Duisburg. . Welches Recht gilt eigentlich auf Duisburgs Straßen? Nach aktuellen Vorfällen in Marxloh warnen die Polizeigewerkschaften vor einem „Abrutschen ganzer Stadtteile“ in rechtsfreie Räume.
Wer hat eigentlich das Sagen auf Duisburgs Straßen? Eine Szene am Montag in Marxloh: Eine junge Polizistin liegt niedergeschlagen am Boden, ihr Kollege ruft mit gezogener Schusswaffe, umstellt von einem Menschenmob von 100 Personen, Verstärkung um Hilfe. Eben noch wollten sie nur zwei junge Männer kontrollieren, die auffällig nach Cannabis rochen.
Dann, blitzschnell, die Eskalation, eine Menschenmenge bedroht die Polizei. Ein 27-Jähriger erklärt aggressiv, er lasse sich doch nicht von der Polizei kontrollieren. Erst als zehn weitere Streifenwagen mit 20 Polizeibeamten auffahren, wird wieder klar, wer hier welches Recht auf den Straßen der Stadt durchsetzt. Der 27-Jähriger kann festgesetzt und nach Einsatz von körperlicher Gewalt festgenommen werden.
Ist Marxloh eine „No-go-Area“?
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Angesichts dieser Szenen warnen nicht nur die Polizeigewerkschaften, sondern auch der frisch nachgerückte Duisburger CDU-Bundestagsabgeordnete Volker Mosblech, vor einem „Abrutschen ganzer Stadtteile“ in rechtsfreie Räume. „Wir dürfen kriminellen Gruppierungen doch nicht die Straße überlassen, sonst werden ganze Stadtteile weiter abrutschen und mit ihnen die dort lebenden Menschen,“ sagt etwa Arnold Plickert, der NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Das böse Wort von Marxloh als der „No-go-Area“ (Tabu-Zone) macht derzeit in den Medien schon die Runde.
Ist dieser Stadtteil tatsächlich ein Ort, an dem das Gesetz der Straße und nicht mehr das deutsche Strafgesetzbuch gilt? Wird die Polizei in Duisburg der unübersichtlichen Lage nicht mehr Herr?
„Unsinn“, entgegnet Ramon van der Maat, Sprecher der Duisburger Polizei. Der Zwischenfall am Montag mit einer der Polizei bekannten libanesischen Großfamilie sei ein Fall, der nicht „typisch Duisburg“ oder „typisch Marxloh“ sei, sondern der sich genauso in Essen oder Köln hätte zutragen können.
Außerdem finde ja ganz normale Polizeiarbeit in Marxloh statt. „Von wegen, rechtsfreie Räume! Hier wird mit normalen Polizeistreifen kontrolliert, die es zwar mit einem penetranten Gegenüber zu tun haben, das finden wir auch nicht schön,“ sagt der Polizeisprecher. Und Elke Bartels, die Polizeipräsidentin beteuert: „Aber Polizeieinsätze, die aus banalen Anlässen, schnell größere Menschenmengen auslösen, bewältigen wir regelmäßig, in dem wir mehrere Streifenwagen zusammenziehen.“ Das hindere die Polizei im übrigen nicht, ihre Aufgaben in allen Stadtteilen wahrzunehmen.
Die Täter drohen den Politessen: „Ich klatsch’ dich weg!“
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Genau das konnte die Polizei am Mittwoch dann noch einmal flugs durch exerzieren. Tatort: wiederum Marxloh. Zwei junge Männer bedrohen zwei Politessen auf der Kaiser-Wilhelm-Straße, weil diese ihnen ein Knöllchen an die Autoscheibe geheftet haben. Sie bedrohen sie („Ich klatsch dich weg!“) und versuchen den Frauen die Diensthandys zu entreißen.
Die Ordnungskräfte verständigen die Polizei. Weil diese in Marxloh im Augenblick gerade in Kompaniestärke aufgestellt ist, werden die beiden Männer blitzschnell gesucht und gefunden: die Anweisungen der Polizei, sich auszuweisen, ignorierten sie. Außerdem finden sie es aufgrund der Anzahl der eingesetzten Beamten „sehr respektlos“, so behandelt zu werden. Eine größere Traube von Schaulustigen kommentierte und videografierte das Einschreiten der Polizei. Einem Rädelsführer der „Schaulustigen“ wird nach Personalienfeststellung ein Platzverweis erteilt. Die Täter mussten die Polizei zur Polizeiwache begleiten; dort wurden die Personalien der beiden zweifelsfrei festgestellt. Sie erhielten eine Strafanzeige wegen versuchten Raubes.
Duisburger Polizei bekommt Unterstützung
Dass die Polizei (derzeit?) so massiv in den Duisburger Problem-Quartieren agiert, darf man getrost an dem Umstand ablesen, dass die Duisburger Polizei derzeit personelle Unterstützung von der Einsatzreserve des Landes NRW erhält. Diese war am vergangenen Wochenende notwendig, als sie bereits zu einer Doppel-Razzia im Rockermilieu nach Hochfeld und Marxloh ausrückte.
Am Donnerstag dann gleich die nächste robuste Hausdurchsuchung mit schwer bewaffneten Spezialeinsatzkräften der Polizei: Es geht um Schutzgelderpressung. Tatverdächtig, so die Polizei, wiederum Mitglieder der bekannten libanesischen Großfamilie. Am Donnerstagmorgen dringen Kräfte eines Spezialeinsatzkommandos in vier Wohnungen in Marxloh und in Walsum ein.
Mehr als 100 Polizisten im Einsatz
Mehr als einhundert Polizisten sind im Einsatz. Die Maßnahmen richteten sich gegen vier Tatverdächtige im Alter von 19 bis 24 Jahren, die Ende April versucht haben sollen, einen Cafébetreiber in Ruhrort zu erpressen. Zwei Männer (19 und 24 Jahre) werden festgenommen, eine Gaspistole, ein Baseballschläger, ein Messer und ein beidseitig geschliffenes Wurfmesser werden sichergestellt.
Bilanz eines ganz normalen Einsatztages der Polizei im heißen Sommer 2015?