Geniale Schachspieler stehen aus unbedarfter Sicht ohnehin verdächtig nahe an der Grenze zum Wahnsinn. In Stefan Zweigs berühmter Erzählung „Schachnovelle“, die 1941 auf seiner Flucht vor den Nazis im brasilianischen Exil vollendet wurde, hat der mysteriöse Brettspielkünstler Dr. B. diese Grenze längst überschritten. Der verzweifelte Protagonist, ein in die Fänge der Diktatur geratener Vermögensverwalter eines renommierten Geldinstituts, hat das Schachspiel aus einem gefundenen Lehrbuch erlernt, um den Wahnsinn des Terrors seelisch zu ertragen. Das Opfer quälender Isolationshaft kann dann aber nicht mehr damit aufhören, im Kopf gegen sich selbst zu kämpfen.

Die Bühne Cipolla zeigte jetzt in Kooperation mit dem Metropol-Ensemble das auf einer Ozeandampfer-Kreuzfahrt spielende Stück erstmals im Foyer III des Duisburger Theaters. Der enorm wandlungsfähige Erzähler, Schauspieler und Regisseur Sebastian Kautz, der hier schon mit seiner Thomas-Mann-Inszenierung „Mario und der Zauberer“ begeistern konnte, erzielte mit seinem zauberhaften Puppenspiel magische Wirkung.

Es gehört zu den Stärken von Sebastian Kautz und seiner Puppenkünstlerin Melanie Kuhl, auch unvorbereitete Zuschauer auf diese fein gesponnene Schauspiel-Reise spontan mitzunehmen, die Gero John vom Metropol-Theater mit intensiven Streicher-Klängen und atmosphärischem Bandoneon-Spiel begleitete.

Scheinwerferlicht fällt auf die kleine Bühne, der Kapitän sieht aus wie ein bärtiges Schwein, der geldgierige Schach-Weltmeister ist eine Schaufensterpuppe, der schwerreiche Ölmagnat ein texanisch sprechender Rettungsring und der angeschlagene Dr. B. sitzt im Rollstuhl und kommentiert das Schach-Duell zwischen den beiden solange und unfehlbar, bis er selbst mitspielen muss. Dabei meldet sich der Wahnsinn wieder zurück.

Wie Sebastian Kautz hier mit minimalen Mitteln, aber mit von der Bühnenmusik getragenen raffinierten dramaturgischen Kniffen, diesen literarischen Stoff in Szene setzt, das ist schon ganz großes und ungewöhnliches Theater. Viel Beifall.