Duisburg.. 29 Schülerinnen der Gesamtschule Mitte kümmern sich im Elternpraktikum um zwölf Baby-Simulatoren. Die schreien wie echte Babys – auch nachts.
Langsam werden Marie, Jana und Nina, alle 14, nervös. Ihre kleine Jessica brüllt sich gerade in Rage und alles Wiegen hilft nicht mehr. Auch ein Fläschchen nimmt sie nicht an. Was will das Kind bloß? Erst eine zweite saubere Windel beruhigt Jessica und aus dem Geplärre wird ein wohliges Glucksen. Marie atmet auf: „Gott sei Dank ist sie jetzt still.“
Zwar handelt es sich hier nicht um eine echte Mutter-Kind-Situation – es könnte aber eine sein. Daher proben 29 Schülerinnen des Pädagogik-Kurses der 9. Klasse an der Gesamtschule Mitte, wie es wäre, wenn sie Eltern wären. Das DRK-Familienbildungswerk und das Jugendamt vertrauen ihnen für das „Elternpraktikum“ eine Woche lang einen Baby-Simulator an.
Simulatoren sind keine „Puppen“
Im Klassenzimmer nebenan schreien schon die Babys. „Wir haben zu lange gebraucht“, sagt Sabine Thurn und schließt schnell die Tür auf. Eines nach dem anderen trägt sie die zwölf Baby-Simulatoren, die dem Jugendamt gehören, zu den Schülerinnen herüber – die Geburtsstunde. Vorsichtig nehmen die Mädchen ihre „Kinder“ entgegen, geben ihnen Namen, füllen die „Geburtsurkunde“ aus und suchen sich einen Strampler vom Stapel. Sabine Thurn kommt vom DRK und erklärt den Schülerinnen, wie die Computer-Babys funktionieren.
„Ganz wichtig: wir nennen sie nicht ‘Puppen’“, mahnt sie. „Mit Puppen spielt man.“ Die Schülerinnen sollen ihre Aufgabe ernst nehmen. „Es geht darum, den Mädchen ein realistisches Bild vom Elternsein zu vermitteln.“ Sie sollen erfahren, „wie weitreichend die Übernahme von Verantwortung gegenüber einem eigenen Kind ist und wie tiefgreifend sich das eigene Leben verändert“. Das werden sie spätestens dann erfahren, wenn die Babys in der Nacht anfangen zu schreien.
Betreuungstagebuch wird geführt
In der Einführungsrunde erörterten sie daher gemeinsam, welche Bedürfnisse Babys haben: „Sie wollen gewickelt werden, haben Hunger oder müssen Bäuerchen machen“, zählen die Mädchen auf. Sabine Thurn zeigt ihnen, wie man das Kind hochhebt („Immer eine Hand unter den Kopf“) oder wie man es wickelt („In der Windel ist ein Chip eingebaut“). Schreit das Kind, meldet sich die „Mutter“ mit einem ID-Band an. Erst wenn das entsprechende Bedürfnis befriedigt ist, hört das Kind auf zu schreien. „Diese Bänder können nicht abgemacht werden“, erklärt Pädagogik-Lehrerin Nina Dietzel-Wallner. „Jede Handlung wird aufgezeichnet, so dass die Eltern am Ende ein Protokoll bekommen.“ Lässt etwa eine Schülerin das Kind auf den Boden fallen oder versorgt es nicht entsprechend, gibt es am Ende des Projekts den Status „Vernachlässigt.“
„Um das zu vermeiden, führen wir nun jeden Tag ein Betreuungstagebuch“, erklären Michelle, Anna-Lena und Kathrin. Die 14-Jährigen teilen sich die Elternaufgabe wie eine echte Patchwork-Familie. „Ein bisschen peinlich“ finden sie es schon, „mit einer Puppe im Maxi-Cosi“ durch die Stadt zu laufen. „Hat das Kind die Windeln voll, müssen wir es ja auch sofort wickeln“, sagen sie. Daher seien sie froh, den kleinen „Taylor“ am Ende der Woche wieder abgeben zu können. Bis dahin wollen sie sich aber liebevoll um ihn kümmern. „Dafür lassen wir das Tanztraining und ein Ehrenamt am Nachmittag ausfallen“, sagen Anna-Lena und Kathrin. Viel Organisation gehört auch dazu – eben wie im echten Eltern-Leben.