss. Das offenbart die Recherche der NRZ in internen Dokumenten der Stadtverwaltung. Ob die vom Vermieter geforderte Miethöhe marktgerecht ist, mögen die Immobilien-Experten im Rathaus erst gar nicht mehr aufklären: Zum einen würden schlicht Vergleichswerte fehlen, weil es „keinen Markt für Übergangsheime“ gebe. Zum anderen sei ein Vertragsabschluss ja ohnehin „alternativlos“. Denn: Mietet die Stadt nicht sofort weitere Gebäude an, kann sie ihrer Unterbringungspflicht nicht mehr nachkommen.
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Die blanke Not treibt die Preise in die Höhe. Und zwar so weit, dass die geforderten Summen längst über den Spitzenmieten in den Toplagen der Stadt liegen. Nach Analyse diverser Makler und Verbände lassen sich für Bürohäuser in Top-Lagen wie dem Innenhafen Mieten von bis zu 13,50 Euro pro Quadratmeter erzielen, Wohnungen wie etwa in Baerl bleiben preislich darunter. Was die Stadt aber pro Quadratmeter in den Asyl-Unterkünften an Miete zahlt, liegt deutlich darüber.
Festvertrag bis ins Jahr 2036
So wird der Lokalpolitik in Kürze nichts anderes übrig bleiben, als auch für das seit geraumer Zeit leer stehende Bürogebäude an der Emscherstraße 57 eine Quadratmeter-Kaltmiete von 15,25 Euro zu akzeptieren. In der ehemaligen Verwaltung der Hüttenwerke sollen ab kommendem Frühjahr 200 Asylbewerber Platz finden. Doch die gewaltigen Summen sind inzwischen nicht mehr das einzige Problem: Der Mietvertrag läuft bis ins Jahr 2036. „Kürzere Verträge schließen Gesellschaften kaum noch ab. Die lange Laufzeit bietet Sicherheit für ihre Investitionen“, sagt einer der Beteiligten, der namentlich nicht genannt werden will. Der Festvertrag über 20 Jahre sieht auch noch Mietsteigerungen vor, die sich nach dem Verbraucherpreisindex richten. Bis 2036 wird die Stadt dem Vermieter, der Firma VLP in Lohne, über 13 Millionen Euro überwiesen haben.
Auch die Gebag profitiert
Zum Vergleich: Ihre alte Schulverwaltung an der Memelstraße (350 Plätze) richtet die Stadt für 1,6 Mio Euro her. Die Erweiterung des eigenen Containerdorfs an der Masurenallee (um 170 Plätze) kostet 2,5 Mio Euro. Und schon da hat die Stadt festgestellt: Die Hausmodule zu kaufen sei günstiger als sie zu mieten, da der Markt wegen der bundesweit hohen Nachfrage „völlig übersättigt“ sei.
Flüchtlinge in Duisburg Die Emscherstraße ist allerdings längst kein Einzelfall. In Walsum an der Königstraße schloss die Stadt vor einem Jahr einen Mietvertrag mit der Alho-Fugsi GmbH aus dem oberbergischen Morsbach, die auf jegliche Immobilien in Container-Bauweise spezialisiert ist, ab. Inklusive Betriebskosten liegt die Warmmiete bei knapp 25 Euro. Und das für mindestens zehn Jahre.
Doch nicht nur Privatanbieter machen mit dem Unterbringungsdruck der Stadt Geschäfte. Bei ihrer eigenen Wohnungsbaugesellschaft hat die Stadt vor einem Jahr einen Mietvertrag über die Flüchtlingsunterkunft an der Holtener Straße abgeschlossen. Netto-Kaltmiete: 14,60 Euro, samt Betriebskosten sind das im Monat 20,23 Euro pro Quadratmeter.
Miete: 5,15 Euro kalt, 18,40 Euro warm
Und selbst eine Kaltmiete von 5,15 Euro für Gebag-Wohnungen an der Franz-Schubert-Straße in Rheinhausen entpuppt sich auf den zweiten Blick als lukratives Geschäft: Dort wollte die Gebag eigentlich die Wohnblöcke abreißen und neu bauen. Das wird sie jetzt verschieben: Der Fünf-Jahres-Vertrag garantiert Mieteinnahmen von 1,25 Millionen Euro. Und: Zu solchen Preisen, die im oberen Bereich der Durchschnittsmieten bei der Gebag liegen, hätte die Wohnungsbaugesellschaft ihre abbruchreifen Wohnungen niemals vermietet bekommen. Der Zustand zeichnet sich schon an den Nebenkosten ab: Sie sind dreimal so hoch wie die Kaltmiete, so dass die Stadt inklusive Hausmeister und Wachdienst am Ende eine Warmmiete von 18,40 Euro pro Quadratmeter zahlt.
Flüchtlinge in DeutschlandDie Not der Kommune, für Asylbewerber ein Dach über dem Kopf zu finden, lockt auch Projektentwickler. Die Firma VLP aus Lohne bei Oldenburg kauft das Bürogebäude an der Emscherstraße der Firma Immeo ab, die es zuvor für sieben Euro pro Quadratmeter vermieten wollte. Jetzt hat sich die Miete mehr als verdoppelt. VLP-Geschäftsführer Daniel Bauer spricht auf Nachfrage aber von einem „vernünftigen Kosten-Nutzenverhältnis“.
Wie aus 7 Euro plötzlich 15 Euro wurden
Man müsse bei der Kalkulation den Kaufpreis und die Investitionen berücksichtigen: „Für die erforderlichen, aufwendigen Umbaumaßnahmen haben wir nur sehr wenig Zeit. Wir können diese erst beginnen, nachdem uns die rechtskräftige Baugenehmigung und der genehmigte Mietvertrag durch die Stadt vorliegen“, erklärt Bauer. So müssten alle Räume umgebaut und modernisiert, der Brandschutz angepasst, neue Sanitärbereiche eingerichtet, der Fußboden getauscht, Küchen eingebaut, Elektrik und Heizung modernisiert und draußen der Spiel- und Bolzplatz sowie die Grünanlagen hergerichtet werden.
Am Ende bleibt es ein Geschäft, bei dem der Vermieter den Preis diktieren kann, und die Stadt keine andere Wahl hat. Denn sonst müsste sie die Menschen in Zelten unterbringen.