Duisburg. Auf der Königsstraße, Duisburgs Einkaufsstraße, deuten bloß zwei Lüftungsschächte auf das hin, was hier in der Erde verborgen ist: der Schutzbau König-Heinrich-Platz - eine “bombensichere“ Stätte, die für 4.500 Menschen ein Übergangsheim im Ernstfall gewesen wäre. Ein Relikt aus der Zeit des Kalten Kriegs.

Mit der Rolltreppe geht es unter dem Niki-de-Saint-Phalle-Brunnen in die Erde: Eine Stahltüre an der Wand ist der Eingang. Volker Roeber hat den Schlüssel. Der Sachbearbeiter bei der Duisburger Feuerwehr ist der Zivil- und Katastrophenschutzbeauftragte der Stadt - und quasi der "Bunkerwart". Ein durchaus lakonischer: Roeber führt in seltenen Abständen ausgesuchte Gruppen durch den Bunker. "Sie können am Ende der Tour Eintrittskarten kaufen", scherzt der Feuerwehrmann dann schon mal gegenüber den Besuchern.

Eintrittskarten für den Ernstfall

Herabfallende Trümmer, radioaktive Strahlung, Brände, biologische oder chemische Kampfmittel - all das soll dem Schutzbau nichts anhaben können. 4.500 Menschen könnten hier für zwei Wochen unterkommen. Binnen einer Vorlaufzeit von rund zehn Tagen hätten Roeber und sein Team vom Schutzrauminstandsetzungsdienst, die das Gebäude auch in Schuss halten, den Bunker für seinen Verwendungszweck eingerichtet. Völlig sorgenfrei hätten sich die Duisburger aber trotz des Schutzbaus in Zeiten des Kalten Krieges nicht fühlen dürfen, sagt Roeber trocken: "Wenn jetzt jemand auf den Knopf drückt und auf Duisburg zielt... - dafür ist der Bau nicht ausgerichtet."

Fertigstellung erst in den 90er-Jahren

Überhaupt: Die Planungen für den Bau beginnen Anfang der 70er-Jahre - zu einer Hochphase des Kalten Kriegs. Doch die Duisburger Verkehrsgesellschaft macht den Planern einen Strich durch die Rechnung. Immer wieder verzögert sich die Fertigstellung, erst Mitte der 90er Jahre ist es soweit - und der Kalte Krieg erloschen. Etwa zehn Millionen D-Mark hat allein der Rohbau verschlungen.

Unterirdisch brausen nun die Bahnen der DVG direkt am Bunker vorbei. Und sie brausen durch einen Teil des Bunkers durch. Der Bahnsteig war nämlich Teil des Schutzraums. Dort wäre ein Großteil der Betten aufgebaut worden. In den U-Bahnen wären Sitzplätze vorhanden gewesen. Die Bahnsteige wären mit Gleistoren an den Tunnelein- und -ausfahrten verschlossen worden.

Seinen Zweck erfüllen könnte der Schutzbau allerdings auch heute noch. Wenn es aus irgendwelchen Gründen in der Duisburger City zu einem schweren Unfall kommt, beispielsweise. Ein Raum mit 100 Betten ist immer für eventuelle Notfälle vorbereitet. "Auch bei Kyrill wäre das hier eine Option gewesen", erinnert sich Roeber. Ohne Notfälle sieht es dagegen so aus: "Das ist eine stinknormale U-Bahn-Haltestelle mit integrierter Schutzanlage."

Neue Klamotten für 450 Kinder

Oder doch mehr. Unter der Erde hat Roeber vorsorgen lassen, wie sich im Lagerraum zeigt: alte ABC-Schutzausrüstung der Bundeswehr liegt hier rum, neue Klamotten für 450 Kinder, Windeln, die wie früher gewickelt werden müssen. "Da müssen Mamas von heute umdenken", scherzt Roeber. 4500 Wolldecken gibt es, Geschirr, Besteck. Butter und Wurst aus dem Lager hat Roeber mal entsorgen müssen, sie waren abgelaufen. Aber Roggenbrot ist noch reichlich da. "Das hier", sagt Roeber inmitten der Regale im Vorratsraum, "ist unsere Schatzkammer."

In Schuss ist auch die Infrastruktur: 1000 Betten sind im größten Raum des Bunkers akkurat gestapelt, ein Brunnen mit zwei Pumpen hätte die Wasserversorgung gewährleistet. Und es gibt ein komplexes Filtersystem: die Schächte auf der Königstraße. "Eine separate Abluft gibt es nicht", erklärt Roeber, "die Türme dienen beide der Zuluft.

Spezielle Filter hätten die zuströmende Luft dann von Strahlungsrückständen und sogar von biologischen und chemischen Kampfstoffen befreien können, sagt der Feuerwehrmann. Bloß der gewöhnliche Telefon-Anschluss ist seit geraumer Zeit gekappt. Aber selbst dafür gibt es eine Alternative: Ein Kurbeltelefon hätte selbst bei einem atomaren Schlag die Kommunikation nach draußen sicher gestellt, weiß Roeber. Und ein Schiffsdiesel-Generator wäre bei einem Stromausfall eingesprungen.

"Wer kommt, der kommt"

Natürlich wäre bei einem Ernstfall der Eintritt streng reglementiert gewesen und Roebers Witz mit den Eintrittskarten hätte sich als ziemlich makaberer erwiesen. "Wer kommt, der kommt", hätte dann gegolten. An den Schleusen wäre mitgezählt und bei 4500 Menschen "die Tore automatisch geschlossen" worden: "Da gibt es kein Freund und kein Feind."

Roeber steht jetzt wieder im Außenbereich des Bunkers, Passanten strömen an ihm vorbei zu den Gleisen - nicht ahnend, was sich hinter den Stahltüren verbirgt. "Das ist hier kein Geheimnis", betont Roeber - es ist halt nur nicht so bekannt. Obwohl der Schutzbau König-Heinrich-Platz einer der größten Schutzbauten in Deutschland ist - und Duisburgs letzter noch betriebener. Alle anderen sind längst "entwidmet, sagt Roeber.

In anderen Städten zieht sich der Bund schon länger aus der finanziellen Unterstützung zurück. Die Stadt Duisburg wäre dann auf sich gestellt. Wie lange sich dieser Bunker noch hält? Nur für ein "Ereignis" in der City wird sich die Stadt den Schutzbau kaum leisten können, und auch nicht wollen, schätzt Roeber: "Wer soll das auch bezahlen?" Im Oktober vor 15 Jahren wurde das Bauwerk durch den Bund abgenommen. Seinen 20. Geburtstag wird dieses Relikt wohl kaum erleben. Es braucht ja niemand einen Schutzbau mehr.