Duisburg. Zwischen den Fraktionen im Duisburger Stadtrat spitzt sich die Entscheidung über den Haushalt zu. Das ist zugleich eine Bündnisfrage. Regiert bald eine Große Koalition aus Rot-Schwarz im Duisburger Rat oder geht es mit Rot-Rot-Grün weiter?

Schlussspurt bei den Etatberatungen der Fraktionen, die zugleich Tauziehen um die künftige Macht im Rat sind. Wer mit der SPD für den Etat stimmt, der könnte der künftige Bündnispartner werden. Rot-Schwarz oder Rot-Rot-Grün? Die Chancen stehen fifty-fifty, mit merklichem Pendelausschlag zu einer großen Koalition.

Schon vergangenen Mittwoch trafen sich SPD und CDU zum Austausch ihrer Etatlisten. Am Montag gibt es weitere Treffen. Auf dem Terminplan der SPD steht zunächst die CDU, dann tagen die Genossen auch mit Grünen und Linken. „Die Reihenfolge hat nichts zu sagen“, beeilt man sich bei der SPD, voreilige Schlüsse im Keime zu ersticken. Zugleich fällt aber merklich oft der Satz: „Große Probleme brauchen große Lösungen“ – sprich große, stabile Mehrheiten.

Ob SPD, CDU, Linke oder Grüne, sie alle haben sich geradezu Schweigegelübde auferlegt. Klar ist lediglich, dass die zusammengeschusterte Sparliste der Kämmerei von knapp elf Millionen Euro weitgehend kassiert wird, also Schließungen von Büchereien, das Ende der Sprachförderung usw. abgelehnt werden. Um keine schlafenden Hunde zu wecken oder vorzeitige Freudentaumel auszulösen, hält man sich bedeckt, lässt sich auch von der politischen Konkurrenz ungern in die Karten gucken.

Grundsteuer wird wohl in kommenden Jahren angehoben

Doch wie die Löcher stopfen, wenn die Tränenliste in die Tonne kommt? Dreh- und Angelpunkt der Gegenfinanzierung, aber auch des Bündnispokers ist die Steuerfrage. Bei der SPD scheint notgedrungener Konsens, die Grundsteuer in den kommenden Jahren anzuheben. Sie gilt der Partei noch als halbwegs gerechtes Instrument. Doch wer springt über dieses „Stöckchen“, damit er mit der SPD künftig regieren und gestalten kann (oder darf)?

Die CDU, die seit Monaten schon ihre Oppositionsrolle abgelegt hat und Schmusekurs auch mit der Stadtverwaltung und dem SPD-Oberbürgermeister fährt, hatte sich sogar Steuersenkungen auf die Wahlkampffahne geschrieben. Die ist freilich schon längst wieder eingerollt. Man erinnert sich dunkel: Kommunalwahl war im Mai. Wo ist die rote Linie für die Christdemokraten?

Denkbar wäre zur Gesichtswahrung, dass die Steuern nicht 2015, sondern erst in den Jahren danach angehoben werden. Zugleich ist allen Fraktionen klar: Die Finanzrisiken sind gewaltig. Stadtwerke und DVG sind in Nöten, bei der Müllverbrennung und den Müllgebühren drohen Millionenlasten, der Personalabbau kommt nicht voran, der Zoo steckt in den Miesen. Nur es hilft nichts: Wenn Duisburg die nächsten Jahre weiter üppige Landesgelder zur Etatsanierung bekommen will, müssen die Hausaufgaben gemacht werden, sprich muss der Düsseldorfer Finanzaufsicht der Haushaltsausgleich vorgerechnet – und belegt – werden.

Grüne und Linke lehnen auch Sparpaket der Verwaltung ab

Grüne und Linke hatten ihrerseits mit der SPD schon gemeinsam an der Steuerschraube gedreht und sagen beide auch laut und deutlich nein zum Sparpaket. Der Grünen-Chef Matthias Schneider sieht ohnehin große inhaltliche Gemeinsamkeiten zwischen Linken, Grünen und SPD und fordert, dass die Genossen endlich „Nägel mit Köpfen machen“.

Die Streitereien innerhalb der Grünen seien beigelegt, auch mit den Linken ist man nicht mehr überquer. Als „starkes Dutzend“ bezeichneten sich jüngst die je sechs Stadtverordneten. Um sich für Verhandlungen mit der SPD zu rüsten – oder als Vorgriff auf die Oppositionsrolle?

Klare Verhältnisse in den Revierstädten 

Mal Rot-Schwarz, mal Rot-Grün oder die bunte Ampel: In den meisten Revierstädten gibt’s längst klare Verhältnisses in den Stadtparlamenten. Ein Überblick:

In Bochum hatte sich Rot-Grün flugs auf ein neues Bündnis geeinigt und einen Vertrag geschlossen – man regiert schließlich schon seit 1999 zusammen, das dürfte revierweit die längste „Ehe“ sein. Die Mehrheit im bunten Bochumer Rat ist allerdings knapp: Rot-Grün verfügt über 43 der 84 Sitze.

In Oberhausen steht die Ratspolitik auf Ampelfarben: Rot-Gelb-Grün. Nach empfindlichen Verlusten bei der seit 60 Jahren regierenden SPD (erst allein, dann ab 2009 mit den Grünen) und nur noch 23 der 60 Sitze bildete sich schnell nach einem Monat die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Sie hat 30 Sitze -- die Opposition aus CDU, Bürgerbündnis und Linken ebenfalls 30 Sitze. Entscheidend ist also oft die Stimme des SPD-Oberbürgermeisters.

Herne und Essen werden rot-schwarz regiert

In Mülheim gibt es keine festgelegte Zusammenarbeit. Wechselnde Mehrheiten waren in den vergangenen Jahren an der Tagesordnung, lediglich beim Haushalt rauften sich SPD und CDU - mit 17 und 15 Sitzen die stärksten Fraktionen zusammen. Rot und Grün mögen sich nicht, Schwarz und Rot liegen in vielen Dingen weit auseinander.

In Herne sind nach vielen rot-grünen Jahren nun erstmals SPD und CDU in einer Ratskooperation vereint. Rot-Schwarz hat eine breite Mehrheit und gerade gemeinsam ein großes Handlungspaket geschnürt. Die „Koalition“ ist gut gestartet und zeigt sich zuversichtlich, auch die großen „Brocken“, also etwa den Haushalt, zügig aus dem Weg zu räumen.

Rot-Schwarz ist auch die Konstellation in Essen: SPD (ca 34 %) und CDU (ca. 32 %) arbeiten zusammen, es gibt eine schriftliche Verabredung, die die Akteure aber nicht zum Koalitionsvertrag aufgedonnert haben. Die Zusammenarbeit klappt bisher gut, hat aber noch keine wirklichen Knackpunkte zu lösen gehabt.

Die Qual der Wahl - ein Kommentar von Oliver Schmeer 

Die Bündnisfrage wird zur Geldfrage. Nicht weil zwischen den Fraktionen hinter verschlossenen Türen um Ausgaben und Einnahmen gefeilscht wird wie auf einem Basar, sondern weil sich an der Frage der Zustimmung zum Etat auch klären wird, wer in den kommenden knapp sechs Jahren die Gestaltungshoheit über die Duisburger Politik haben wird. Die SPD als Sieger der Wahl (die ist langer her) hat sie auf jeden Fall. Doch wer noch: CDU oder Grüne/Linke? Der oder die anderen müssen an den Katzentisch kommunaler Politik. Das will keiner, also bietet man sich wacker der SPD als Partner an.

So haben es die Genossen eigentlich schön. Sie können sich den Partner aussuchen. Will der eine nicht, dann halt der andere. Und sie lassen sich Zeit dabei. Die Partei-Konstellation, die den Etat beschließt, könnte auch das künftige Ratsbündnis stellen. Ein Automatismus ist das allerdings nicht.

Dass sich die SPD so viel Zeit nimmt, liegt freilich auch an der eigenen Zerrissenheit. Denn sie weiß selbst noch nicht so recht, wer der passendere Junior-Partner ist. In der Fraktion scheint die CDU die Favoritin zu sein, so sie denn die Steuerkröte schluckt; die Linken ohne Ex-Chef Dierkes, die Grünen mit Fraktionschefin Leiße sind ihr nicht geheuer. Doch der Partei um ihren Vorsitzenden Ralf Jäger liegt Rot-Schwarz schwer im Magen. Sogar von einer Mitgliederbefragung ist schon die Rede.