„Nur gemeinsam ist man stark – schreibt euch das hinter die Ohren“, rief Emmi Pilger den rund 1000 Demonstranten zu, die gestern vor der Hauptverwaltung von Huntsman (früher: Sachtleben) gegen den geplanten Abbau von 353 Arbeitsplätzen demonstrierten.
Die 86-Jährige hat Erfahrungen mit dem Werk: Schwiegervater, Ehemann, Schwager, Sohn und zwei Enkelinnen haben bei Sachtleben gearbeitet oder tun es noch. Emmi Pilger: „Haltet zusammen wie all die Jahre zuvor. Kämpft um jeden Arbeitsplatz“, appellierte sie von der improvisierten Rednertribüne. Und versprach: „So lange ich lebe, komme ich wieder, um euch zu unterstützen!“
Ihr Sohn, Betriebsratsvorsitzender Klaus Pilger, hatte zuvor von einem „schwarzen Tag für Sachtleben“ gesprochen und klar gemacht, dass es sich nicht um irgendwelche 353 Stellen handelt: „Das sind wir.“ Die Arbeitnehmervertreter hätten schon am Vortag Fachanwälte eingeschaltet, die die geplanten Maßnahmen des Huntsman-Management prüfen werden: „Wir werden denen mal zeigen, was Sache ist.“
500 Teilnehmer hatten die Organisatoren zu Demo und Kundgebung erwartet, 1000 waren gekommen, und zwar nicht nur Huntsman-Beschäftigte, sondern auch Sachtleben-Rentner und Nachbarn des Werks. „Wir sind entsetzt“, fasste Jürgen Falkenburg die Stimmung in der Belegschaft zusammen. 29 Jahre arbeitet er bei Sachtleben, es sei eine „treue Belegschaft“.
31 Jahre dabei ist Ute John, der die Unsicherheit zu schaffen macht: „Im Moment weiß doch keiner, wer betroffen ist.“ Auf jeden Fall sei der Ärger so groß, dass alle bereit seien, für den Erhalt ihres Arbeitsplatzes auf die Straße zu gehen.
Die Größenordnung des geplanten Stellenabbaus sei für alle überraschend gewesen, sagt Sascha van Soest, 21 Jahre im Betrieb, seit der Ausbildung: „Wir sind völlig enttäuscht. Damit haben wir doch nicht gerechnet.“
Eine 22-jährige Auszubildende, die ihren Namen lieber nicht nennen wollte, steht kurz vor ihrem Abschluss und hatte eigentlich auf die bei Sachtleben geltende „Jobbrücke“ vertraut, auf eine zunächst befristet Übernahme. Jetzt sei von Huntsman nicht zu erfahren, wie es weitergeht. „Es wird schwierig“, fürchtet sie.
Job-Abbau und Arbeitskampf hat der Homberger Günter Zierus schon beim Kampf um das Hüttenwerk in Rheinhausen kennen gelernt. 38 Jahre ist er bei Thyssen-Krupp beschäftigt. Heute demonstriert er für die Zukunft des eigenen Unternehmens vor der Hauptverwaltung in Bruckhausen, gestern wollte er die Kollegen von Sachtleben unterstützen, obwohl er Urlaub hatte: „Da musste ich einfach hin – traurig genug!“