250 Bürger machen in Neuenkamp ihrem Ärger Luft. Sie stellen Fragen zur Betreuung der Flüchtlinge - und äußern Sorgen um ihren Stadtteil.

Die Volksseele in Neuenkamp kocht. In der vergangenen Woche hat der Rat beschlossen, dass aus der alten Hauptschule an der Paul-Rücker-Straße ein Wohnheim für 160 Asylbewerber werden soll. Seitdem sind die Nachbarn und Neuenkämper in Aufruhr. Bei einer Veranstaltung, zu der der Bürgerverein Kaßlerfeld/Neuenkamp ins Begegnungszentrum an der Mevissenstraße eingeladen hatte, machten rund 250 Personen ihrem Ärger Luft. Allerdings fanden nur rund 100 in dem Saal selbst Platz. Der Rest drängte sich im Garten um geöffnete Fenster und Türen, um die Ausführungen von Sozialamtsleiterin Andrea Bestgen-Schneebeck zu hören. Sie versuchte mit Fakten und sachlichen Argumenten den Bürgern die Angst zu nehmen. Doch die meisten wollten sich nicht beschwichtigen lassen.

„Seit 1994 steht die Schule leer. Die Aula, in der wir viele schöne Feste gefeiert haben, verwahrlost. Für 4900 Neuenkämper, die alle Steuern zahlen, wurde nichts in die Schule investiert, aber auf einmal für 160 Flüchtlinge“, ereifert sich eine Dame. Überhaupt, das Geld: Zunächst lässt die Stadt für 100 000 Euro ein Gutachten erstellen, was an dem Bau alles renoviert werden muss. „Wo kommt das Geld her? Wenn ich so wirtschaften würde, wäre ich längst pleite“, sagt ein anderer Redner kopfschüttelnd. Eine Teilnehmerin macht sich Sorgen um den Wert der Häuser: „Wir haben viel Geld und Herzblut reingesteckt, und das macht die Stadt mit dieser Entscheidung alles kaputt.“ Einigen schwante sogar, dass man die Asylbewerber nur nach Neuenkamp schicke, „um die Stadtmitte sauber zu halten.“

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Bestgen-Schneebeck erläuterte, dass es bereits Unterkünfte an der Koloniestraße und an der Friedenstraße gebe. Andere Standorte wie die von den Teilnehmern vorgeschlagenen Memelstraße oder die Obermauerschule seien nicht geeignet. Die Amtsleiterin klärte zudem auf, dass es sich bei den Flüchtlingen um eine andere Zielgruppe handele als bei den Bewohnern des Hauses „In den Peschen“. Helmut Brüggenhorst vom Immobilienmanagement der Stadt betonte, dass die Beanspruchung des Gebäudes nicht anders sei, als wenn dort Schüler eine Schule besuchen. Entgegen sämtlicher Vermutungen seien die anderen Asyl-Unterkünfte durchaus gut in Schuss und nicht vermüllt.

Doch damit waren die Fragen nicht abgearbeitet: Ob die Menschen denn vernünftig betreut würden, hakte jemand nach. Oder: Ob an der Grundschule für die Betreuung der Flüchtlingskinder mehr Lehrer eingestellt und zusätzliche Kindergartenplätze im Stadtteil geschaffen würden. Bestgen-Schneebeck betont, dass die Stadt und die Sozialverbände Betreuer beschäftigen, die verschiedene Sprachen beherrschen und den Asylbewerbern in ihrer Muttersprache helfen können. „Übergangswohnheim“ heiße die Einrichtung, weil dort Fluktuation herrsche. Das Wohnheim werde aber dauerhaft gebraucht. Es gebe ein Grundrecht auf Asyl.

Andreas Fateh, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, der ebenfalls im Publikum saß, mahnte die Beteiligten: „Ich kann Ihre Sorgen und Ängste verstehen. Aber die Wahrheit ist, dass der Grundsatzbeschluss gefasst wurde. Wir sollten die Diskussion nicht auf dem Rücken der Flüchtlinge austragen.“