Duisburg. .
Die Einreiseformalitäten in den privatisierten Mikro-Staat beginnen vor der Tür mit Schilderhaus und Arbeiterdenkmal. Eine internationale Gruppe von Tänzern und Musikern rund um den Duisburger Tanz-Poeten Maximilian Bilitza haben anlässlich der 36. Duisburger Akzente die Engelsrepublik aus Bildern, Texten, Filmen, Gesang und Tanz entstehen lassen. Eine Performance, die Gänsehaut machte.
Die Gäste müssen gleich mehrere strenge Grenzkontrollstationen passieren und werden mit einem Visumsantrag zum Ausfüllen ausgestattet. Erst dann dürfen sie leicht eingeschüchtert auf den Stühlen Platz nehmen. Über die Wand flimmern gesetzlichen Grundlagen wie diese: „Jeder Mensch hat das Recht, gewöhnlich und unbekannt zu sein.“ Bilitza konstatiert in einem eingesprochenen Text eine weiterbestehende Nachfrage nach staatlicher Gewalt, der nach den Gesetzen des Marktes auch immer ein entsprechendes Angebot an Freiheitseinschränkungen folgt. So platzen auch in der Engelsrepublik bald bunte Hoffnungsblasen, oder sie entschweben unerreichbar Richtung Decke.
Die Tänzerinnen gehen zu Boden und setzen mit Stücken von Rollrasen plus einer Fuhre Erde einen territorialen Wühl- und Vernichtungskampf in Gang. Raushalten kann sich keine. Eine Sängerin singt mit schrillem Pathos „Dies Land ist mein Land“. Sie steigert sich in einen Monolog darüber, wie gut es tut, anderen das Denken zu überlassen. Immer irrwitziger und schneller spuckt sie Schlüsselwörter aus, schließlich läuft ihr das Blut aus dem Mund übers Kinn.
Drinnen erobern die Männer einer neuen Tänzergeneration, deren Bewegungen viele Kampfkunstelemente zeigen, die gedachte Republik. Nach draußen in die Altstadt auf die Beekstraße schlichen sich inzwischen die blutigen und bodenverkrusteten Verliererinnen. Sie bringen sich in Erinnerung, indem sie mit blanken Knochen an die großen Schaufensterscheiben des Spielorts hämmern. Und verpassen nebenbei einigen vorbeieilenden Passanten in der abendlichen Fußgängerzone den Schrecken des Tages. Ihre weißen, unbewegten Gesichter starren aus dem Dunkeln herein und überziehen das Performance-Publikum mit einer flächendeckenden Gänsehaut.
„Ich habe längst nicht alles verstanden, aber diese Gespenster vor den Fenstern, die waren schon sehr eindrucksvoll. Gerade hier auf der Beekstraße, wo doch die vielen ermordeten Juden gewohnt haben“, sagt Leonore Arndt nach dem üppigen Schlussapplaus. In der Hand hält sie noch immer den unausgefüllten Visumsantrag für die Engelsrepublik.