Für Familie Kirbach ist es ein kleines Paradies: Anne (29), Martin (36) und ihre kleine eineinhalbjährige Tochter Emma blicken von ihrem Zuhause direkt aufs Wasser. Hinter ihrer Erdgeschosswohnung in Alt-Wanheim fließt der Rhein. Nur eine Hecke und die Rheinpromenade trennen ihren Garten vom längsten Fluss in Deutschland.

Doch das Paradieshafte des kleinen Fleckchens Erde wird durch die Industriegeschichte Duisburgs getrübt: Im Boden schlummern giftige Schwermetalle, die die Gesundheit gefährden können. Eine unsichtbare Gefahr.

„Manchmal lege ich mich einfach auf die Couch und schaue durchs Fenster auf den Rhein“, sagt Anne Kirbach. Dann beobachtet sie die vorbeiziehenden Schiffe und lässt die Gedanken fließen, so wie das Wasser fließt. „Schön ist auch, wenn wir am Wochenende gemeinsam am Frühstückstisch sitzen und im Winter den Sonnenaufgang über dem Rhein genießen können“, schwärmt sie vom Rheinblick hinter der großen Fensterfront.

Ihr Mann sieht das ähnlich. Er verbindet den Rhein vor allem mit einem: Heimat. „Immer, wenn ich den Rhein sehe, weiß ich, ich bin zu Hause“, sagt Martin Kirbach. Er ist am Rhein in Duisburg aufgewachsen, nur ein paar hundert Meter weiter von seinem jetzigen Wohnort, im Haus seiner Eltern.

In ihrem Zuhause am Wasser wohnen die beiden Physiotherapeuten seit Anfang 2013. Anne Kirbach kommt ursprünglich aus Herne – und konnte sich anfangs kaum vorstellen, nach Duisburg zu ziehen. „Für mich hatte die Stadt immer eher einen schlechten Ruf“, erinnert sie sich, fühlt sich aber jetzt rundum wohl. „Von hier aus bin ich schnell in der Stadt, es ist nicht weit nach Düsseldorf, aber ich habe auch die Natur direkt vor der Haustür.“

Auch für ihre Tochter Emma sei das Umfeld nahezu perfekt. Zu Oma und Opa väterlicherseits hat sie es nicht weit. Zum Kindergarten, den sie dreimal in der Woche besucht, dauert es fünf Minuten zu Fuß – im Tempo einer Eineinhalbjährigen. Und der große Garten, den die Kirbachs vom Balkon an ihrem Wohnzimmer über eine Treppe erreichen, bietet Platz zum Spielen und Toben.

Industriestaub aus Jahrzehnten

Nur: Ganz ungefährlich ist das für die kleine Emma nicht. Die Grundstücke am Wasser waren jahrzehntelang dem Industriestaub der Fabriken und Hochöfen entlang des Rheins ausgesetzt. Emmas Oma Christel Kirbach (76) erinnert sich noch gut: „Früher konnten wir ja gar keine weiße Wäsche draußen aufhängen. Da waren schon nach kurzer Zeit überall schwarze Stippen drauf vom Industriedreck.“ Noch heute sind die Böden teilweise stark durch Schwermetalle belastet. Eine Gefährdung der Gesundheit, vor allem bei kleinen Kindern, ist nicht auszuschließen.

2012 hatte das Amt für Umwelt und Grün der Stadt Duisburg in zahlreichen Gärten in Wanheim-Angerhausen Bodenproben durchgeführt, um eine mögliche Belastung durch Schwermetalle zu prüfen. Im Sommer 2013 lagen die Befunde vor. Das Ergebnis: Auch der Garten der Kirbachs gehört zu den Grundstücken, die mit Blei und Cadmium belastet sind. Ursache dafür, so benachrichtigte die Stadt die Anwohner in einem Schreiben, sei die langjährige Staubimmission durch die Industrie.

Boden muss saniert werden

Irgendwann, soviel ist klar, muss der Boden saniert werden. Wann es soweit sein wird und ob Kosten auf sie zukommen, wissen Kirbachs nicht genau. „Wir haben damals das Schreiben mit den Informationen, Ergebnissen und Handlungsmaßnahmen bekommen, aber danach nie wieder was gehört.“ Das Umweltamt teilte 2013 lediglich mit, die Stadt Duisburg bemühe sich um ein Finanzierungskonzept, „das möglichst ohne eine finanzielle Belastung der Eigentümer auskommt.“ Mittlerweile steht fest, dass die Sanierung privater Hausgärten nicht vor 2016 beginnen wird.

Bis dahin gilt Vorsicht, vor allem für Emma. So darf sie etwa nur dort auf dem Boden spielen, wo die Erde mit dichtem Gras bewachsen ist. „Der Staub soll nicht mit Schleimhäuten in Kontakt kommen“, weiß Anne Kirbach, „und wir müssen aufpassen, dass sie keine Erde in den Mund nimmt.“

Ansonsten gilt: Nach dem Spielen Hände waschen, bei der Gartenarbeit Handschuhe tragen sowie kein Gemüse oder Obst anbauen. Denn nicht nur über Haut und Schleimhäute, sondern auch über die Nahrungsaufnahme können die Giftstoffe in den Körper gelangen. „Natürlich ist das ein bisschen schade, aber das Risiko wäre einfach zu groß“, sagt Anne Kirbach.

Insgesamt sehen sie und ihr Mann die Bodenbelastungen in ihrem Garten jedoch gelassen. Ein Blumenbeet haben sie entfernt und dort Rasen gesät, um die Fläche mit loser Erde zu minimieren. Da, wo Gras wächst, darf Emma auch auf dem Boden spielen – wobei der Wirbelwind sowieso lieber in seinem Sandkasten schaufelt. Im Sommer soll die Eineinhalbjährige noch ein kleines Klettergerüst bekommen.

„Als ich klein war, habe ich immer draußen gespielt“, erzählt Martin Kirbach. Jeder habe jeden gekannt, da brauchten sich Eltern keine Sorgen um ihren Nachwuchs machen. „Klar haben wir auch im Dreck gebuddelt“, sagt Martin Kirbach mit einem Augenzwinkern. Giftstoffe im Boden habe es damals vermutlich auch schon gegeben, ist er sich sicher. „Nur wusste das natürlich keiner beziehungsweise man hat sich einfach keine großen Gedanken gemacht.“ Er grinst. „Aus mir ist trotzdem was geworden.“