Dortmund. Als die Mauer fiel, öffneten Amtsstuben sogar am Sonntag. Die ersten Trabbis rollten noch in der selben Nacht an. Und Dortmund empfing die DDR-Bürger mit großer Herzlichkeit. Ein Rückblick auf bewegte Tage.
Auf der Fußmatte steht „Willkommen”. Doch zunächst müssen Karin Jaskowski, ihr Mann und die beiden Kinder wieder Schlange stehen. Dabei hat die Familie aus Jena bereits eine wahre Odyssee hinter sich. Damals, im Herbst 1989, ist das für DDR-Bürger der Preis der Freiheit.
Elf Tage haben die Jaskowskis schon in der Warschauer Botschaft der Bundesrepublik ausgeharrt, bevor es zunächst nach Schöppingen und von dort nach Unna-Massen geht. Am 7. November, also genau heute vor 20 Jahren, trifft die Flüchtlingsfamilie dann in Wambel ein. In den Schulungsräumen des Technischen Hilfswerks am Niedersachsenweg hat das Durchgangslager eine Außenstelle eingerichtet, mit der Hauptstelle in Unna verbunden durch einen Pendelbus. Bis zu 100 Übersiedler aus der DDR können in Wambel so eine vorübergehende Bleibe finden.
Zwei Tage später fällt die Mauer und plötzlich ist alles anders. Dortmunds Stadtverwaltung reagiert mit deutscher Gründlichkeit auf das Ereignis, das die ganze Welt berührt. Vor allem reagiert sie prompt. Schon am 10. November ruft Oberstadtdirektor Harald Heinze einen Organisationstab ins Leben. Vertreter aus den Bereichen Soziales, Jugend, Schule, Ordnung und Liegenschaften sollen die Stadt vorbereiten auf den erwarteten Ansturm von DDR-Bürgern. Das Wochenende steht vor der Tür. Niemand weiß genau, was passieren wird nach der überraschenden Öffnung der innerdeutschen Grenze durch die DDR. Dortmunds Übergangsheime platzen wegen des anhaltenden Zustroms von Spätaussiedlern aus Polen aus allen Nähten. Noch am selben Tag also prüft man, ob der Weltkriegsbunker an der Sonnenstraße als Notunterkunft taugt.
Doch zur Überraschung vieler in der Stadt kommen dann mehr Tagesbesucher aus der DDR als Bleibewillige. Schon in der Nacht von Freitag auf Samstag rollen die erste Trabbis und Wartburgs an. Aus den Zapfsäulen der Dortmunder Tankstellen fließt das Zweittaktgemisch nur so in Strömen in die Tanks. Hunderte DDR-Bürger stehen am Samstag morgen um 8 Uhr vor dem Sozialamt in Erwartung des Begrüßungsgeldes von 100 Mark. Für die Auszahlung ist eigentlich das Vertriebenenamt zuständig. Doch Sozialamtsleiter Robert Friedrich verständigt umgehend den Leiter der Stadtkasse, der wiederum ruft seine Kassierer aus dem Wochenende. Sechs Mitarbeiter sind am Ende im Einsatz.
Bis Sonntag zählt man im Sozialamt 430 DDR-Besucher. Neun Familien wollen gleich in Dortmund bleiben. Die meisten aber kommen nur „auf Besuch”. Wie das Ehepaar aus Halle, das schon am Freitagabend aufgebrochen war, sieben Stunden an der Grenze gestanden hatte und schließlich am Samstag nachmittag in Dortmund eintrifft. „Nur für einen Stadtbummel”, wie die beiden unserem Reporter damals verraten. „Am Montag müssen wir wieder arbeiten.”