Duisburg/Mülheim. Hildegard Günzel und ihre Mitarbeiter fertigen seit Jahrzehnten Mädchen, Märchenfiguren – und neuerdings auch den jungen Elvis. Handarbeit made in Duisburg lassen sich Liebhaber einiges kosten.
Hildegard Günzel muss auf die Schilder ihrer Lieblinge gucken. „Ich bin eine schlechte Puppenmutter, ich vergess’ die Namen immer“, sagt sie lächelnd und stellt Martha, Bettina, Marey, Shani und Inka vor. Kein Wunder, mehr als 1000 Modelle hat die Chefin einer Puppenmanufaktur in den vergangenen Jahrzehnten entworfen. Die hübschen Figurinen aus Porzellan und Kunstharz haben Liebhaber in aller Welt. Hildegard Günzels neuester Coup ist die Puppe des kleinen Elvis. Anhand eines Fotos, das den Sänger zeigt, als er zwei Jahre alt war, hat sie den Jungen geformt. Die kreative Entwicklung hat fast genauso viel Zeit in Anspruch genommen, wie sich mit der Firma, die die Rechte des King of Rock’n’Roll verwaltet, auf eine Lizenz zu einigen. Doch nun hat der Prototyp das Licht der Welt erblickt. Er wird schon jetzt bei Sammlern heiß gehandelt, schließlich werden nur 35 Exemplare gefertigt.
Angefangen hat alles vor 40 Jahren, als Hildegard Günzel ihre Kinder bekam. Sie nähte ihrem Sohn eine Puppe, damit er gar nicht auf die Idee kam, nach einer Spielzeug-Pistole zu fragen. Sie scheiterte. Er formte eine aus Daumen und Zeigefinger und rief „Bumm, Bumm“ im Kinderzimmer. Immerhin: Der studierte BWLer arbeitet inzwischen in der Geschäftsführung einer anderen Puppenfirma.
Puppen waren früher nicht zum Kuscheln
Die 1970er Jahren waren aber auch die Zeit, als ein paar historische Porzellanpuppen wieder auf Flohmärkten auftauchten. „Puppen waren damals nicht zum Kuscheln da, sondern wurde zu Weihnachten und zum Geburtstag mal hervorgeholt und ihnen wurde dann ein frisches Kleidchen angezogen“, erinnert sich die Puppen-Pionierin. Nur ihre heiß geliebte Schildkröt-Begleiterin durfte geschmust werden. Günzel, gelernte Modedesignerin, schwenkte von Kleidung für Menschen auf Kleidung für Puppen um. 1972 modellierte sie dann ihr erstes Mädchen aus Plasteline, später kamen Exemplare aus Porzellan und Resin, einem Kunstharz, hinzu. Letztere werden in China produziert. „Ich fliege einmal im Jahr hin, bringe Glasaugen aus Deutschland mit und schaue mir an, ob in der Produktion alles richtig läuft.“ Es sei immer schwieriger, gute Mitarbeiter zu finden, die sich etwa mit dem Knüpfen von Echthaar auskennen.
Die Porzellan-Modelle werden in Handarbeit in Duissern gefertigt. In einem Raum wird das Porzellan in eine der hundert Formen gegossen. Köpfe, Arme, Beine entstehen. Wenn die Körperteile aus der Form kommen, sind die Oberschenkel noch ein bisschen uneben. Wie Cellulite wirken die Dellen. Vera Racke poliert sie mit einem Schwamm. Dann wird das Porzellan zum ersten Mal gebrannt. Später werden die Einzelteile zusammengesetzt. „Es gibt Modelle, die haben zu drei Prozent Spiel und lassen sich bewegen. Andere sind reine Skulpturen“, erklärt Hildegard Günzel. Als einer der letzten Schritte, trägt sie mit einem Pinsel die Hautfarbe auf, tupft Rot auf die Wangen, zeichnet den Mund nach.
Näherinnen fertigen anschließend die Kleidung. Die Chefin legt Wert auf Qualität. Manche Hose für die Puppe ist teurer als die Kleidung der Besitzerin. Es gibt Stoffe, die kosten 300 Euro, pro Meter versteht sich.
56 Arbeitsschritte sind es, bis ein Liebhaberstück das Werk verlässt. Das hat seinen Preis. Ab 5000 Euro kostet ein seriell gefertigtes Modell. Einzelstücke sind noch teurer. Sammler aus der ganzen Welt greifen dennoch gerne zu, wenn Hildegard Günzel etwas Neues auf den Markt bringt. „Ich habe mal versucht in Japan eine asiatisch aussehende Puppe auf den Markt zu bringen. Die war gar nicht gefragt.“ Die Menschen dort wollten lieber europäisch anmutende Exemplare kaufen. Immer wieder gehen die Handwerkerinnen auch auf Kundenwünsche ein, ändern mal die Farbe eines Kleides, den Gesichtsausdruck oder die Größe. Aber es gibt Grenzen. „Ich würde nie eine Puppe nach einem lebenden Kind formen. Das muss sich ja immer vergleichen. Das Kind lebt und soll nicht kalt daneben stehen.“ Auch Babys gehören für sie in den Arm und nicht als Objekt ausgestellt.
Rechte-Inhaber von Elvis waren begeistert
Die Idee mit dem jungen Elvis hatte eine Mitarbeiterin, ein großer Fan des Sängers. Im vergangenen Jahr wagte sich Hildegard Günzel, die sonst auch mal Märchenfiguren im Programm hat, an den King of Rock’n’Roll. Sie zeichnete zunächst die Skizze, formte den Kopf, entwarf Cordhose, Hut und Hemd, wie sie die Kinder zu dieser Zeit getragen haben. Danach wandte sie sich an die Rechte-Inhaber. „Die waren begeistert von meinem Entwurf“, erinnert sie sich. Und auch die Elvis-Fanclubs in aller Welt sind voll des Lobes.
Für die Zukunft hat die kreative Geschäftsführerin, die früher für eine andere Firma auch mal ein Harry-Potter-Modell entwickelte, noch viele Ideen. Die Puppen-Liebhaber dürfen sich freuen.