„Ich würde in den Dschihad ziehen und für Allah sterben. Lieber kämpfe ich für die Ehre als in Sünde zu leben.“ Wenn solche Sätze auf dem Schulhof oder im Klassenzimmer ausgesprochen werden, ist offensichtlich, dass ein junger Mensch in die Fänge von Dschihadisten geraten ist. Diesen wieder zu entradikalisieren, ist schwer. Häufig aussichtslos. „Es gibt Jugendliche, die wir nicht erreichen können. Das sind verlorene Seelen.“ So formuliert es Ahmad Mansour, freier Journalist und Hauptreferent eines Präventionsseminars für Lehrer und Sozialarbeiter, das am Mittwoch in der Synagoge in Duisburg stattfand.
Die salafistische Szene wird zunehmend größer. NRW ist das mit Abstand größte deutsche Sammelbecken für Dschihadisten. Ein Drittel aller deutschen IS-Kämpfer kommt hier her.
Damit es gar nicht erst so weit kommt und radikale Tendenzen früh genug erkannt werden, hat der Duisburger Arbeitskreis Kriminalitätsvorbeugung, in dem unter anderem Polizei, Jugendamt und Schulen zusammenarbeiten, das Seminar für Lehrer und Sozialarbeiter auf die Beine gestellt. „Man wird nicht wach und ist auf einmal Islamist“ lautet der Titel des Workshops. Die Nachfrage ist groß. 101 Pädagogen und Streetworker aus haben sich angemeldet. Sie wollen wissen: Wie erkenne ich radikale Tendenzen? Wie kann ich dagegen vorgehen? Das Beispiel der so genannten „Lohberger Brigade“ aus Dinslaken ist ihnen eine Warnung. Dort musste die Religionslehrerin Lamya Kaddor mitansehen, wie aus ihren Schülern Islamisten wurden. Ein Dutzend Freiwillige sollen von Dinslaken aus in den Dschihad gezogen sein. Darunter auch fünf Schüler von Lamya Kaddor.
Lehrer und Sozialpädagogen in Duisburg wollen das nicht erleben, wollen vorbereitet sein. So gut es geht jedenfalls. Die Frage ist: Wie? „Es gibt keinen Katalog, den man abarbeiten kann. Man kann nicht sagen, wenn der Bart zwei Zentimeter länger ist, ist das ein Zeichen für radikale Tendenzen“, so Mansour. Es gehe darum, wachsam zu sein und zu verstehen, was in den Jugendlichen vorgeht.
Keine leichte Aufgabe für Lehrer, die es pro Klasse mit 25 Schülern zu tun haben. Das gibt Mansour zu. Doch Lehrer hätten ein Gespür für ihre Schüler. „Sie merken, wenn sich ihre Schüler verändern.
Diese jungen Menschen seien auf der Suche nach Aufmerksamkeit. Salafisten wüssten das auszunutzen. „Sie schließen diese Lücke, betreiben Sozialarbeit. Der Salafismus bietet Jugendlichen eine Identität, ein geregeltes, strukturiertes Umfeld, Orientierung und eine Mission“, sagt Mansour. Um dem entgegenzuwirken, müssten Jugendliche gefordert werden, kritisch zu denken und zu hinterfragen. Debattierclubs und Rollenspiele bringen sie dazu, andere Perspektiven zu betrachten. Wer lernt, seine eigene Position zu hinterfragen, sei resistenter gegen Extremisten, die blinden Gehorsam verlangen.