Duisburg. Ein Gespräch mit Agathe Schüren und Veronique Fuchs von der Gustav-Heinemann-Realschule über ihre Schulform. Stadt will die Sekundarschule ausbauen.

Wie geht es weiter mit den Realschulen im Bezirk Mitte? 65 Kinder wollen im nächsten Schuljahr die Gustav-Heinemann-Realschule besuchen. Im vergangenen Jahr hatten sich noch 108 Jungen und Mädchen angemeldet. Die Stadt favorisiert künftig die Sekundarschule. Im Gespräch erklären Agathe Schüren, kommissarische Schulleiterin, und Veronique Fuchs, zweite Realschulkonrektorin, was die Schulform ausmacht – und welche Werte die Gustav-Heinemann-Realschule vermittelt.

Frau Fuchs, Ihr Handy steckt in einer Handytasche mit Schullogo. Was hat es mit den Merchandise-Artikeln auf sich?

Wir haben mehrere Utensilien angeschafft. Stifte, Notizblöcke, Schlüsselanhänger oder eben die Handytaschen. Die Sachen gibt es als Belohnung, wenn die Schüler einen guten Notendurchschnitt erzielt haben. Wer 2,1 erreicht, bekommt eine Urkunde. Für die Kinder ist es ein Anreiz, das zu erreichen, denn diese Hüllen bekommt nicht jeder. Außerdem gibt es Urkunden für gutes Sozialverhalten. Wir pflegen bei uns eine Lobkultur.

Schüren: Urkunden und Preise sind eine Motivation sich besonders anzustrengen, wie die Freude der Schülerinnen und Schüler bei der Übergabe immer wieder zeigt.

Wird denn auch getadelt?

Fuchs: Ja, Erziehung bedeutet: Lernen aus Erfahrung und Grenzen setzen. Daher stehen wir in engem Kontakt mit den Eltern. Jedes Kind hat einen Schuljahresplaner. Es ist ein Hausaufgabenheft. In das Heft können Lehrer etwas für die Eltern eintragen und umgekehrt. Darin wird auch vermerkt, wenn das Kind einige Stunden im Trainingsraum verbringen musste. Dort muss hin, wer wiederholt den Unterricht stört. In dem Raum sollen sich die Jugendlichen Gedanken über ihr Verhalten machen, danach gibt es ein Gespräch mit dem Lehrer – und der Unterrichtsstoff muss natürlich nachgeholt werden.

Höchstmöglicher Abschluss

Und bisher sei deutlich geworden, dass die Eltern eine Schulform bevorzugen, die ihren Kindern den höchstmöglichen Abschluss garantiert. „Wir können eine Sekundarschule nicht nur mit Hauptschülern eröffnen. Die Gymnasien sind gesetzt und die Gesamtschulen beliebt.“ Bleibe die Frage, was in Zukunft aus der Realschule werde. Alle Kinder können dort aber ihren Abschluss machen.

Schüren: Uns ist ein gutes Miteinander an unserer Schule wichtig. Friede ist eben „kein Naturprodukt“, wie Gustav Heinemann schon sagte, sondern wächst aus unserem Handeln. Dazu gehört, dass sich alle an Regeln halten, ihre Konflikte angemessen austragen und lernen, mit ihren Aggressionen umzugehen. Dies zu vermitteln ist fester Bestandteil des Schulprogramms. Wir machen und haben eine Arbeitsgemeinschaft Streitschlichtung an der Schule.

Fuchs: Unsere Aufgabe ist die Wissensvermittlung, aber auch eine Werte-Erziehung – und im richtigen Augenblick „Stopp“ zu sagen.

Das dreigliedrige Schulsystem, zumindest wenn man es für Haupt- und Realschule betrachtet, scheint ein Auslaufmodell zu sein. Wer besucht Ihre Schule?

Schüren: Die meisten Eltern wählen bewusst die Realschule. Mit dem Wunschziel Abi entscheiden sie sich im Sinne ihrer Kinder für das zusätzliche Schuljahr in der Sekundarstufe I und das kleinere, nur halbtags unterrichtende System.

Fuchs: Wir sind eine nette, bunte Schule. Wir leben die Integration.

Zweite Seiteneinsteigerklasse geplant 

Gibt es denn auch Schüler, die vom Gymnasium kommen, weil sie es dort nicht geschafft haben?

Fuchs: Das kommt regelmäßig vor. Neulich hatten wir aber wieder einen Kandidaten, der vom Gymnasium kam und sich bei uns so gut entwickelte, dass er die Qualifikation geschafft hat und danach wieder aufs Gymnasium wechselte. Wenn wir sehen, dass einer unserer Schüler Potenzial hat, sprechen wir mit den Eltern auch darüber. Wir leben die Durchlässigkeit des Schulsystems in beide Richtungen.

Schüren: Ein Schulwechsel, weil die Ziele der gewählten Schulform nicht erreicht werden, ist in der Regel ein schwieriger Prozess, der von der abgebenden und der aufnehmenden Schule sowie den Eltern gut begleitet werden muss, damit er den Kindern gelingt

Die Stadt hat eine Zusage gegeben, dass Sie in diesem Jahr noch Eingangsklassen bilden können – gleichzeitig hat sich eine Elterninitiative gegründet, die für den Erhalt der Realschule kämpft. Ist die Realschule ein Auslaufmodell?

Schüren: Wir haben zurzeit über 650 Schüler, die gerade in der Erprobungsstufe auch mit städtischen Mittel eine umfangreiche Sprachförderung erhalten. Von 106 Abgängern im vergangenen Jahr hat mehr als die Hälfte die Qualifikation für den Besuch der Oberstufe erreicht. Wir bekommen von den Gymnasien und den Berufskollegs die Rückmeldung, dass unsere Absolventen sehr gut mithalten können. Eine wichtige Rolle spielt die Schulform Realschule auch bei der Beschulung der zugewanderten Kinder ohne Deutschkenntnisse. Wir werden jetzt eine zweite dieser „Seiteneinsteigerklassen“ einrichten und mit unserer langjährigen Erfahrung zu der Integration dieser Kinder beitragen.