Bisher ist die Übernahme des Homberger Titandioxid-Herstellers Sachtleben durch den US-Konzern Huntsman eher ruhig verlaufen. Außer dem Namen und dem Logo hat sich an der Struktur in Homberg wenig geändert. Jetzt rückt der Tag der Wahrheit näher: Was der zum 1. Oktober vollzogene Verkauf des Werks mit seiner 137-jährigen Geschichte für die über 1220 Mitarbeiter tatsächlich bedeutet, erfahren sie am kommenden Montag. Die Firmenchefs haben zur Belegschaftsversammlung geladen.

1220 Mitarbeiter in Homberg und 500 in Krefeld

Im Betrieb herrscht deshalb Unruhe, die Sorge um einen Stellenabbau macht die Runde, die Einstellung von neuen Azubis stockt, es deuten sich Verhandlungen über Sozialpläne an. Das Unternehmen selbst will vor Montag keinerlei Kommentar abgeben.

„Ich rechne mit heftigen Maßnahmen“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Klaus Pilger. Und er weiß: „Die Ausbildung steht auf dem Spiel.“ Bislang verharren aber auch Betriebsrat und Gewerkschaft in Unkenntnis der Dinge, die auf den Traditionsbetrieb in Homberg zukommen und am Montag verkündet werden. Man bereitet bereits entsprechende Aktionen vor. „Wir rechnen mit einem nicht unerheblichen Personalabbau“, sagt Michael Reinhard, Bezirksleiter der IGBCE.

Huntsman hatte über eine Milliarde Euro für Sachtleben auf den Tisch gelegt und nach der Übernahme gleich die Unternehmensberater von McKinsey mitgebracht. Der neue Eigentümer hatte stets betont, dass „die meisten Mitarbeiter“ ihre Arbeitsplätze behalten werden. Aber „die meisten“ ist eben auch ein dehnbarer Begriff und die entscheidende Frage wird sein, wie hoch denn am Ende der Stellenabbau ausfallen wird. „Wir werden alle Betriebsabläufe genau betrachten, um wettbewerbsfähig aufgestellt zu sein“, hatte Konzernchef Peter R. Huntsman kurz nach der Übernahme im NRZ-Interview erklärt und dabei bereits verlauten lassen, dass die „weitreichenden Entscheidungen“ in den nächsten 30 bis 90 Tagen erfolgen werden. Dieser Prozess ist offenbar abgeschlossen. Auf das Ergebnis warten die 1220 Mitarbeiter nicht nur in Homberg, sondern auch die 500 Beschäftigten wenige Kilometer weiter südlich im Krefelder Chempark, wo Sachtleben Mitte 2012 das Crenox-Werk übernommen hatte, und das vor zwei Monaten ebenso wie der Standort im finnländischen Pori in das Huntsman-Portfolio wanderte.

In dem Duisburger Werk blickt man inzwischen auch mit sorgenvollem Blick auf die unterschiedlichen Vertriebsstrategien, die nach der Fusion aufeinandertreffen: Sachtleben hatte vor allem auch auf die Qualität der begleitenden Dienstleistungen und den Service gesetzt, im globalen Markt fokussiert sich der Blick verstärkt auf die Tonnagen und den Preis.

Die Mitarbeiter hoffen, dass sich der faire Umgang zwischen Arbeitgeber- und -nehmerseite der vergangenen Jahren fortsetzt: Sachtleben hat seit 1990 insgesamt 700 Stellen abgebaut, zur Standortsicherung waren die Beschäftigten zu finanziellen Einbußen bereit, im Gegenzug gab es Garantien, dass auf Kündigungen verzichtet, in den Standort investiert und weiterhin ausgebildet wird. „Die Ausbildung ist für uns Tabuthema, darum kämpfen wir in der Chemiebranche schon lange“, sagt IGBCE-Bezirksleiter Reinhard. „Sachtleben hat dabei sehr gut mitgezogen. Wenn Huntsman das ändert, wäre das ein schlechter Start.“