Duisburg. Nach dem Orang Utan-Ausbruch erklärt der Duisburger Zoo-Chef Achim Winkler die Sicherheitsvorkehrungen und welche Rolle der Faktor Mensch spielt.
Wie konnte so etwas überhaupt passieren? Gibt es da keine Sicherungsmaßnahmen im Zoo? Diese und ähnliche Fragen stellten sich sicher einige Duisburger nach dem tragischen Vorfall im Duisburger Zoo zu Wochenbeginn. Weil eine Tür nicht richtig gesichert war, hatte Orang Nieas aus seinem Gehege flüchten können. Im Außengelände des Zoos wurde er dann bei dem Versuch, ein Tor hoch zu klettern, erschossen. Unglücksursache war, das hatte die Untersuchung im Zoo am Folgetag ergeben, menschliches Versagen.
Dreifachsicherung im Duisburger Affenhaus entspricht "gängiger Praxis"
Bereits am Tag nach dem Ausbruchsversuch hatte Zoo-Chef Achim Winkler angekündigt, die Sicherheitsmaßnahmen noch einmal zu überprüfen. Diese Dreifachsicherung, wie es sie im Duisburger Affenhaus gibt, entspräche „der gängigen Praxis, wie sie auch in anderen Einrichtungen gegeben ist“, erklärt Winkler. Seit Jahrzehnten gebe es auch im Affenhaus des Tierparks am Kaiserberg diese Mehrfachsicherung, die aber nicht umgesetzt war“, so der Zoo-Chef. Er nennt den Vorfall eine "Verkettung unglücklicher Umstände".
Auch der Umstand, dass das 50 Jahre alte Affenhaus verwinkelt ist, hatte am Montagabend zunächst für Verwirrung gesorgt. Es dauerte eine Zeit, bis klar war, wie viele Orang Utans aus dem Gehege hatten flüchten können. Zunächst hatte es bei den einsatzbereit stehenden Polizisten und Feuerwehrleuten geheißen, dass bis zu sechs Tiere ausgebüxt seien, erst später wurde diese Zahl nach unten korrigiert.
"Bei besserer Einsicht in das Affenhaus hätte man gegebenfalls anders agieren können, aber das Bauliche ist nicht das ursächliche Problem", sagt Achim Winkler. "Trotz vieler Sicherungen, die auch in diesem alten Affenhaus gegeben sind, kann man letztendlich hier wie auch im täglichen Leben wohl leider nie eine 100-prozentige Sicherung erzielen."
"Faktor Mensch" war in diesem Fall Schwachstelle in der Sicherung
Schwachstelle sei, das habe auch der Vorfall, der mit dem Tod von Orang Nieas endete, gezeigt, in vielen Fällen der Faktor Mensch: „Natürlich kann man alle Türen, Tore, Schieber zig-fach absichern, aber irgendwo in der Sicherungskette kommt der Mensch ins Spiel." Wenn dieser nicht nur einen, sondern gleich mehrere Fehler hintereinander begehe, indem vielleicht aus Routine oder Unachtsamkeit mehrere Sicherheitsschritte missachtet/vergessen werden, dann würden letztendlich auch keine solche Mehrfachsicherungen greifen. "Dann helfen nur noch zusätzliche technische Warnsignale, etc., die gegebenfalls aber auch erst einmal eingeschaltet werden müssen", so Winkler.
Nichtsdestotrotz habe der Duisburger Zoo, genau wie alle anderen Tierparks, nach den Tiger-Unfällen in Münster und Köln auf Anordnung seine gesamte Sicherheitstechnik noch einmal überprüft. „Alles in Abstimmung mit den zuständigen Behörden, die die Sicherheitsmaßnahmen abgenommen haben.“
Neue Tigeranlage im Duisburger Zoo erhält modernes Schließsystem
So soll zum Beispiel in der neuen Tigeranlage, die derzeit am Kaiserberg entsteht, auch ein modernes, ausgeklügeltes Schließsystem eingebaut werden, das unter anderem auch der Zoom in Gelsenkirchen einsetzt. Dort gibt es nur noch einen einzigen Schlüssel für das Gehege, der in einem Sicherheitskasten hinterlegt ist und nur entnommen werden kann, wenn alle Boxen (in denen die Tiere für die Dauer der Säuberung untergebracht werden) geschlossen sind. Im Gelsenkirchener Tierpark wurde dieses System auch in den Gehegen der Löwen, Hyänen, Menschenaffen und Bären eingebaut. Auch in Münster hat der Zoo nach der Tiger-Attacke ein ähnliches Sicherheitssystem installiert, ebenso der Zoo in Osnabrück.
„Letztendlich funktioniert aber auch dieses System nur so gut wie der Mensch, der es bedient“, so Zoo-Direktor Winkler.
Eine Schlussfolgerung, die auch für Tierschützer eine Steilvorlage ist. So nimmt der Tierschutzbund den Vorfall zum Anlass, die Haltung von Menschenaffen in den Zoos anzuprangern: "Immer wieder kommen Menschenaffen in Zoos aufgrund von Planungsfehlern oder durch menschliches Versagen zu Tode", so Marius Tünte, Sprecher des Deutschen Tierschutzbundes. Deshalb sei es ethisch nicht mehr vertretbar, "unsere nahen Verwandten zum Zweck der Zurschaustellung zu instrumentalisieren." Die Tierschutzorganisation Endzoo will den Ausbruchsversuch sogar juristisch untersuchen lassen und hat Strafanzeige gestellt. Es solle geklärt werden, ob die Erschießung des Orang Utans nicht übereilt und unnötig war.
Wie der Orang-Ausbruch im Duisburger Zoo ablief
Ein erfahrener, langjähriger Pfleger hatte zum Dienstschluss einen Schieber zum Gehege nicht vorschriftsmäßig geschlossen. Trotz dreifacher Sicherung. „Das war menschliches Versagen, das man leider nie völlig ausschließen kann“, nimmt Winkler den total geschockten Mitarbeiter in Schutz.
Zunächst hatte Orang Nieas aus seinem Gehege in den Pflegergang entkommen kommen, „was an sich nicht einmal schlimm gewesen wäre", so Zoo-Direktor Achim Winkler.
Im Pflegergang hatte der Orang jedoch Sichtkontakt zu Orang-Männchen, so dass sich die beiden Männchen daraufhin durch einen Gitterschieber "bekäbbelten", was auch nicht weiter schlimm gewesen wäre.
Schlimm war dann, dass es den Orangs gelang, den trennenden Schieber zwischen den beiden Männchen zu öffnen, der möglicherweise ("das kann man nur erahnen oder vermuten", so Winkler weiter) ebenfalls nicht ordnungsgemäß gesichert war. Orang Utans sind richtige „Bastler“, die gerne an Knoten und technischem Gerät tüfteln.
Erst dann kam es zum direkten Konflikt zwischen den Affen, woraufhin der eine Orang durch ein Oberlicht vertrieben wurde, während das andere Männchen mit den Weibchen und Jungtieren in seinem nunmehr alleinigen Reich verblieb und keinerlei Anstalten machte, ebenfalls zu entkommen.
Bei dem Versuch, über ein Tor zu klettern, erschoss ein schießberechtiger Mitarbeiter des Zoos Orang-Männchen Nieas. Das sei die einzige Möglichkeit gewesen, das nervöse Tier zu stoppen.