Dortmund. Im Interview spricht ein Dortmunder, der schon oft in den Katakomben unterwegs war, über die Faszination wie es war, als er einmal erwischt wurde.
Der Tiefstollen unter Dortmund übt eine magische Anziehungskraft auf zahlreiche Menschen aus. Ob Urban Explorer oder einfach nur Bürger, die gerne die unterirdische Seite ihrer Stadt sehen möchten. Die wenigen Eingänge zum Stollen sind dicht — nicht nur verschlossen, sondern verschweißt.
Dennoch gelingt es einigen Hobbyforschern immer wieder, Schlupflöcher in Dortmunds Katakomben zu finden. So auch Alexander B. (Name von der Redaktion geändert). Er wurde vor Jahren gemeinsam mit einer Gruppe Bekannter erwischt, als er in den Tiefbunker hinabgestiegen war. Im Interview spricht der Dortmunder über die Faszination, die die Anlage auf ihn ausübt.
Wann sind Sie zum ersten Mal im Tiefstollen unter Dortmund gewesen?
B.: Das war Mitte/Ende 1999. Das war relativ spontan. Ein Bekannter hatte mir davon erzählt und ich konnte das kaum glauben. Ich war dann total überrascht und fasziniert. Es hieß, man könne dort unten Motorrad fahren. Das würde ich nun nicht unbedingt versuchen, obwohl die Gänge breit genug wären.
Wie oft waren Sie danach noch unten?
B.: Insgesamt sicherlich im zweistelligen Bereich.
Was ist die Faszination?
B.: Es ist spannend, das System zu erkunden. Ich bin in Dortmund geboren und aufgewachsen und habe in meiner frühen Jugend angefangen, die Stadt auf meine eigene Weise zu entdecken. Der Stollen war eine ganz neue, faszinierende Parallelwelt. Unter der Stadt- und Landesbibliothek befindet sich eine riesige Halle. Andere Teile sind eng und noch im Rohbau. In den Stollengängen sind teilweise Straßenangaben zu ehemaligen Ausgängen, so dass man relativ präzise weiß, wo man gerade ist. Wenn man dann durch die Fußgängerzone geht, die auf Hochglanz polierten Fassaden sieht und weiß, wie es im Erdreich aussieht, ist das faszinierend. Wobei es dort unten nicht schmutzig ist. Das Wasser, das dort stellenweise fließt, ist glasklar. Ich habe es trotzdem lieber nicht probiert.
Da sind keine Tiere oder so. Es ist einfach nur unten. Das ist schon skurril. Ich habe öfter auch einfach das Licht ausgeschaltet. Dann steht man komplett im Dunklen und hört auch überhaupt nichts. Wenn man sich dann noch den geschichtlichen Kontext vor Augen führt und sich vorstellt, dass die Menschen damals in einer lebensbedrohlichen Situation waren und auch nicht wussten, was mit ihnen nahestehenden Menschen passiert, dann sind das sehr besondere Eindrücke.
"Ich glaube nicht, dass das System instabil ist"
Wie fühlt es sich dort unten an?
B.: Man hat eine permanent gleichbleibende Temperatur. Im Sommer ist es erfrischend, im Winter eher wärmer. Die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Ich musste einmal komplett alleine reingehen, weil ich mein Stativ vergessen hatte. Das ist schon seltsam. Nicht unbedingt gefährlich, aber man weiß, dass man dort unten alleine ist. Das ist ein komisches Gefühl. Ich glaube aber zum Beispiel nicht, dass das System instabil ist, weil die Decken abgestützt und die Wände vielerorts ummantelt sind. Spannend ist es unterm Westpark, wo die letzten Baumaßnahmen noch im Originalzustand sind. Dort gibt es auch Kalkablagerungen. Dort wurde der Stollen im Prinzip einfach nur in den Stein gehauen. Da liegt auch noch Gerät herum.
Was ist mit Tropfsteinen?
B.: In den ausgebauten Bereichen gibt es die nur teilweise. Aber unterm Westpark oder dort, wo durch Luftlöcher Wasser hereintropfen kann, gibt es viele. Skurril ist, wie unterm Westpark in den Stollen gefallene Kastanien versuchen, mit halben Meter langen Wurzeln Halt zu finden.
Sie waren oft unten, haben viel fotografiert. Haben diese Bilder einen besonderen Wert für Sie?
B.: Ja. Gerade, wenn man in der Stadt unterwegs ist, gibt es immer wieder Momente, wo man genau weiß, wie es da unter einem aussieht. Das ist natürlich jeden Tag so.
Sie sind bei einem Ihrer Ausflüge in den Stollen erwischt worden — was hat es damals für eine Strafe gegeben?
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B.: Da gab es eine gemeinschaftliche Geldstrafe für den Rettungseinsatz. Da war ja auch die Feuerwehr vor Ort.
Es gab keine Strafe?
B.: Nein. Das ist im Prinzip wie nachts ins Freibad zu gehen — unbefugtes Betreten. Das wurde damals eingestellt.
Können Sie sich irgendeine Nutzung für die Anlage vorstellen?
B.: Wir haben damals ernsthaft überlegt, Ausstellungen dort zu machen. Der Phantasie sind natürlich keine Grenzen gesetzt. Realistisch gesehen hat natürlich niemand unbegrenzte Budgets zur Verfügung. Es gibt dort unten ja nicht mal sanitäre Anlagen, nur Kabinen ohne Toiletten. Für große Veranstaltungen müsste man auch Fluchtwege haben. Das wird alles etwas schwierig. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass es für viele seltsam ist, an einem Ort wie diesem, zum Beispiel Partys veranstalten würde. Dann sind Leute betrunken und handeln nicht so, wie es angebracht wäre. Am sinnvollsten wäre es, auf Anfragen oder in regemäßigen Abständen Führungen durch die Anlage zu machen.
Ich finde auf jeden Fall nicht okay, dass so ein Geheimnis um die Anlage gemacht wird und man sie der Bevölkerung der Stadt vorenthält.