Wer sich ansieht, wie 75 Menschen über Monate in einer kleinen Schul-Turnhalle leben, wird inständig beten, nicht in eine ähnliche Situation zu geraten. Was eine Wohlstandsgesellschaft als Leid empfindet, wird ein Flüchtling aus einem zerbombten Kriegsgebiet sicher anders erleben. Zeitgleich fragt man sich, was einen Asylbewerber aus den europäischen Balkan-Staaten aus seiner Heimat treibt, dass er diese mittels Folgeantrag gegen ein paar von Bettlaken umzäunte Quadratmeter tauscht.

Man muss sich nichts vormachen: Die Diskussion über diese Situation wird anhalten, der Unterbringungsdruck wird sich durch den Zustrom noch erhöhen. Bis Jahresende braucht die Stadt laut Prognosen 1500 weitere Plätze. Was heute als Notunterkunft tituliert wird, droht zur Dauerlösung zu werden. Und inzwischen lässt es die Zeltstadt, die nach dem Aufschrei und bundesweiten Schlagzeilen vor einem Jahr wieder ungenutzt abgebaut wurde, in einem anderen Licht erscheinen.

Zeltstädte gibt es längst, von Hamburg bis Bitburg, von Eisenhüttenstadt bis Herne. Und wer einmal die voll besetzte Turnhalle betreten hat, der muss sich zwangsläufig fragen, ob die vom DRK betreuten Zelte, jeweils mit maximal acht Personen belegt, nicht doch eine Alternative für die wärmeren Monate gewesen wären.

Der Umzug von der Turnhalle in ein Klassenzimmer wird Flüchtlingen an der Werthauser Straße wohl so vorkommen wie Urlaubern ein Hotelzimmer-Upgrade in die Präsidentensuite. Kaum zu glauben, dass diese Zwei-Klassen-Gesellschaft ohne Aufstand funktioniert. Und kaum zu glauben, dass das Immobilienmanagement vor einem Jahr stadtweit 37 aufgegebene Schulstandorte aufgelistet hat, von denen nicht einmal eine Handvoll als umgebaute Notunterkunft dient.

„Wenn ich alle Standorte jeden Tag mit allen diskutiere, komme ich zu keiner Lösung“, sagt die Sozialamtsleiterin. Womöglich hat sie damit recht. Die Zuweisungen kündigt die Bezirksregierung drei Tage vorher an, bis dahin muss die Stadt genügend Plätze gefunden haben. So groß die Not der Flüchtlinge ist, so hilflos erscheinen inzwischen Kommunen wie Duisburg bei deren Unterbringung. Ingo Blazejewski